Seenotrettung im Mittelmeer: Flugzeug auf Malta festgesetzt
Nach der Blockade mehrerer Rettungsschiffe wurde auch das Aufklärungsflugzeug „Moonbird“ festgesetzt. Die evangelische Kirche kritisiert das Vorgehen.
Berlin/Frankfurt am Main/Barcelona epd/dpa | Die zivile Seenotrettung im Mittelmeer beklagt eine immer lähmendere politische Kampagne gegen ihren Einsatz. Nach der Blockade mehrerer Schiffe sei nun auch das Aufklärungsflugzeug „Moonbird“ auf Malta festgesetzt worden, erklärte die Seenotrettungsorganisation Sea-Watch am Mittwoch in Berlin. Das auf Malta stationierte Flugzeug wird von Sea-Watch und der Schweizer Humanitären Piloteninitiative (HPI) betrieben und von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unterstützt.
Die maltesischen Behörden hätten ab sofort alle weiteren Flüge in das Suchgebiet vor der libyschen Küste untersagt, teilte Sea-Watch mit. Dabei sei das Flugzeug im vergangenen Jahr an der Rettung von 20.000 Menschen beteiligt gewesen. „Mehr als 1.000 Menschen wären fast sicher gestorben, hätte die Crew die sinkenden Boote nicht in letzter Sekunde gefunden“, betonte die Organisation.
Die „Moonbird“ habe über ein Jahr lang fast täglich von Malta aus Einsätze geflogen, „stets in bester Zusammenarbeit mit den maltesischen Behörden und der italienischen Küstenwache“. Das einmotorige Flugzeug vom Typ Cirrus SR22 erfülle alle gesetzlichen Voraussetzungen.
„Den politisch Verantwortlichen sollte klar sein, was dieses Flugverbot bedeutet: Die Menschen auf den Booten werden nicht gerettet, sondern ertrinken ungesehen“, sagte Pilot und HPI-Gründer Fabio Zgraggen. „Seitdem die zivilen Rettungskräfte nicht mehr helfen dürfen, erleben wir einen massiven Anstieg der Opferzahlen.“
Abschottungspolitik an den Außengrenzen
Der „Moonbird“-Einsatzleiter Ruben Neugebauer sprach von politischem Kalkül: „Ganz offensichtlich soll es keine unabhängigen Augenzeugen geben, die das Sterben und die Menschenrechtsverstöße auf dem Mittelmeer dokumentieren.“ Die europäische Öffentlichkeit solle nicht erfahren, „wie barbarisch die Abschottungspolitik an den Außengrenzen“ durchgesetzt werde. „Es soll keine Beweise geben, wie Menschen ertrinken oder wie die sogenannte libysche Küstenwache agiert.“
Auch der Vorsitzende der Kammer für Migration und Integration der EKD, Präses Manfred Rekowski, betonte, es brauche die Beobachtung aus der Luft: „Damit das Sterben auf dem Mittelmeer nicht aus dem Blick gerät, damit Rettung geschehen kann und auch, damit wir uns unabhängig informieren können, was zwischen Libyen und Italien auf dem Wasser geschieht.“
„Ganz offensichtlich soll es keine unabhängigen Augenzeugen geben, die das Sterben und die Menschenrechtsverstöße auf dem Mittelmeer dokumentieren“
Ein politisches Vorgehen gegen Menschenrechtsorganisationen, willkürliche Verbote oder Beschlagnahmungen seien aus anderen Teilen der Welt bekannt, erklärte der Leitende Geistliche der Evangelischen Kirche im Rheinland der Mitteilung zufolge. „Mitten in Europa, im Rechtsraum der Europäischen Union ist das ein Skandal.“
Derweil ist das von Italien abgewiesene Rettungsschiff „Open Arms“ ist mit 60 Flüchtlingen an Bord in den Hafen von Barcelona eingelaufen. „Was für ein angenehmes Gefühl ist es, wieder zu Hause zu sein“, schrieb der Gründer der spanischen Nichtregierungsorganisation Proactiva Open Arms, Oscar Camps, am Mittwoch auf Twitter. Die Migranten aus 14 Ländern – darunter fünf Frauen und fünf Minderjährige – sollten in der spanischen Metropole zunächst medizinisch untersucht und versorgt und anschließend registriert werden.
Das Schiff hatte die Flüchtlinge am Samstag im Mittelmeer rund 30 Kilometer vor der Küste Libyens aus Seenot geborgen. Italien und auch Malta machten sofort klar, dass sie das Schiff nicht in ihre Häfen lassen wollten. Die spanische Regierung erklärte sich daraufhin zur Aufnahme der Flüchtlinge bereit.
Leser*innenkommentare
Da Hias
Aus den Augen, aus dem Sinn, was man nicht sieht, gibt es nicht, spurlos und unbemerkt verschwunden in Europas größtem Massengrab. Keine Schlagzeilen wegen Rückführung in die Libyschen Lager. Festung Europa, großartig. :-/
Mustardman
Klar, wenn keiner mehr weiß, wieviele Leute ersaufen, kann man sie einfach ersaufen lassen und dann sagen "seht ihr, wenn man sie nicht rettet, kommen sie nicht mehr!". Das ist nur noch einen Hauch von heimlichem Massenmord entfernt.
Reinhardt Gutsche
Fahrlässige Tötung im Amt
Sofern der Artikel das maltesische Regierungshandeln korrekt wiedergibt, handelte es sich hierbei um gleich mehrere Straftatbestände wie unterlassene Hilfeleistung oder gar fahrlässige Tötung, und zwar im Amt. Da auch die maltesische Justiz offensichtlich untätig bleibt, käme noch das Delikt der Strafvereitlung hinzu. All diese Delikte werden auf Anordnung der Regierung eines EU-Mitgliedes begangen, die sich damit schwerster Vergehen gegen die Essentials der EMRK und der EU-Grundrechtecharta als integraler Bestanteil des Gemeinschaftsrechts schuldig macht. Die Verletzung des Rechtes auf Leben dürfte in der Waagschale des Rechtsstaates ungleich schwerer wiegen als die vorzeitige Pensionierung einer Richterin. Von drohenden Ermittlungsverfahren der EU-Kommission gegen Malta wegen Verletzung grundlegender rechtsstaatlicher Standards ist hingegen weit und breit nichts zu vernehmen. Ein Vergleich der sehr unterschiedlichen öffentlichen Reaktion (bzw. Nicht-Reaktion) auf beide Sachverhalte läßt tief in das vorherrschende Menschenrechtsverständnis in der EU blicken.
mäusle
Mein aufrichtiger Dank gilt den Maltesern, die mit ihrem beherzten Eingriff dem Schleusertum der NGOs Einhalt gebieten.
Ich hoffe, es kommt zu einer Anklage der Führungsmannschaft der Schiffe und des Flugzeuges und die Kapitäne werden hoffentlich zivilrechtlich belangt und müssen mit ihrem Vermögen für die eingeschleppten bürgen.