Semesterstart in Berlin: Rich kid city

Wohnraum für Studierende ist in Berlin teuer und knapp, Wohnheimplätze fehlen. Wird Berlin zur Stadt der rich kids?

Studierende von oben in einem Hörsaal

Foto: dpa

Berlin taz | Es ist Semesterbeginn im Jahr 2040, in der Hauptmensa der Humboldt-Universität gibt es heute Foie Gras – die Uni hat für die neuen Erstsemester gebührend aufgetischt. Doch noch mehr als nach der französischen Delikatesse riecht es nach Chanel N°5. Ledersohlen knirschen auf dem frisch gebohnerten Boden, manikürte Fingernägel klacken auf dem pünktlich zum Semesterstart erschienenen iPhone 31.

Im Kreuzköllner Reuterkiez liegt die durchschnittliche Miete für ein WG-Zimmer mittlerweile bei 1.200 Euro. Aber Marie-Louise, die seit Kurzem Sozialwissenschaften studiert, hat Glück: Ihre Eltern haben eine Eigentumswohnung am Maybachufer, in der sie wohnen kann. Bisher ist die gebürtige Fränkin leider noch recht spartanisch eingerichtet – in ihrem Wohnzimmer steht nur ein Eiermann Designklassiker und zwei Freischwinger-Stühle.

Zugegeben: Diese dystopische Zukunftsvision der Berliner Studierendenschaft mag überzogen oder gar zynisch wirken. Ganz unrealistisch ist sie aber nicht: Immer mehr Studierende können sich Berlin nicht mehr leisten, finden keine Wohnung und kommen mit dem Bafög – wenn es dann mal kommt – nicht aus. Derzeit kostet ein WG-Zimmer in der Hauptstadt im Durchschnitt 650 Euro.

Einst El Dorado für Studis ohne Kohle, ist Berlin mittlerweile die drittteuerste Stadt für WG-Suchende. Bei einer Bafög-Wohnkostenpauschale von 380 Euro im Monat braucht es kein Mathestudium, um die Notlage zu begreifen. Die katastrophale Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt drängt immer mehr Studierende ins Brandenburger Umland und zwingt sie zum Pendeln. Wer eines der heiß begehrten Zimmer in Berlin abgreift, hangelt sich oft jahrelang von Zwischenmiete zu Zwischenmiete.

Helfen könnten Wohnheimplätze, aber ausgerechnet die sind in Berlin noch rarer als regelmäßig fahrende U-Bahnen. Dabei wären sie eine günstige Alternative und ein stabiles Mietverhältnis noch dazu. Bundesweit wohnt je­der siebte Studierende in Wohnheimen – in Berlin ist es nur die Hälfte.

Wohnheimkrise in Berlin

Noch dazu müssen Studierende hier laut Studierendenwerk mindestens drei Semester, sprich anderthalb Jahre, auf ihren Wohnheimplatz warten. Anlass für das Studierendenwerk, schon 2022 von einer „Wohnheimkrise“ zu sprechen. 5.200 Studierende stehen laut rbb momentan auf den Wartelisten für Wohnheime.

Können also bald nur noch Marie-Louises aus dem Westen mit elterlichen Eigentumswohnungen in Berlin studieren? Wird die Stadt zur rich kid city? Zumindest sind die finanziellen Hürden für ein Studium in der Hauptstadt sehr, sehr hoch und eine Besserung ist nicht in Sicht. Foie Gras und Chanel N°5 in der Mensa – das kann doch wirklich niemand wollen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben