Senegal unter Diomaye Faye: „Die Jugend hat keine Zeit zu warten“
Drei Monate nach Amtsantritt von Senegals linkem Präsidenten Diomaye Faye fehlen konkrete Projekte. Vor allem junge Menschen sind unzufrieden.
![Senegals Präsident Bassirou Diomaye Faye steht im Anzug an einem Rednerpult Senegals Präsident Bassirou Diomaye Faye steht im Anzug an einem Rednerpult](https://taz.de/picture/7095377/14/35546994-1.jpeg)
„Alle hier erwarten konkrete Ankündigungen“, sagt Ba. Er räumt ein, dass es zu früh sei, um etwas über die Arbeit der neuen Regierung sagen zu können. „Aber die Jugend hat keine Zeit zu warten. Sie hat keine Geduld.“
Senegals neuer Regierungschef ist Ousmane Sonko, ein Korruptionsgegner, Elitenkritiker und Panafrikanist sowie konservativer Muslim. Er war der eigentliche Oppositionsführer gegen den vorherigen Präsidenten Macky Sall gewesen. Sall mochte zunächst von der Macht nicht lassen, bevor er doch nachgab, aber die Wahlen verschob; bei Protesten gab es Tote.
Als die Wahlen am 24. März stattfanden, durfte Sonko nicht kandidieren, weil er zu einer Haftstrafe verurteilt worden war. An seiner Stelle kandidierte der wenig bekannte Faye – und machte nach seinem Amtsantritt am 2. April prompt seinen Mentor zum Premierminister.
Es fehlen Perspektiven für junge Menschen
Seine Mannschaft hat Sonko als Kabinett „des Bruches“ beschrieben, das für „Systemwechsel“ stehe. Bisher ist vor allem zu hören gewesen, dass die neue Regierung stärker gegen Korruption vorgehen und Steuern anheben will. Das sei nicht falsch, findet Amadou Ba. Aber das eigentliche Problem seien die nach wie vor fehlenden Perspektiven für die Jugend. Offiziell liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei nur vier Prozent, aber die allermeisten jungen Menschen halten sich mit informellen, schlecht bezahlten Jobs über Wasser. 200.000 junge Menschen kommen in Senegal pro Jahr neu auf den Arbeitsmarkt, eine Million werden es während der Amtszeit der neuen Regierung sein.
„Viele wollen arbeiten, aber haben nichts gelernt“, sagt Ba. Und so würden viele sich auf den Weg Richtung Europa machen. „Gerade heute ist wieder eine Piroge mit 78 jungen Leuten abgelegt“, sagt er und deutet in Richtung des nahen Stadtstrandes. Etwa 4.000 Senegalesen haben in diesem Jahr bisher in der EU einen Asylantrag gestellt. „Ich will auch nach Berlin“, sagt einer der Jugendlichen, die bis dahin in der Ecke gesessen und stumm zugehört haben.
Die Regierung nimmt vor allem die Hochschulbildung in den Blick. „Aber es ist viel wichtiger, dass Menschen etwas mit den Händen lernen können“, meint Ba. „Elektriker oder so.“ Große Berufsschulen für Facharbeiterausbildung – das würde das Land nach vorn bringen, glaubt er. „Wir haben 18 Millionen Einwohner, aber keine zwei, die Beleuchtungstechnik unterrichten können. Diese Kompetenzen muss man entwickeln.“
Der Filmemacher Demba Dia ist an diesem Tag auch im Impact. Er war in den 2000er Jahren aktiv in der von Rappern und Journalisten initiierten Protestbewegung „Y’en a marre“ – „Es reicht“. Diese hatte 2012 mit Massenprotesten die Abwahl von Macky Salls Vorgänger als Präsident, Abdoulaye Wade, mit herbeigeführt. Heute dreht Dia Dokumentarfilme über junge Haftgefangene oder Anwohner, die gegen Umweltschäden durch staatliche Bauprojekte protestieren. Er sei „optimistisch, was das Kleine, und pessimistisch, was das Große angeht“, sagt er.
Ökonomen fürchten Inflationsschub
Auch die neue Regierung werde „Oligarchen zu Diensten sein“. Auch den diskutierten Ausstieg aus der westafrikanischen Regionalwährung CFA-Franc, die aus der französischen Kolonialwährung entstand und bis heute an den Euro gekoppelt ist, sieht er skeptisch. „Das ist vor allem eine Frage der Identität, aber keiner weiß, was das kosten wird.“
Schon vor zehn Jahren hatte unter anderem „Y’en a marre“ die Abschaffung des von der französischen Zentralbank kontrollierten CFA-Franc verlangt, auch als symbolischen Schritt der Emanzipation. Auch der neue Präsident Diomaye Faye hatte davon gesprochen. Doch Ökonomen fürchten einen erheblichen Inflationsschub.
Im Wahlkampf hatte sich der 44-Jährige Faye als Vertreter eines „linken Panafrikanismus“ bezeichnet. Zudem stellte er in Aussicht, die „nationale Souveränität“ wiederherzustellen. Mit der deutlich antikolonialen Rhetorik nahm Faye eine Stimmung auf, die offen auf den Bruch mit dem Westen drängt. Anders als in manchen Nachbarstaaten wie Mali gibt es in Senegal bisher aber keine offene Hinwendung zu Russland. Faye will weiter mit dem Westen kooperieren, aber die Verträge zur Förderung von Gas, Öl und Gold, die unter Macky Sall geschlossen wurden, neu verhandeln und eine „überdachte“ Beziehung zur EU herstellen. Nun wartet Senegal auf Veränderung.
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