Sendung über Kirche und Pop in der DDR: Pater Punk
Der RBB zeigt in der Doku „Kirche, Pop und Sozialismus“, wie eng religiöse Institutionen und Subkulturen in der DDR miteinander verflochten waren.
![](https://taz.de/picture/134248/14/PunksInderDDR.jpg)
Rudolstadt, Thüringen, Juni 1986: 600 bis 800 jugendliche Musikfans fallen in ein 20.000-Einwohner-Städtchen ein. Darunter um die 100 „Punker“-Leute, die einen Musik- und Lebensstil verfolgen, der nicht den Normen des „1. Arbeiter- und Bauernstaats auf deutschem Boden“ entspricht.
Die Staatsmacht ist alarmiert – zumal das Treffen „Jugend 86“ auf Einladung eines Vereins stattfindet, der der Deutschen Demokratischen Republik feindlich gesinnt ist: der evangelischen Kirche.
Popmusik, Subversion und Kirche? Vom Westen aus betrachtet war diese Kombination Mitte der 1980er Jahre so unmöglich wie heute. Aber im Osten des geteilten Deutschlands waren die Verhältnisse anders.
Dort fand zusammen, was irgendwie gegen das System der Sozialistischen Einheitspartei war: Von – gläubigen – Freunden des damals noch hemmungslos „geistliche Negermusik“ genannten Gospel über „westlich-dekadente“ Jazzer, langhaarige Blueser, kritische Liedermacher bis hin zu renitenten Punks. Und das oftmals unter dem Dach der einzigen Institution in der DDR, die vom Staat unabhängig war: der Kirche.
Notizen zur Popkultur
Auf der anderen Seite machte sich die Staatssicherheit nicht nur ein paar Notizen zur Popkultur in dem Land, das sie als das ihre begriff. Heute wird das „Schwert und Schild der Partei der Arbeiterklasse“ meist fast verniedlichend „Stasi“ genannt.
Dabei fällt allzu oft unter den Tisch, dass der auch „VEB Horch und Guck“ genannte Geheimdienst Menschen abhörte, beschattete, verhaftete, ins Gefängnis steckte – und sozial vernichtete. Und dass als Grund dafür ein von der Norm abweichender Musikgeschmack reichte.
Die Geschichte der DDR-Popmusik, ihrer Subkulturen und der staatlichen Subversion gegen beide erzählen in „Im Namen des Herren. Kirche, Pop und Sozialismus“ Musiker, Fans und Pfarrer.
Zusammengestellt haben den Dokumentarfilm zwei Schwergewichte der kritischen DDR-Forschung: Michael Rauhut, Blues-Fan der ersten Stunde, Musikwissenschaftler, Chronist der DDR-Popszene und Professor für Popmusik an der Universität Agder im norwegischen Kristiansand, sowie Tom Franke, dessen Firma Armadafilm schon so einige hoch interessante Filme zum Thema DDR produziert hat.
Aus der Doku kann man eine Menge lernen. Zum Beispiel dass etablierte Kirchenbürokratien – ähnlich dem Urchristentum – Kirchen zu Räumen der Zusammenkunft machen können, wenn sie von staatlichen Subventionen befreit und stattdessen unter Druck gesetzt werden. Und bei der Gelegenheit wieder Pastoren hervorbringen, die diesen Titel auch verdienen.
Und noch etwas. Ja, man soll nicht Äpfel mit Birnen vergleichen – aber sich gedanklich darauf einzulassen, dass NSA & Co. neben unseren privaten Gesprächen, politischen Meinungen, Kaufgewohnheiten und sexuellen Orientierungen auch unseren Musikgeschmack aus dem Internet lesen und daraus Rückschlüsse ziehen könnten, ist nicht nur erlaubt, sondern angesichts der historischen Erfahrungen folgerichtig.
„Kirche, Pop und Sozialismus“, 26. November, 22.45 Uhr, RBB.
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