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■ Sechsmonatige Bewährungsstrafe für US-Rapstar CoolioVerbotsirrtum ausgeschlossen

Böblingen (taz) – Mit diesem Urteil hatte nach dem Prozeßverlauf kaum mehr jemand gerechnet: Nachdem eine ganze Reihe von Zeugen den Rapper Coolio im Laufe des Verfahrens entlastet hatten, wurde dieser trotzdem vom Amtsgericht Böblingen zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung und zu einer Geldstrafe in Höhe von 30.000 Mark verurteilt. Das Gericht befand den 35jährigen der Beihilfe zum Raub und auch der Körperverletzung für schuldig.

Er habe nach einer Autogrammstunde vor einem Jahr mit seinen Bandmitgliedern unberechtigterweise diverse Kleidungsstücke aus einer Böblinger Boutique mitgenommen und die Besitzerin mit dem Ellenbogen in den Bauch gestoßen, als sie die Musiker am Verlassen des Ladens hindern wollte.

Wie schon vor ihm der Staatsanwalt dozierte auch der Vorsitzende Richter Werner Payer, Coolio habe gewußt, daß die Böblinger Boutiquebesitzerin nicht seine Vertragspartnerin sei. Somit hätten seine Bandmitglieder eben die Bekleidungsstücke nicht mitnehmen dürfen, auch wenn sich der Angeklagte möglicherweise in einem Verbotsirrtum befunden habe.

Er sei für seine Vorbildfunktion verurteilt worden; für das, was das Gericht darin gesehen habe, kommentierte Coolios Anwalt Georg Prasser die unerwartete Strafe. Der Rapper selbst reagierte nach außen hin im wahrsten Sinne des Wortes „cool“ auf das Urteil. Er sagte, es hätte schlimmer, allerdings auch besser kommen können. In einem fremden Land müsse er eben ein solches Urteil akzeptieren. Gleichwohl machte er noch einmal deutlich, daß er kein Typ sei, der Frauen schlägt, und daß er sich nach wie vor nicht schuldig fühle. „I'm not Gangstarapper and I'm not a womanbeater.“ Seine Musik und der Begriff des „Gangsta-Rap“ würden in Deutschland häufig mißverstanden. Vielmehr sei er ein „netter Typ“, den die Menschen mögen, und er seinerseits liebe seine Fans.

Der Vorsitzende Richter Payer verwies ausdrücklich darauf, daß entgegen aller Gerüchte der Angeklagte weder in Deutschland noch in den USA vorbestraft sei. Zur eigentlichen Tat selbst, dem Wirbel um eine angeblich „ertrickste“ Autogrammstunde und den „bargeldlosen Einkauf der Bandmitglieder“, meinte der Vorsitzende Richter, die Boutiquebesitzerin habe fraglos mit der umstrittenen Autogrammstunde ein Schnäppchen gemacht. Es habe zwar eine Abmachung bestanden, daß die Band in Textilien bezahlt würde. Diese sei aber nicht mit der Geschäftsfrau, sondern einem Dritten getroffen worden.

Eineinhalb Wochen lang war Coolio wegen des Verfahrens in Deutschland. In einer Verhandlungspause berichtete er, wie er sich die Zeit vertrieben hat. „Ich habe mich mit Freunden getroffen und Computer gespielt.“ Außerdem sei er in der Schweiz beim Snowboarden gewesen. Sein Anwalt Georg Prasser berichtete von den regelrechten Verfolgungsjagden einiger Journalisten und Fans. Nicht mal in seiner etwas abgelegenen württembergischen Heimatgemeinde habe er mit Coolio zum Essen gehen können, ohne daß es Autogrammwünsche, Anfragen nach Interviews und gemeinsamen Fotos mit dem Rapper gegeben habe. Andererseits habe er mit Coolio stundenlang die Demobänder seiner neuen CD abgehört – und das sei schon recht aufregend gewesen. Klaus Wittmann

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