Seehofer stellt Migrationsbericht vor: Deutlich weniger Asylanträge
2018 suchten in Deutschland deutlich weniger Menschen Schutz als im Vorjahr. Ein Abschiebeabkommen mit Italien wird wohl nicht kommen.
Sie ergäben sich vielmehr aus seiner „Erfahrung aus 25 Jahren“. Die zeige nämlich, dass genau oberhalb dieses Maßes an Zuwanderung in Deutschland Parteien am rechten Rand erblühten: „Damals die Republikaner, heute die AfD“, sagte Seehofer.
Dieser Logik zufolge müsste die AfD bereits seit 2017 wieder auf dem absteigenden Ast sein, was bekanntermaßen nicht der Fall ist. Die Asylzahlen nämlich blieben „deutlich unter Vereinbarungen der Koalition“, das war die wichtigste Nachricht, die Seehofer nach einem knappen Jahr im Amt verkündete.
162.000 – so viele Menschen haben 2018 in Deutschland einen ersten Asylantrag gestellt. Und damit niemand diese Erfolgsmeldung mit Zahlentricksereien zu schmälern vermochte, wendete Seehofer die Statistik noch etwas: Die Obergrenze sei nämlich auch dann gewahrt, erläuterte er, wenn man die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen – im Schnitt etwa 3.500 im Jahr – und die Familienzusammenführungen dazuzähle, und dafür Abschiebungen und freiwillige Ausreisen abzieht. Nach dieser Betrachtung ergibt sich ein fast identischer Wert von netto 165.000 Flüchtlingen im Jahr.
Erhoffte Chancen
Für Seehofer ein Erfolg auf ganze Linie: Die Maßnahmen, etwa das Abkommen mit der Türkei und die Personalaufstockung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hätten „die gewünschte politische Wirkung“ gehabt. Und auch die „Balance zwischen Humanität und Steuerung“ sei „bemerkenswert gut“ geglückt. Weil der Migrationsdruck auch noch viele Jahre anhalte werde, versicherte Seehofer, dass es trotz der stark gesunkenen Asylzahlen keinen Personalabbau beim BAMF geben werden. Dessen Mitarbeiter würden für „Integration und Rückführung“ gebraucht.
Nicht ganz so rund laufe es mit Italien: Seehofer hatte sich fest vorgenommen, mit Rom ein Abkommen zur schnelleren Abschiebung von Flüchtlingen abzuschließen, die über Italien nach Deutschland gekommen waren und deshalb hier kein Asyl bekommen sollen. Das Abkommen sei „fertig“ sagte Seehofer, aber es werde von Italien „wohl aus innenpolitischen Gründen nicht unterschrieben“. Das kann man so sagen: Eben diese Dublin-Rückschiebungen nach Italien abzuwehren, ist eines der wichtigsten Vorhaben des rechten Innenministers Matteo Salvini.
Im Dezember hatte das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf für das Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz beschlossen. Die erhofften Chancen für abgelehnte Asylbewerber, eine Aufenthaltserlaubis zur Erwerbstätigkeit aufzunehmen gab es nicht – die CSU hatte dies verhindert, sehr zum Missfallen auch der Wirtschaftsverbände. Jetzt schlug Seehofer andere Töne an. Um dem Fachkräftemangel zu begegen, sei es „richtig“, eine solche Möglichkeit für Geduldete zu schaffen, sofern diese „gute Integrationsansätze“ hätten und straffrei seien.
Begleitet hatte Seehofer der von ihm eingesetzte BAMF-Chef Hans-Eckhard Sommer. Auch der hatte nur glänzende Nachrichten: Nur 35 Prozent der Asylbegehren hätten Erfolg, zügig und rechtssicher wie seit langem nicht sei die Verfahrensabwicklung in seiner Behörde: Drei Monate im Regelfall, höchstens zwei Monate in den „Ankerzentren“.
Statistische Tricks
Und auch die Gerichte hätten kaum etwas zu beanstanden: „17 Prozent der Asylklagen bei den Verwaltungsgerichten gehen heute zugunsten der Kläger aus, aber 38 Prozent zugunsten BAMF“, sagte Sommer. In den übrigen Fälle würde das Verfahren ohne Entscheidung beendet. Das komme nicht von ungefähr: Es gebe heute „keine Behörde in Deutschland, die eine derartige Qualitätskontrolle betreibt“ wie das BAMF, sagte Sommer.
Ein „Zerrbild“, sei das, sagte die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke. „Das BAMF rechnet sich die Statistiken zu Asylklagen und Asylverfahrensdauern schön und die Schutzquote schlecht.“ So entstehe das falsche Bild einer hohen Ablehnungsquote und sehr vieler scheinbar ungerechtfertigter Asylanträge. Tatsächlich sei jeder zweite vom BAMF erteilte Asylbescheid positiv ausgefallen.
Auch die Klagen vor den Verwaltungsgerichten seien in Wahrheit in fast einem Drittel der zu Ende verhandelten Klagen zugunsten der Schutzsuchender entschieden worden, bei den afghanischen Flüchtlingen gar „um die 60 Prozent“. „Diese beachtlichen Zahlen sollen offenbar durch statistische Tricks verschleiert werden, weil sie nicht zu dem Bild passen, das Seehofer und die AfD von den Motiven der Schutzsuchenden zeichnen“, so Jelpke.
Im vergangenen Jahr, so sagte Sommer, sei seine Behörde durch „die Vorgänge in Bremen stark verunsichert“ gewesen. Die dortige Staatsanwaltschaft hatte im April Ermittlungen gegen die Leiterin der BAMF-Außenstelle in Bremen aufgenommen. Diese sollte, so der Verdacht, in rund 1.200 Fällen zu Unrecht Asyl gewährt haben. Seehofer hatte damals von einem „handfesten und schlimmen Skandal“ gesprochen, die Außenstelle regelrecht abgeschaltet und die BAMF-Leiterin Jutta Cordt entlassen – und dafür den CSU-ler Sommer ins Amt gehievt.
Selbst aufgeblasen
Der „handfeste Skandal“ war auch eine Steilvorlage für Seehofers mit großem Getöse angekündigten „Masterplan Migration“. „Ich schaue nicht nur auf Bremen – ich will alles reformieren,“ sagte Seehofer damals. Die Sache kam ihm wohl durchaus zupass.
Indes war es mit dem Skandal nicht so weit her. Mittlerweile so sagte Sommer nun, seien die Vorgänge in Bremen „im Detail aufgearbeitet.“ Letztlich seien 145 Fälle „manipulativer Einflussnahme“ entdeckt worden – nachdem das BAMF 20.000 Entscheidungen überprüft hatte. Gegen „sechs oder sieben“ Mitarbeiter seien Disziplinarverfahren eröffnet worden, gegen zwei Personen ermittle die Staatsanwaltschaft.
„Ansonsten ist für das Amt diese Phase Bremen beendet“, sagte Sommer. Seit November arbeite das BAMF in Bremen wieder normal. Ob ihm im Angesicht dieser Erkenntnisse leid tue, Cordt damals vor die Tür gesetzt zu haben? Keineswegs. Die „Entscheidung Cordt hatte mit Bremen zu 100 Prozent nichts zu tun“, behauptete Seehofer. Der damaligen BAMF-Leiterin sei „kein subjektiver Vorwurf“ gemacht worden. Gefeuert habe er sie wegen der „Gesamtsituation“.
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