piwik no script img

Seltsame Regelungen bei CopyrightsSie essen lieber alles selbst

Die Gema verklagt ChatGPT, um Tantiemen zu kassieren. Aber warum zeigt sie bislang kein Interesse, Produzenten ein Stück vom Kuchen abzugeben?

Lutscher und wenig Geld statt gerechte Tantiemen Foto: imago

E igentlich sollte der böse Kolumnist sich freuen: Die Gema verklagt OpenAI, das Frauchen von, unter anderem, ChatGPT. Wenn dieser Rechtsstreit nach ein paar Jahren beigelegt sein wird, dann wird eine wahrscheinlich nicht unbeträchtliche Summe auf das Konto der Gema fließen. Da der Kolumnist Gema-Mitglied ist, wird ihm nach ein paar weiteren Jahren eine Mikrosumme gutgeschrieben werden, von der er sich eine Tüte Lutschi Lutschers kauft. So weit, so gut.

Aber tief im bösen Kolumnisten wohnt ein süßes, kleines, streitbares Gerechtigkeitshörnchen, das angesichts dieser Meldung so laut keckerte, dass der Kolumnist seinen Federkiel ins Tintenfass versenkt und diesen Text verfasst hat.

Worum geht es bei dem Streit? OpenAI beschallt wehr- und willenlose KIs mit ganz, ganz viel Musik, auf dass diese KIs alsbald ganz, ganz viel genauso tolle Musik ausstoßen. Unter den Lernmitteln ist aber auch Musik aus dem Gema-Repertoire, Kompositionen, deren Ur­he­be­r*in­nen der Gema – der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte – das Verwertungsrecht übertragen haben. Die Gema kann sich nicht erinnern, OpenAI das Recht eingeräumt zu haben, ihr Repertoire zu nutzen. Also: Ärger, Anwälte, am Ende eine Einigung, Geld fließt.

Schon okay, wenn Taylor Swift, Paul McCartney und Ed Sheeran mal wieder ein paar Mäuse bekommen. Aber ganze Stämme von Kreativen gingen bei einer solchen Regelung leer aus: etwa Arrangeur*innen, Pro­du­zen­t*in­nen und ausübende Musiker*innen. Leute wie Gregory C. Coleman, Schlagzeuger der US-Soulband The Winstons. Sein Drumbreak aus dem Song „Amen, Brother“ von 1969 war lange Zeit das meistgenutzte Sample überhaupt; da Coleman aber nicht Urheber des Songs war, hat er nie einen Cent für die Nutzung seines Schlagzeugspiels erhalten. Coleman starb als Obdachloser.

Dieses Schicksal droht Roger McGuinn von The Byrds nicht. Aber für sein Arrangement von Bob Dylans „Mr. Tambourine Man“, das den spröden Folk-Song in eine flauschige Westcoast-Träumerei verwandelte, hat er auch nie einen Cent erhalten. Als John Coltrane fast 14 Minuten lang über den Musical-Song „My Favorite Things“ improvisierte, gingen sämtliche Tantiemen an den Komponisten Richard Rodgers und den Textdichter Oscar Hammerstein II (obwohl Coltranes Version instrumental war).

Zeitalter der produzierten Musik

Die Musikurheberrecht schützt Texte – solche aus Wörtern und solche aus Noten. Das tut es seit tausenden von Jahren. Dass irgendwann die Tonaufnahme erfunden wurde, das Zeitalter der produzierten Musik anbrach und der Anteil der Komposition, des Notentextes an einem gekauften, ausgestrahlten, gestreamten Stück Musik sekündlich zurückgeht, hat an dieser Regelung nichts geändert. Liegt vielleicht daran, dass die in Urheberrechtsgesellschaften wohl organisierten Komponist*innen, Text­dich­te­r*in­nen und Mu­sik­ver­le­ge­r*in­nen kein Interesse daran haben, In­stru­men­ta­lis­t*in­nen und Pro­du­zen­t*in­nen ein Stück des Kuchens zu überlassen. Sie essen lieber alles selbst.

Das Gerechtigkeitshörnchen möchte jetzt am liebsten die Gema verklagen, aber der böse Kolumnist sagt: „You Don’t Know What You Got Until You Lose It“. Seit im Jahr 2015 der United States District Court von Zentralkalifornien den Erben von Soulsänger Marvin Gaye bestätigt hat, dass Robin Thickes Song „Blurred Lines“ ein Plagiat von Gayes „Got To Give It Up“ ist, ist die alte Notentext-Regelung ins Wanken geraten.

Denn bei diesem Urteil ging es um klangliche und atmosphärische Ähnlichkeit, „Look and feel“, amtlich bestätigt von „Expert*innen“, kraft ihrer Expertise. Seitdem schaut der Kolumnist regelmäßig zum Horizont, ob dort eine Armada von An­wäl­t*in­nen und Ex­per­t*in­nen auftaucht, um 100 Jahre Popgeschichte aufs Schlachtfeld zu zerren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Es sind halt zweierlei Welten.

    Wenn eine Sekretärin eine Seite tippt wird sie dafür einmal bezahlt - und nicht jedesmal wenn jemand die Seite liest und auch nicht wenn die Seite kopiert wird.



    Selbst wenn sie selbst noch so sorgfältig an dem Text gefeilt hat.

    Wenn ich in mein Klo sch**** wird der Installateur der es eingebaut hat auch nicht jedesmal bezahlt.

    Wenn ich eine Lampe einschalte bekommt der Elektriker nichts dafür - warum dann der Erfinder der Glühbirne / LED ?

    Das Ganze läuft auch jedem ökonomischen Prinzip entgegen - denn im Grunde ist imaterielles Gut ja niemals knapp - es muss künstlich verknappt werden damit es überhaupt einen Markt gibt.

    Und für die Produktion (bzw "Vermehrung") werden keine Produktionsmittel benötigt. Also auch hier: Wider jedes ökonomische Prinzip.

    Um das mal weiter zu treiben:



    Muss ich jetzt jenem Lehrer dem mich Lesen und schreiben lehrte mein Leben lang eine Gebühr entrichten wenn ich etwas lese oder schreibe ?

    Muss ich den Komponisten mit deren Kompositionen ich einst ein Instrument lernte jetzt jedesmal was abdrücken wenn ich musikziere ?

    Also warum sollte eine KI dazu verpflichtet werden ?

    • @Bolzkopf:

      Urheberrrecht ähnelt meines Erachtens dem Patentrecht. Es schützt Urheber- und Erfinder*innen davor, als Obdachlose zu sterben. Es kann aber auch missbraucht werden, was z.B. von ,,no patents on seeds" angeprangert wird oder von der Initiative ,,Wir sind die Urheber". Darin heißt es unter anderem: ,,Der [ ...] behauptete Interessengegensatz zwischen Urhebern und ,,Verwertern" entwirft ein abwegiges Bild unserer Arbeitsrealität." (www.wir-sind-die-urheber.de/)

  • Kein Musikverein auf dem Weihnachtsfest, wegen Kulturkiller GEMA

    Dieses Jahr tritt der lokale Musikverein zum ersten mal nicht mehr öffentlich auf dem Weihnachtsfest auf, weil die GEMA Gebühren sich gewaltig erhöht haben und für die Auftritte über 800€ GEMA-Gebühren fällig wären. Das rechnet sich einfach nicht für kleine Märkte.



    Nur am letzten Sonntag findet ein kleiner Auftritt von 8 der 30 Musiker statt, dabei werden aber nur ein paar lizenzfreie Weihnachtslieder gespielt.

    • @Hans Dampf:

      Darum gehts in dem Artikel ned, da gehts darum, wenn die CDU sich per einem KI-unterstützten Musikprogramm "Leila" mit "Tage wie diesen" von den Toten Hosen und "Ich war noch niemals in New York" von Udo Jürgens zu einem eigenen Wahlkampfsong zusammenklabustern, der Sänger von "Leila", Andi (Bassist DTH) und der damalige Klarinettist aus Pepe Lienhardts Orchester paar Pfennige abkriegen.



      Der Clou ist, Andi/Tote Hose steht meines Erachtens bei den Urheber- und Verwertungsrechten der Toten Hosen mit drinne, würde also was kriegen.

  • Nunja.

    Dieser Orgmobster - schreibt sich bekanntlich



    GEMAFIA •