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Selektionsfaktor StraßenlaternenCoole Motten meiden Kunstlicht

Provinzmotten streben wie hypnotisiert zum Kunstlicht. Ihre städtischen Schwestern hingegen haben sich an die nächtliche Beleuchtung angepasst.

Das Untersuchungsobjekt der Schweizer Forscher: eine Gespinstmotte Foto: Universität Basel/F. Altermatt

Berlin taz | „Männer umschwirr’n mich wie Motten um das Licht. Und wenn sie verbrennen? Ja dafür kann ich nicht“. Marlene Dietrichs Lied aus dem Film „Der Blaue Engel“ (1930) verband persönliche Erfahrung mit einem scheinbar unumstößlichen Naturgesetz. Doch einerseits bewahrten schon damals viele Männer ihren kühlen Kopf unter allen Umständen. Andererseits: Heutzutage bleibt auch eine zunehmende Zahl von Motten gegenüber Kunstlicht cool.

Dies zeigt eine soeben in der Fachzeitschrift Biology Letters veröffentlichte Studie von Zoologen der Universitäten Basel und Zürich. Das Team unter Leitung von Florian Altermatt und Dieter Ebert setzte für das Experiment Exemplare der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte (Yponomeuta cagnagella) in die Nähe von künstlichen Lichtquellen. Und zwar Tiere aus zentralen Basler Stadtteilen mit starker Lichtverschmutzung ebenso wie solche aus dem nachts im Dunklen liegenden Umland.

Dabei kam heraus: Die Landmotten strebten wie hypnotisiert zum Kunstlicht. Ihre städtischen Schwestern wahrten mehr Abstand. Auch wenn die urbanen Motten abgebrüht reagierten – ein individueller Lerneffekt ist hier ausgeschlossen. Denn alle Tiere waren als Puppen gesammelt worden und im Labor geschlüpft.

Das Mondlicht wird durch eine Straßenleuchte übertönt

Folglich legen die Schweizer Wissenschaftler den Verhaltensunterschieden einen evolutionären Selektionsprozess zugrunde. Demnach sind von künstlichen Lichtquellen weniger beeindruckbare Motten an das Leben in der City besser angepasst, haben eine größere Chance, sich dort zu vermehren und ihre Eigenschaften an Nachkommen weiterzugeben.

Motten bevorzugen eigentlich das Dunkle

Die weißen, schwarz gepunkteten Vorderflügel der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte haben eine Spannweite von 18 bis 24 Millimeter. Sie heißt nach der Hauptnahrungsquelle ihrer Raupen, dem gewöhnlichen Spindelstrauch (auch: Pfaffenhütchen). Wie alle Motten ist sie ein Nachtfalter und bevorzugt eigentlich das Dunkel.

Weshalb Nachtinsekten trotzdem auf künstliche Lichtquellen fliegen? Weitgehend akzeptiert ist heute die Erklärung, dass sie auf ihrem Weg immer den gleichen Winkel zu dem UV-Anteil des Mondlichts einhalten. Dieser wird zum Beispiel durch eine Straßenleuchte „übertönt“. Durch ihre Facettenaugen können Schmetterlinge ihre Sehschärfe nicht dem Objektabstand anpassen.

In ihrem Bemühen, trotzdem den gleichen Winkel zur Lichtquelle einzuhalten, umschwirren sie das Licht in der bekannten Spirale, an deren Ende sie meist verschmoren oder zerschellen. Umweltschutzorganisationen appellieren deshalb an alle Stadtverwaltungen, die Lichtverschmutzung zu reduzieren, besonders den UV-Anteil daran, und von weißem auf gelbes Licht umzustellen. Dies könnte Milliarden von Faltern das Leben erhalten und ihre so wichtigen ökologischen Funktionen für die Umwelt.

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1 Kommentar

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  • Naja, Natriumdampflampen haben sich aber nun in vielen Studien als schlechter für Menschen herausgestellt, insbesondere auch was Sicherheit angeht. LED-Licht, auf der anderen Seite, habe ich auch in Weiß schon mit sehr geringer UV-Emission gesehen.