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Seenotrettung im MittelmeerÜber 300 Geflüchtete ohne Hafen

Helfer haben Hunderte Migranten geborgen – wissen aber nicht, wohin sie sie bringen dürfen. Italien und Malta mauern, doch Neapel macht Hoffnung.

Bereits am Freitag rettete die Ocean Viking Geflüchtete vor der libyschen Küste Foto: dpa/Hannah Wallace Bowman/Ärzte ohne Grenzen

Rom/Valetta dpa | Im Mittelmeer ist mit dem Einsatz eines neuen Schiffes die Zahl der geretteten Bootsflüchtlinge wieder deutlich gestiegen. Die von den Hilfsorganisationen SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen seit dieser Woche eingesetzte „Ocean Viking“ nahm in weniger als 24 Stunden rund 170 Migranten aus zwei Schlauchbooten an Bord. Die seit gut einer Woche mit 121 Geretteten an Bord ausharrende „Open Arms“ einer spanischen Hilfsorganisation nahm vor Malta weitere 39 Menschen auf.

Unklar ist, wohin beide Schiffe die Menschen bringen werden. Denn die beiden nächstgelegenen europäischen Länder – Italien und Malta – haben ihre Häfen für Flüchtlingsschiffe weitgehend dicht gemacht. Der Chef der spanischen Hilfsorganisation Proactiva Open Arms, Oscar Camps, teilte am Samstagmorgen mit, Malta wolle nur die 39 zuletzt Geretteten an Land lassen – die übrigen aber nicht. „Das hat zu einem ernsthaften Sicherheitsproblem an Bord geführt. Das Ausmaß der Beklemmung dieser Menschen ist unhaltbar“, twitterte er.

Die Regierung Malta teilte mit, dass sich das kleinste EU-Land für die übrigen 121 nicht zuständig fühle. Sie schrieb außerdem, dass die maltesischen Streitkräfte die Rettung der 39 ohnehin schon vorbereitet hätten, als die „Open Arms“ sie an Bord nahm.

Bei einer Pressekonferenz der spanischen NGO auf der italienischen Insel Lampedusa kritisierte US-Schauspieler Richard Gere die harte Haltung Italiens gegenüber den Schutzsuchenden. „Ich liebe die Italiener sehr, eure Großzügigkeit und eure Lebensfreude. Und doch habe ich festgestellt, dass sich da etwas geändert hat“, sagte Gere, der zuvor auf der „Open Arms“ gewesen war, laut Nachrichtenagentur Ansa. Italiens Innenminister Matteo Salvini konterte: „Du kannst alle Migranten mit nach Amerika nehmen in deinen Privatflugzeugen, um sie in deinen Villen zu versorgen. Danke.“

Italien und Malta verweigern Rettungsschiffen immer wieder die Einfahrt in ihre Häfen und dringen darauf, dass andere EU-Staaten vorab zusichern, alle anlandenden Migranten zu übernehmen. SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen waren am vergangenen Sonntagabend zum ersten Einsatz mit der unter norwegischer Flagge fahrenden „Ocean Viking“ von Marseille aus in See gestochen. Am Freitag retteten sie 85 Migranten vor der libyschen Küste und am Samstag noch einmal mehr als 80 im zentralen Mittelmeer.

Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind in diesem Jahr bisher 41 182 Migranten auf dem Seeweg nach Europa gelangt, weit weniger als in den drei vergangenen Jahren. Mindestens 843 kamen in diesem Jahr bisher ums Leben, im Gesamtjahr 2018 waren es 2299, im Jahr 2017 waren es 3139.

Die Stadt Neapel richtete am Samstag Proactiva Open Arms aus, sie würde die Geretteten gerne aufnehmen. „Es ist ein weiter Weg … aber denkt immer daran, dass der Hafen von Neapel offen ist. Die Stadt Neapel hat keine Angst vor 160 Personen“, teilte Italiens drittgrößte Stadt am Samstag mit. Angesichts der harten Haltung der Regierung in Rom hat dies aber nur symbolischen Charakter.

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11 Kommentare

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  • www.dw.com/de/auf-...-es-eng/a-49987512, 11.08.2019, Norwegens Justiz- und Einwanderungsminister Joran Kallmyr forderte die Besatzung des Rettungsschiffes auf, die an Bord genommenen Migranten "zurück nach Afrika, Tunesien oder Libyen zu bringen". Sonst wäre das eine Fortsetzung der Flüchtlingsroute und keine Rettungsaktion mehr, zitieren mehrere Medien den Minister.



    Die Ocean Viking ist für 200 Personen zugelassen. Plus 30 Besatzung. Das waren die Angaben des Kapitäns. Es sind aber nun aber über 251 illegal Migranten an Bord. Das gehört vor den Internationalen Seegerichtshof. Vorsätzliche Gefährdung von Leib und Leben! Nachdem die Ocean Viking das ganze Wochenende, 10.08.2019, langsam mit ca. 2,6-3,9 Kn. vor der Küste Libyens ihre Kreise gezogen hat. Ist man jetzt mit über 12 Kn. in Richtung Nordnordwest unterwegs.

    • @Vordenker112:

      Ja, es wird viel interpretiert und geredet..!.. aber? Es geht doch primär um Lebensrettung flüchtender Menschen.. die da "Recht" auf evtl Anerkenntnis als Asylant haben? Inzwischen sollen, laut tv ARD news mehr als 300 aus Seenot gerettete an Bord der "OCEAN VIKING" sein, das Schiff hat Kurs OSt mit Ca 8kmh.. Es ist deprimierend das der politische mainstream in Europa die Fluchtursachen kleinredet und das Ertrinken verzweifelter Menschen akzeptiert! Ohne "OCEAN VIKING's Rettungsaktion wären es bisher mehr als 300 unbekannte Ertrunkene? Ist die Politik dabei Tod durch Ertrinken zu promovieren?

  • S.O.S. "mayday" (?) .. Montag, der 12.August 2019 ca. 16.30 MEZ :



    Die "OPEN ARMS" und die "OCEAN VIKING" NGO Rettungsschiffe sind beide, mit etwa 300 aus Seenot geretteten Flüchtlingen, Frauen, Kinder, Männer und etwa 50 Besatzung... immer noch mit langsamer Fahrt im Seegebiet östlich von Lampedusa und mehr als 60 Seemeilen vor der Küste Libyens in internationalen Gewässern ! So laut AIS !



    es erscheint mir, als ob sich in der Enge der Schiffe unhaltbare Zustände entwickeln können ( was bei der "SEAWATCH 3" mit Frau Kapitän Rackete zum `unerlaubten´Anlegen in Lampedusa durch "Notsituation an Bord" geführt hatte).



    Und die BRD und EU Staaten reagieren offensichtlich nicht ?



    Was soll diese inhumane Wohlstandsarroganz ? Weshalb wird die "SEEBRÜCKE" nicht legalisiert in der EU ? Warum sollen die NGO Schiffe , mit aus Seenot Geretteten an Bord in psychisch zermürbender Odysee , in Ungewissheit verharren ? Während das Ertrinken von Flüchtlingen einfach weitergeht ?



    Es ist erschütternd !

  • ""Die „Ocean Viking“ hat nun insgesamt 251 Migranten an Bord.""



    Dieses sog. Rettungsschiff ist nur für 200 zugelassen. Das ist ein Fall für den Internationalen Seegerichtsshof !

    • @Vordenker112:

      ja, ganz schön tragisch... jedoch 51 Menschen einfach dem Tode durch Ertrinken zu überlassen..? ..das wäre Barbarei ! Der Kapitän der "OCEAN VIKING" hat im Namen humaner Gebote von Seenotrettung m.E. richtig entschieden !

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "Aber? .. die, mit Sicherheit ansteigende Anzahl von Klimaflüchtlingen etc , die im Namen ihrer eigenen Zukunftshoffnung das Risiko des Ertrinkens im Mittelmeer auf sich nehmen.. das ist m.E. ein Problem, das von den NGO Lebensrettern allein nicht gelöst werden kann !"

    Wie viele Migranten kann Europa realistischerweise Aufnehmen: 10% der aktuellen Bevölkerung, 50%, 100%? Wie viele werde kommen wollen? Ich glaube, die Antwort würde Sie verunsichern.

    • @83492 (Profil gelöscht):

      Hmm? Ihre Frage ist unbeantwortbar.. es `könnten´ja so viele sein, dass das bisherige Wohlstandseuropa , von Existenzängsten geschüttelt , in Krisen sich finden wird ? Oder vielleicht auch nicht?



      Das grausamste Szenario wäre m.E. noch mehr "Fortress Europa" mit Rassismus und faschistoider Selbstisolation , Frontex mit Schiessbefehl auf Hilfesuchende .. usw... Ende der Allgemeinen Menschenrechte der U.N.O. in der EU durch ökonomische und eugenische Kategorisierung menschlichen Daseins..



      Die Ideen und die Praxis der NGO Lebensrettung im Mittelmeer entspringt ja aus der humanen Solidarität des "europäischen Friedensprojekts , der EU " !!! .. und die Idee der "SEEBRÜCKE" , Städte und Kommunen in der EU , die willig sind , um aus Seenot gerettete Menschen aufzunehmen , entspricht ebenfalls den humanen Doktrinen der EU ! Es ist , ganz direkt , eine Schande das die "SEEBRÜCKE" bisher nicht von der EU Gesetzgebung legalisiert ist !



      Nun, Sonntag 02.13 Uhr liegen "OCEAN VIKING" und "OPEN ARMS" zufolge AIS zwischen Lampedusa und der libyschen Küste in internationalen Gewässern und warten auf Botschaft für einen "sicheren Hafen" den sie ansteuern dürfen um die vielen, aus Seenot geretteten Menschen an Land zu setzen! ..das, an sich , ist m.E. inhuman und katastrophal..

    • 0G
      06455 (Profil gelöscht)
      @83492 (Profil gelöscht):

      Ich glaube, die Frage, wie viele wir aufnehmen können, wird sich nicht stellen.



      Sie werden kommen, in großer Zahl, wenn ihre Heimat unbewohnbar wird.

      Wir sollten uns Lösungen überlegen, Hilfe ist angesagt, in den Ländern, jetzt und sofort.

      Was die NGOs tun ist zwar menschlich verständlich, aber auf Dauer kann das so nicht weitergehen, mit steigender Anzahl der Menschen.

  • Gut, dass wenigstens Nepal Hoffnung macht!!!

  • Tja...dpa ! ..ganz objektiv ..!



    ..immerhin haben die Geretteten an Bord der NGO Rettungsschiffe erst einmal Sicherheit vor dem Ertrinken.. und irgend "sicherer Hafen", ( wo die aus Seenot geretteten an Land dürfen und so im EU System als Asylsuchende registriert werden...) wird sich hoffentlich bald finden lassen !



    Das `Umdenken´in der inhumanen Logik des Fortress Europa , zu einem Kontinent der Einwanderung und der humanen Solidarität hat ja begonnen ! Der IPCC Bericht zur Situation des globalen Klimas ist ja erst knapp 2 Tage veröffentlicht !



    Und die Prognosen des IPCC Berichts sind `hart und apokalyptisch´: Es ist damit zu rechnen das grosse Teile der Tropen durch Hitze und Dürre unbewohnbar werden.. wodurch der bisherige Flüchtlingsstrom aus Afrika gen Norden sich in ungeahnten Ausmassen vergrössern wird ! Die bisherige Kultur der NGO Lebensretter im Mittelmeer erfüllt m.E. eine ehrbare, humane Aufgabe im Sinne der U.N.O. Doktrinen.



    Aber? .. die, mit Sicherheit ansteigende Anzahl von Klimaflüchtlingen etc , die im Namen ihrer eigenen Zukunftshoffnung das Risiko des Ertrinkens im Mittelmeer auf sich nehmen.. das ist m.E. ein Problem, das von den NGO Lebensrettern allein nicht gelöst werden kann ! Es werden mehr und mehr, die da flüchten! Das Ertrinken Hilfesuchender wird sich fortsetzen , die NGO Rettungsschiffe können nicht überall sein ! Die EU Staaten müssen unbedingt zu einer gemeinsamen solidarischen Praxis gelangen um die "Rettung Schiffbrüchiger in Seenot" als HUMANE PFLICHT zu legalisieren ! Denn das, was da im Mittelmeer ertrinkt, ist (symbolisch) , der humane Imperativ der EU ! ..wodurch die grausame Hässlichkeit nationalistischen Denkens , Rassismus , ökonomische Habgier usw (siehe Salvini !) erstarkt ! Klar ist mir , dass die EU beides ist: Einerseits ökonomischer Wohlstand , zum Anderen das "Friedensprojekt Europa" : human und solidarisch , um erneute Nazikultur zu vermeiden..