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Senats-Beauftragter Walter GauksVereinchen wechsel dich

Mit Lyra Marzahn droht dem bis 2024 vom Senats-Aussiedlerbeauftragten Walter Gauks geleiteten Verein die Insolvenz. Ein Ersatz steht schon bereit.

Walter Gauks (CDU), Ansprechpartner des Senats für Deutsche aus Russland, Spätaussiedler und Vertriebene Foto: Angelo Crull

Berlin taz | Gibt es für den umstrittenen Verein Lyra Marzahn bereits einen Nachfolgeverein, um für den Fall einer möglichen Insolvenz geräuschlos weiter arbeiten zu können? Laut der Website des neuen Vereins Soziales Netzwerk Wir gemeinsam sieht es ganz danach aus. Die Inhalte und das Impressum stammen von dem Verein Lyra Marzahn, der die Seite seit mehr als einem Jahr betreibt.

Der neu gegründete Verein macht aus der Kontinuität kein Geheimnis. Auf der Website steht: „Seit 1993 engagieren wir uns als Gemeinschaft der Deutschen aus Russland für die Beheimatung von Menschen mit Migrationserfahrung in Berlin.“ Seit 1993? Da wurde der Verein Lyra – nicht zu verwechseln mit Lyra Marzahn – im benachbarten Lichtenberg gegründet.

Vor einigen Jahren musste Lyra unter dem Vorsitz von Walter Gauks, CDU-Politiker und Ansprechpartner der Landesregierung für Deutsche aus Russland, Spätaussiedler und Vertriebene, Insolvenz anmelden. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte 2019 insgesamt 44.000 Euro falsch verwendete Fördermittel zurückgefordert und der Verein konnte oder wollte sie nicht zurückzahlen.

Stattdessen gründete Gauks 2020 mit fast identischem Personal den Verein Lyra Marzahn. Viele Russlanddeutsche im Berliner Osten wussten nichts von der Neugründung, sie gingen vielmehr von einer Namensänderung aus. Kontinuität also.

Gründen, Geld verdienen, Insolvenz anmelden

Bevor Gauks im Berliner Vereinsleben mitmischte, hatte er bereits im Harz eine Eventfirma in den Sand gesetzt. So zieht sich das wie ein roter Faden durch sein Leben: Gründe eine Firma oder einen Verein. Verdiene damit ordentlich Geld in die eigenen Taschen. Zahle irgendwann keine Rechnungen mehr und melde stattdessen Insolvenz an. Gründe den nächsten Verein, damit das Geschäftsmodell weitergeht.

Im nun neu gegründeten Verein spielt Gauks aber wohl nur eine Nebenrolle. Er gehört dem Vorstand nicht an, unklar, ob er Mitglied ist. Laut dem beim Amtsgericht hinterlegten Protokoll hat er die Gründungsversammlung eröffnet und die Teilnehmer begrüßt. Sowohl Gauks als auch die Vereinsvorsitzende Helena Goldt sagen der taz, Gauks hätte lediglich als Ansprechperson der Landesregierung für Spätaussiedler als Gast teilgenommen.

Der neue Verein Soziales Netzwerk Wir gemeinsam wurde im November 2024 gegründet. Zu einem Zeitpunkt als Lyra Marzahn längst in finanzieller Schieflage war. Da hatte ein ehemaliger Mitarbeiter bereits einen Titel über eine fünfstellige Summe von Schulden an Honoraren und Sachkosten, die der Verein nicht gezahlt hatte. Bis heute nicht. Kann oder will er nicht zahlen, wäre er bald insolvent.

Auch in anderer Hinsicht weist der neu gegründete Verein Kontinuität zu Gauks und seinen ehemaligen Vereinen auf. Denn mehrere Vorstandsmitglieder waren einst Mitarbeiter von Lyra Marzahn. Andere wirkten an einem Event mit, dass Gauks als Mitarbeiter der Senatsverwaltung organisierte. Goldt dementiert, dass es sich bei dem neuen Verein um einen Nachfolger von Lyra Marzahn handelt.

„Gleichnamiges Familienfestival“

Der Verein schreibt selbst: „Das Netzwerk wurde durch Walter Gauks (…) und das Team der Gemeinschaft der Deutschen aus Russland mit dem gleichnamigen Familienfestival ‚Wir gemeinsam‘ ins Leben gerufen (…).“ Besagtes Festival wurde durch Lyra unter Gauks initiiert und später durch Lyra Marzahn fortgesetzt.

Was nicht auf der Website steht: 2019 fand es noch im Russischen Haus an der Friedrichstraße statt – einem Propagandainstrument des russischen Staates. 2022 und 2023 wurde es als „Festival der Freundschaft“ von der CDU und Lyra Marzahn organisiert. CDU-Mann Mario Czaja war Schirmherr. „Wir gemeinsam“ ist auch der Name eines Kreml-Festes.

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