Seenotrettung im Mittelmeer: „Mare Jonio“ beschlagnahmt
Die italienische Regierung lässt das Seenotrettungsschiff „Mare Jonio“ in den Hafen von Lampedusa einlaufen. Vor der libyschen Küste ist ein weiteres Schiff gesunken.
„In Italien gibt es jetzt eine Regierung, die die Grenzen verteidigt und die dafür sorgt, dass die Gesetze eingehalten werden, vor allem von Menschenhändlern. Wer einen Fehler macht, bezahlt“, schrieb Innenminister Matteo Salvini am Dienstagabend auf Twitter.
Der Chef der rechten Lega hatte dem Schiff der Organisation „Mediterranea Saving Humans“ zuvor die Einfahrt in den Hafen der Mittelmeer-Insel verwehrt. Zudem veröffentlichte sein Ministerium neue Richtlinien für die Seenotrettung. Ein Verstoß gegen diese Regeln könne als Begünstigung von Menschenhandel gelten.
Das italienische Seenotrettungsprojekt „Mediterranea“, an dem auch die deutsche „Sea-Watch“ und andere NGOs beteiligt sind, hatte die Flüchtenden vor der libyschen Küste aufgenommen. Sie seien auf einem Schlauchboot gewesen, in das schon Wasser gelaufen sei. Ein Mann sei nach Lampedusa gebracht worden, um dort von einem Arzt behandelt zu werden, sagte eine Sprecherin.
An Bord seien auch 12 Minderjährige gewesen, teilte „Mediterrenea“ mit. Die Flüchtenden seien zwei Tage auf dem Mittelmeer gewesen und schienen zwar gesundheitlich stabil, aber erschöpft und dehydriert.
Erneut Schiffsunglück vor der libyschen Küste
Die „Mare Jonio“ fährt unter italienischer Flagge. Salvini ist der Ansicht, dass sich die Seenotretter*innen Weisungen der libyschen Küstenwache widersetzt und sich unerlaubt Italien genähert haben, statt nach Libyen oder Tunesien zu fahren.
Die populistische Regierung in Rom blockierte seit vergangenem Sommer mehrfach Rettungsschiffe mit Flüchtenden an Bord, um die Ankunft der Menschen in Italien zu verhindern. Mehrfach harrten die Helfer mit den Geretteten tagelang auf dem Meer aus, bis sich die europäischen Regierungen auf die Verteilung der Menschen auf unterschiedliche Staaten geeinigt hatten.
Salvini selbst wird im Fall des Schiffs „Diciotti“ unter anderem Freiheitsberaubung vorgeworfen, weil er gerettete Geflüchtete nicht an Land gehen lassen wollte. Ein Prozess kann aber nur stattfinden, falls der Aufhebung seiner Immunität zugestimmt wird. Am Mittwoch soll es dazu eine Abstimmung im Senat geben.
Vor der Küste Libyens ereignete sich am Dienstag indessen erneut ein Schiffsunglück mit möglicherweise Dutzenden Toten. Die libysche Marine sprach von 30 Vermissten. Ein Kind sei tot geborgen worden, 15 Menschen hätten überlebt, als das Holzboot nahe der Küste gegen Felsen geprallt sei, erklärte ein Sprecher.
Für Flüchtende wird die Überfahrt nach Europa immer gefährlicher. Auf dem Mittelmeer sind kaum noch Rettungsschiffe unterwegs. Seit Jahresanfang sind nur 350 Geflüchtete über das Mittelmeer nach Italien gelangt. Italien unterstützt mit Hilfe der EU die libysche Küstenwache, die die Menschen wieder zurück in das Bürgerkriegsland bringt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!