Serena Bilanceri über Siedlergewalt im Westjordanland: Sanktionen gegen Israel
Als die Menschenrechtsorganisation Amnesty International 2022 von einer „Apartheid“ in den palästinensischen Gebieten schrieb, gellte ein Aufschrei durch Deutschland. Von Antisemitismus war die Rede. Doch die NGO-Mitarbeiter*innen waren nicht plötzlich verrückt oder leichtsinnig geworden. Wer mit Palästinenser*innen im Westjordanland unterwegs war, versteht, was mit „Apartheid“ gemeint ist.
Seit 1967 ist das Westjordanland von Israel besetzt. Illegal besetzt, das hat der Internationale Gerichtshof jüngst bestätigt. Seit 1967 treibt die israelische Regierung den Bau von Siedlungen im Westjordanland voran. Illegal, unter internationalem Völkerrecht. Seit 30 Jahren entstehen im Westjordanland Außenposten von mehr oder weniger radikalen Siedler*innen. Illegal – sogar unter israelischem Recht.
Die Gewalt durch radikale Siedler nimmt exponentiell zu. So viele Angriffe auf Palästinenser*innen wie im Oktober gab es in einem Monat noch nie seit 2006, schreiben die Vereinten Nationen. Über diese Gewaltexzesse beschweren sich sogar israelische Offiziere anonym in der Presse, und der Ex-Geheimdienstchef Ronan Bar klagte vor seiner Entlassung 2024, dass der jüdische Extremismus im Westjordanland außer Kontrolle sei.
Es ist kein Geheimnis: Manche Minister*innen der jetzigen Regierung sind selbst Siedler*innen, und vor drei Wochen hat das israelische Parlament einem Gesetzentwurf zugestimmt, um das Westjordanland zu annektieren. Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir brüstete sich im Juli damit, dass die Polizei keine Siedler*innen mehr verfolge, seitdem er im Amt sei. Aber auch zuvor wurden jüdische Gewalttaten nicht geahndet: Nach Daten der israelischen NGO Yesh Din enden seit 2005 94 Prozent aller Polizeiuntersuchungen bei Verbrechen an Palästinenser*innen durch Israelis ohne Anklage.
Die Siedlergewalt ist kein Einzelfall, sondern Teil eine radikalen Vertreibungsstrategie. Es wäre utopisch, eine Lösung von der jetzigen israelischen Regierung zu erwarten. Der Druck muss von der internationalen Gemeinschaft kommen; die USA, aber auch Deutschland und Europa müssen finanzielle und militärische Sanktionen verhängen.
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