Seehofers Höhenflug: Der absolute Horst
Der bayerische Ministerpräsident Seehofer hat vor dem CSU-Parteitag prächtige Laune: Die uneingeschränkte Macht ist wieder in Reichweite.
Die Bundesregierung – wer sitzt da noch mal drin? Die Kanzlerin, gut: Aber die ist die mächtigste Frau der Welt. Der Rest der Truppe ist entweder schon abgemeldet, in Affären verstrickt oder duckt sich weg wie ein verunsicherter Abwehrspieler beim Stand von 4:3. Wer die politische Landschaft der Republik betrachtet, stellt fest: Es ist nur noch einer da, der Angela Merkel nicht das Wasser trägt.
Und das tut er, der Horsti Seehofer, auf seine unnachahmlich charmante Art natürlich schlicht so, dass er sich mit ihr auf eine Stufe stellt: Die Kanzlerin mache vieles wett, was in den CDU-Landesverbänden verloren gegangen sei, sagte er in einem Interview der SZ. Und gab gleichzeitig das Unionswahlziel 40 Prozent für die Bundestagswahl 2013 aus – in dem Jahr, in dem auch Bayern abstimmt.
Seehofer ist ein Phänomen. Ihm reichte eine elektrische Eisenbahn im Hobbykeller, um dem selbstverliebten deutschen Investigativjournalismus den Strom abzudrehen. Und er ist gleichzeitig, wie es in einem All-time-Classic vom Kollegen Seeßlen-Schorsch hieß, der „postmoderne Superbazi“: einer, von dem man selbst keinesfalls einen Gebrauchten kaufen würde, aber dem man halt wahnsinnig gern dabei zusähe, wie er dem nächsten Deppen einen Schrotthaufen als Neuwagen andreht.
Dass ihm das beim Betreuungsgeld immer noch nicht gelungen ist, liegt kaum am Widerstand der FDP, sondern an der Totalschrottigkeit des Vorhabens.
Hartnäckig im Bescheißen
Aber eben das macht ja Seehofer aus: Wenn man sich erst mal entschieden hat, aus Mist Gold zu machen, dann darf man nicht einfach damit aufhören, nur weil einem die Leute nicht gleich alles glauben. Seehofer ist hartnäckig im Bescheißen. Und er ist flexibel. Er weiß, dass man sich rationale Argumente nur dann zu eigen macht, wenn sie einen in der eigenen Meinung bestätigen. Was die niederbayerischen und fränkischen Dotschn Beckstein und Huber 2008 in den Sand setzten, das wird sich der Horst nach der jüngsten Umfrage des Emnid-Instituts bei den Landtagswahlen im nächsten Jahr wiederholen: die absolute Mehrheit.
Über 50 Prozent bekommt er zwar nur bei seinen „persönlichen Werten“ – das ist jetzt doppeldeutig –, dies aber immerhin gegen den Hoffnungsträger, sozusagen den Steinbrück der bayerischen SPD, den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude. Und die 48 Prozent, die Seehofers – das ist jetzt gar nicht doppeldeutig – CSU gegen verwurschtelte 39 Prozent von Sozis, Freien Wählern und Grünen einfahren könnte: das ist schon was.
Lustvoll ausgeübte Grausamkeit
Erreicht hat er das weniger im Kampf gegen den parteipolitischen Gegner, sondern durch seine unschlagbar süffisante, lustvoll ausgeübte Grausamkeit gegen Partei- und Unionsfreude: Wie er Röttgen absendete! Wie er den Zwergenaufstand in der CSU selbst inszeniert, indem er Frau Aigner (unverheiratet) sich in Frau Haderthauer (verheiratet, zwei Kinder!) verbeißen und den Markus Söder (Franke) dazu bellen lässt! Und wie er gleichzeitig einer Parteijugend – die im Wesentlichen über Gastronomieöffnungszeiten diskutiert und also schon so was von harmlos für ihn ist – schöntut mit seinem „Stark. Sicher. Zukunft. Bayern. CSU“-Facebookauftritt – das ist in der Tat, ganz wie es eben dort steht, „eine logische Reihe“.
Wo sind sie also abgeblieben, die klugen Analysten, die meinten, die CSU habe ihre Modernisierungsaufgabe am einstigen Agrarstaat Bayern erfüllt und befinde sich nun auf dem unweigerlich absteigenden Ast? Als ob Modernisierung etwas wäre, was irgendwann aufhörte, womit man je fertig würde! Das Oktoberfest geht doch auch immer weiter, es ist mittlerweile ein globales, hochritualisiertes Klamaukspektakel. So wird es auch beim am Freitag beginnenden CSU-Parteitag sein. Nichts Neues: außer Horst.
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