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Selbstmordserie wegen CybermobbingKeine Fragen mehr zu ask.fm

Fünf Jugendliche haben sich im englischsprachigen Raum das Leben genommen. Zuvor wurden sie auf ask.fm gemobbt. Nun schreitet die Politik ein.

Auch auf Facebook werden Hannahs Hinterbliebene gemobbt. Bild: dpa

BERLIN taz | Es ging um das Gewicht der 14-Jährigen und um den Tod eines Onkels. Anonyme Nachrichten im Sozialen Netzwerk ask.fm haben Hannah Smith aus England offensichtlich in den Selbstmord getrieben. In den Postings wurde ihr über Monate hinweg nicht nur Krebs gewünscht, sondern sie wurde auch aufgefordert, Bleichmittel zu trinken – oder am besten gleich zu sterben. Ihre zwei Jahre ältere Schwester Jo fand die Jugendliche am vergangenen Freitag erhängt in ihrem Zimmer.

Dies ist bereits der fünfte Selbstmord eines Teenagers, der zuvor auf ask.fm intensiv gemobbt wurde, berichtet der Guardian. Der Vater der Jugendlichen aus Leicestershire sieht die Schuld bei den Betreibern der Website. „Sie verdienen ihr Geld mit dem Elend anderer“, sagte David Smith. Der britische Premierminister David Cameron solle dafür zu sorgen, dass Seiten wie ask.fm reguliert werden, sodass das Mobbing von Schutzbedürftigen wie seiner Tochter nicht mehr möglich ist. „Ich will nicht, dass andere Eltern das gleiche durchmachen müssen wie ich“, sagte Smith.

Cameron ist dem Appell gefolgt und hat am Donnerstag zum Boykott von Online-Netzwerken wie ask.fm aufgerufen. Die Seite, die sich in erster Linie an Teenies richtet, ist wie ein großes Frage- und Antwortspiel aufgebaut. Auf dem Profil eines Nutzers können andere beliebige Fragen stellen und um eine Antwort bitten.

„Wenn man jemand dazu anstiftet, Schaden anzurichten oder Gewalt zu gebrauchen, dann ist das strafbar – online wie offline“, sagte Cameron. „Wenn man etwas im Internet tut, heißt das nicht, dass er dort nicht an die Gesetze gebunden ist“, erläuterte er. Die Betreiber dieser Seiten müssten die Netzwerke in verantwortungsvoller Art und Weise leiten. Außerdem rief er dazu auf, diese „abscheulichen“ Plattformen zu meiden: „Boykottiert sie, geht da nicht hin, tretet nicht bei“, sagte er.

Konzerne werben nicht mehr auf ask.fm

Weiter sprach Cameron eine generelle Hilflosigkeit in der Politik und bei Eltern an. Es gebe diese „Tendenz“ zu sagen: „Na ja, das ist das Internet, da können wir sowieso nichts machen.“

Als Reaktion auf Camerons Boykott-Aufruf kündigten ein gutes Dutzend großer Konzerne wie Fluggesellschaften oder Fastfood-Ketten an, künftig keine Werbung mehr auf ask.fm zu schalten.

Die Betreiber des in Lettland ansässigen Dienstes ask.fm haben Hannahs Angehörigen unterdessen in einem zweiseitigen Statement ihr Mitleid ausgesprochen. Man werde mit der Polizei zusammenarbeiten, um die genauen Umstände herauszufinden, die zu Hannahs Selbstmord führten. „Wir dulden keine Form von Mobbing“, schreiben Mark und Ilja Terebin weiter.

Sie verweisen darauf, dass Nutzer anonyme Fragen blockieren können, sodass sie auf ihrem Profil nicht angezeigt werden. Den Eltern versicherten sie zudem, dass anonyme Nutzer, die auf der Seite nicht mit ihren echten Namen unterwegs sind, anhand der IP-Adressen identifiziert werden können. Man werde den Rahmen des Legalen ausschöpfen, um den Behörden alle zugänglichen Daten für die Aufklärung des Falles zur Verfügung zu stellen.

Trolle mobben die Hinterbliebenen

Das Fazit des Statements wirkt in diesem Zusammenhang jedoch wie ein perfider Witz: „Wir sind stolz auf die phänomenale Popularität unseres Sozialen Netzwerks“, schreiben Mark und Ilja Terebin. Man bemühe sich, die Seite besser und sicherer zu machen.

Der Dienst ask.fm wurde laut dem Guardian im Jahr 2010 gegründet. Die Zahl der Mitglieder habe sich von acht Millionen im vergangenen Jahr auf nun rund 65 Millionen erhöht. Täglich kämen weltweit rund 300.000 neue Nutzer hinzu, die offiziell ein Mindestalter von 13 Jahren haben müssen. Eine Anfrage der taz, wie viele Nutzer der Dienst in Deutschland hat, ließen die Betreiber am Freitag unbeantwortet.

Die vier anderen Jugendlichen, deren Selbstmorde mit ask.fm in Verbindung gebracht werden, kommen aus Irland, England und aus den USA. Es handelt sich um drei Mädchen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren, sowie um einen 15-jährigen Jungen, die sich seit Herbst 2012 das Leben nahmen.

Die Familie von Hannah Smith wurde nach Bekanntwerden des Selbstmordes der 14-Jährigen in mehreren Sozialen Netzwerken aufs Übelste gemobbt. Während einige Trolle in Kurznachrichten die väterliche Kompetenzen von David in Frage stellen, schreiben andere, sie seien „happy“, dass Hannah tot ist.

Die Nachrichten kamen nicht nur über ask.fm, sondern auch über andere Netzwerke wie Facebook.

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11 Kommentare

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  • U
    unbenannt

    Ich sehe das so, die Leute die andere in den Tod treiben durch Mobbing sind Hohlbirnen oder Leute die einen riesen Spass haben andere zu quälen, ja eben Hohlbirnen, ein freundlicheres Wort fällt mir dazu nicht ein.

     

    Wo bleiben denn die Spitzel, die Millionen daten abgreifen, dann müssten die doch solchen Mobbern auf die Spur kommen ?????

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    Die Taz selbst ist nicht frei von zweifelhaften Aussagen: Was soll "protestanische Lustfeindlichkeit" taz-Jakob-Zitat - ohne taz-Reaktion) heißen?

     

     

     

    Zu Zeiten des "Konfessionellen"-Kindesmißbrauchs soll das vielleicht heißen, die Ev.s würden das genauso tun, sie haben aber einfach nur keine Lust?

     

     

     

    Ist die taz der Meinung, wenn eine Schwelle nicht überschritten wird, ist Mobbing durchaus förderlich?

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    Mir scheint es ist nicht so sehr der Hass, der die Menschen dazu bringt, in alle Ecken zu pissen. Es ist eher die Un-Moral, auch mal eine Flasche auf der Straße zerdeppern zu können, "Macht" zu verspüren, ohne sich verantworten zu müssen.

     

     

     

    Sie rächen sich für nicht empfangene Liebe, wobei das auch heißen kann, daß sie die angebotene Liebe zurückweisen - oder aber: sie sind nicht bereit, Liebe anzubieten.

    • G
      gast
      @Ihr neuer Pappsi:

      was soll das aussagen ?????

  • R
    RubenKelevra

    Ähm ja ... und wo ist nun die Schuld des Mediums? Würde das Mobbing per Brief ausgetragen ... würde man nun verlangen an allen Hausbriefkästen Altersbschränkungen zu installieren und an den Briefkästen biometrische Scanner? Damit bloß niemand anonym Briefe verbreiten kann? Würde jemand zum Boykott von Briefen aufrufen und zum Meiden von Postkästen? "Geht dort nicht hin!"

     

    Vielleicht gibt man dann direkt seine Adresse auf, immerhin kann so kein Briefmobbing stattfinden: "tretet nicht bei!"

     

     

     

    Ich finde es erbärmlich wie die Politik auf diesen Fall reagiert. Etwas anderes hätte ich von UK derzeit aber auch nicht erwartet. Ist ein grfundenes Fressen für Zensurmaßnahmen.

     

     

     

    Es ist bedrückend wie viele Menschen nicht mit diesem Medium (welche Seite und welches Programm nun benutzt wird ist unerheblich) umgehen können. Bzw dies nicht ihren Kindern vermitteln. Nein! Ich will nicht ausdrücklich dass es in diesem Fall so war, noch will ich dem Vater etwas unterstellen. Ich frage mich viel eher was auf der anderen Seite so schief läuft das man seine Mitmenschen so behandelt.

     

     

     

    Es wurde schon das Klischee Hauptschüler genannt, dem ist nicht so... die Generation meiner Mutter würde sagen, müssen das arme Würstchen sein und würden drüber lachen. Natürlich nicht unbedingt wenn man selbst betroffen ist. Nur ich finde als Eltern sollten man die Kompetenzen sich zur Wehr zu setzen vermitteln und zwar sich Hilfe suchen.

     

     

     

    Denn meist sind die Mobber nicht anonym, meist ist den gemoppten duurchweg klar wer dahinter steckt.

     

     

     

    Naja das wars erstmal ... ausgerantet ;)

  • AU
    Andreas Urstadt

    Was die Mobber angeht, sind das keine am Rand stehenden Hauptschueler. Im Gegenteil handelt es sich meist um gut integrierte Personen/Jugendliche, mit relativ hohem Bekanntenkreis. Uni Heidelberg, Inst f Kommunikationsforschung.

     

     

     

    Mobbing bildet Cluster, d h mehr Mitmacher. Wer solche pages betreibt, sollte Ahnung von Kommunikation haben und ggf auch Auftraege in die Richtung an Institute vergeben ode zur Zusammenarbeit einladen.

     

     

     

    Das Niedermachen der Opfer findet sich ueberall, auch auf Youtube. Insider wissen, wer das macht, peers usw. Eine Randfigur kann so nicht gewinnen, nur wer schon im Zentrum steht. Wer cybergemobbt wird, kann ableiten, es kommt eher nicht von einer Randfigur.

    • IN
      Ihr neuer Pappsi
      @Andreas Urstadt:

      Das ist ein guter Anfang zu einem guten Beitrag.

       

       

       

      Nun bitte aber weiter, was kann man tun?

  • T
    Ted

    Junge Menschen sind oft ein widerliche Menschentyp, weil das Hirn noch nicht fertig ist (Zensor: ist wirklich so). Später kommen dann diese Unmenschen daher und erzählen jedem, der es nicht hören will, sie wären halt so jung gewesen, aber jetzt hätten sie ihre Fehler eingesehen und sich gebessert. Und die Toten? Stille.

     

     

     

    Eine große Schuld haben aber auch die Betreiber, wobei ich auch die taz und andere Angebote mit Foren einbeziehe. Was da alles von vereinsamten und verbitterten Menschen so veröffentlicht wird, ist bestimmt nicht mehr normal. Aber wehe, jemand beschwert sich gegen die rechtsextremen Texte mal etwas kräftiger (die einzige Sprache, die diese Typen überhaupt verstehen). Taucht nirgends auf, selbst diese Zärpsche (oder wie dieser Abschaum heißt) darf nicht mal ein klein wenig verunglimpft werden. Ich glaube oft, die Medien machen das, weil extreme Texte mehr Verweildauer bringen. Etwas so wie die Artikel-Überschrift über einen kleinen Unfall mit Blechschaden: "Stadt München nur knapp an einer globalen Katastrophe vorbeigeschrammt !!!"

     

     

     

    Viele Grüße an den Zensor und viel Spaß beim wegklicken. Meinungsfreiheit wird eh überbewertet.

  • K
    Karl

    Ich kann mich dem vorausgegangenen Kommentar nur anschließen. Bei dieser art von Mobbing sind ask.fm &CO nur das Werkzeug der Mobber, die es aber auch durch die teilweise gegebene Anonymität und den nicht direkten Kontakt, einfacher machen zu mobben. Meiner Meinung nach müsste den Kindern/Jugendlichen klar gemacht werden das eine solche Seite wie ask.fm, die ja schon darauf ausgelegt ist über eine Person zu urteilen, auch ihre negativen Seiten hat. Generell alles auf den Seitenbetreiber zu schieben ist aber der falsche Ansatz.

  • Tragisch. Aber ich kann keine Schuld bei ask.fm erkennen. Ich denke nicht, dass die Mobber im echten Leben ganz nett und hoeflich sind. Im Gegenteil, die machen bestimmt die 'Opfer' unter ihren Schulkameraden genau so fertig, auch ohne Internet, Facebook und ask.fm.

     

    Das Problem is die allgemeine Chancenlosigkeit der Jugend, die zu schnell auf Abstellgleise geschoben wird (z.b.Hauptschule ist heutzutage nur ein Abstellgleis) und ihrer Aussichtslosigkeit Luft machen in dem man Druck auf noch Schwaechere auslöst.

     

    Es muss sich von Oben was veraendern, sonst wird dieser Trend auch immer weiter gehen und immer krasser werden

    • 1G
      15-jähriger Gymnasiast
      @popo:

      Ich persönlich würde die Hauptschule nicht zwingend als "Abstellgleis" bezeichnen. Wir können uns doch eigentlich glücklich schätzen, dass eine solch breite Masse der Gesellschaft in diesem Maße Bildung empfängt. Ich erkenne in diesem Sachverhalt kaum Chancenlosigkeit, vielmehr werden Unwille und Faulheit den Hauptschülern auf dem Arbeitsmarkt zum Verhängnis. (Ich schere hier keineswegs alle Hauptschüler über einen Kamm)

       

      Außerdem, wenn mittlerweile jeder Zweite das Abitur macht und der Großteil auch noch studiert, wo bleibt dann die "Arbeiterklasse"? (etwas unglücklich formuliert, ich weiß)

       

      Ich befürchte vielmehr einen Schwund an Handwerkern, Fabrikarbeitern und Ähnlichen.

       

      Es ist frustrierend, wenn man für einen Job überqualifiziert ist, ergo werden die wenigsten Abiturienten eine Nicht-Akademiker-Laufbahn einschlagen.