Serbien und Verschwörungstheorien: Mordsstimmung in Belgrad
Auf Premier Aleksandar Vucic sollte angeblich ein Attentat verübt werden. In den Medien wird spekuliert, ob die CIA dahinter steckt.
Als ob gerade ein Staatsstreich abgewendet worden sei, meldeten sich gleich auch andere Minister besorgt zu Wort. Außenminister Ivica Dacic spielte darauf an, dass sich Vucic den Interessen des Westens nicht beugen wolle und wegen seiner unabhängigen Politik als störend empfunden werde. „Die Geschichte hat leider gezeigt, dass ausländische Bösewichte stets eine serbische Hand finden, die für sie die schmutzige Arbeit erledigt“, sagte er. Ein anderer Regierungsvertreter meinte, dass es weder das erste noch letzte Mal sein werde, dass jemand ein Attentat auf Vucic und dessen Familie plane.
Als mögliches Ziel des vermeintlichen Attentats wurde auch der Bruder des Ministerpräsidenten, Andrej Vucic, genannt. Der Innenminister bezeichnete ihn als den „einzigen wunden Punkt des Premiers“, weil Aleksandar Vucic ihn „sehr liebe“.
Während regimenahe Medien die „Bruderliebe“ als mögliches Motiv für ein Attentat auf Andrej Vucic in den Vordergrund stellten, um dem Regierungschef zu schaden, bezeichneten Regimekritiker den Bruder des Premiers als einen zwielichtigen Geschäftsmann. Dieser habe sich selbst Feinde gemacht, sei in düstere, kriminelle Geschäfte verwickelt und werde dabei vom Staat gedeckt.
Totales Chaos
Am vergangenen Sonntag explodierte dann tatsächlich eine Bombe – wieder in den Medien. Die regimenahe Boulevardzeitung Informer titelte: „CIA sogar bereit in Serbien zu morden! Putins Sicherheitsleute warnten serbische Kollegen vor gefährlichen Plänen Amerikas in Serbien“.
Es gebe zwei Szenarien, um ein totales Chaos herbei zu führen, schreibt die Zeitung. Vucics Mitarbeiter und Verwandte umzubringen und das dann als eine Auseinandersetzung unter Kriminellen darzustellen. Oder Vucics lautstärkste Gegner zu töten und dann dafür die Machthaber verantwortlich zu machen. Auf den Artikel gab es weder eine Reaktion des Regimes, noch eine Distanzierung im Informer, dessen Eigentümer Aleksandar Vucic als einen „ehrenhaften Mann“ bezeichnete.
Am Wochenende soll angeblich in Bosnien eine Spur zu den in Belgrad entdeckten Waffen aufgetaucht sein. Umgehend meldete sich am Montag Aleksandar Vucic zu Wort: Die Sache sei ernsthafter, als man es zunächst dachte, sagte er zu den angeblichen Attentatsplänen. Mehr nicht.
Die Geheimniskrämmerei des Regimes lässt viel Raum für Spekulationen. In den wenigen serbischen regimekritischen Medien gibt es mehrere Erklärungen für die Mordgeschichten. Die eine lautet, dass womöglich Vucic nahestehende Leute und sein Bruder in kriminelle Geschäfte verwickelt seien und man der sich abzeichnenden Maffiaabrechnung ein politisches Alibi verschaffen wolle.
Druck erhöhen
Man könnte die Geschichte im Informer aber auch als Drohung an Regimekritiker deuten. Sollte einem von ihnen etwas passieren, könnte man die CIA dafür verantwortlich machen. Oder: Der Druck auf Vucic wird erhöht, die Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen. Denn eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Belgrad und Prishtina ist eine Bedingung für den Fortschritt der EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbiens. Das Regime könnte versucht sein, mit wilden Geschichten gegen zu steuern und abzulenken.
Eine vierte Erklärung lautet, dass Vucics Machtsystem auf einer permanenten Erzeugung von Ausnahmezuständen gründet, wobei er sich als einziger Retter und Erlöser Serbiens präsentieren kann.
Wenn Verschwörungstheorien jedoch einen antiamerikanischen Beigeschmack bekommen, hört der innenpolitische serbische Spaß für die EU auf. Trotz der Beitrittsverhandlungen ist Serbien immer noch zwischen seiner Liebe zu Russland und einer pragmatischen Zusammenarbeit mit dem Westen hin und her gerissen. Im Informer war zu lesen, wie gute Russen die bösen Mörder der CIA daran gehindert hätten, ein Attentat auf den einen oder anderen der Gebrüder Vucic zu verüben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Streit um die Sandale