Wahlen in Senegal: Quittung für Salls Rückwärtsgang
Einst als Reformer gefeiert, ließ Präsident Macky Sall die Meinungsfreiheit in Senegal einschränken. Auch jungen Leuten bot er keine Perspektive.
S icher ist der Wahlsieg des linken Oppositionskandidaten Bassirou Diomaye Faye nicht. Er hat zwar zahlreiche Glückwünsche erhalten, und seine Anhänger:innen feiern ihn. Doch auf das offizielle Ergebnis wird noch gewartet. Dafür stehen die großen Verlierer längst fest. Es sind Premierminister Amadou Ba, Kandidat der Regierungskoalition Benno Bokk Yakaar (BBY), aber vor allem der bisherige Präsident Macky Sall.
Der 62-Jährige, der vor zwölf Jahren ähnlich begeistert als Erneuerer der senegalesischen Politik gefeiert wurde wie heute Diomaye Faye, hat in den vergangenen Jahren alles verspielt. Die Republik Senegal ist stolz auf ihre Demokratie. Doch Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit hat Salls Regierung ab 2021 zunehmend einschränken lassen. Bei Demonstrationen kamen in den vergangenen Jahren mindestens 60 Menschen ums Leben.
Erst im Februar ist wieder deutlich geworden, wie massiv die Regierung gegen Kritiker:innen vorgeht, die nur eine Forderung hatten: Sie wollten wie geplant am 25. Februar einen neuen Staatschef wählen. Gelungen in den vergangenen zwölf Jahren ist es auch nicht, jungen Menschen Perspektiven zu bieten. Zugegeben: Die Herausforderung ist enorm, drängen jährlich rund 300.000 Personen auf den Arbeitsmarkt.
Doch auch die gut Ausgebildeten wollen das Land verlassen, weil nicht nur Jobs fehlen, sondern auch Lebenshaltungskosten steigen. Wohnungen im Großraum Dakar werden zunehmend unbezahlbar, wie auch die Strompreise. Die Frustration ist groß. Der größte Fehler von Salls Regierung dürfte allerdings gewesen sein, dass sie den Einfluss von Oppositionsführer Ousmane Sonko unterschätzt hat.
Amnestie-Gesetz kurz vor der Wahl
Aufgrund einer Verurteilung wegen „Verführung der Jugend“ selbst nicht als Kandidat zugelassen, hat sich Sonko deutlich hinter Bassirou Diomaye Faye gestellt, der ebenfalls noch bis Mitte März im Gefängnis war. Die Entlassung der beiden durch ein neues Amnestie-Gesetz unmittelbar vor der Wahl kann von zwei Seiten gedeutet werden: Es könnte ein letzter Versuch gewesen sein, sich doch noch glimpflich aus der Affäre zu ziehen und als großer, gutmütiger Staatsmann zu gelten.
Es ist aber auch nicht unwahrscheinlich, dass Sall und seine Anhänger:innen die Wahl schon vor einigen Wochen als verloren glaubten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen