piwik no script img

Sechs Entwürfe für ein StadtquartierPankows neue Mitte

Radschnellweg, Straßenbahn, zweitausend Wohungen. Das Pankower Tor nimmt Gestalt an. Bei einem Online-Dialog wurde öffentlich diskutiert.

So stellt sich Sergei Tchoban das Entree zum Pankower Tor vor Foto: Tchoban Voss Architekten

Berlin taz | Steht den Berliner Höfen eine Renaissance bevor? Durchaus ja, meint Andreas Garkisch vom Büro 03 Architekten. „Wir müssen aber zwischen privaten und öffentlichen Höfen unterscheiden.“ Garkisch und sein Team haben einen von sechs Entwürfen zum Pankower Tor eingereicht, der am Montagabend in einem Onlinedialog öffentlich diskutiert wurde. Welcher Entwurf am Ende gebaut wird, soll sich im Juni entscheiden.

Das Areal des ehemaligen Pankower Güterbahnhofs zwischen den Bahnhöfen Pankow und Heinersdorf ist einer der größten Wohnungsbaustandorte in Berlin. Dass dort nun das Thema Höfe neu buchstabiert wird, liegt auch an der Lage des 34 Hektar großen Geländes. Im Norden wird es von der S-Bahn und der Damerowstraße begrenzt. Im Südosten verläuft die Granitzstraße, hinter der das Kissingenviertel beginnt. „Es ist nicht verwunderlich, dass alle Büros mit Höfen arbeiten“, sagt Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. „Denn wir haben auf zwei Seiten Lärmbelastung.“ Was die städtebauliche Struktur angehe, habe es vom Senat aber keine Vorgaben gegeben.

Allerdings haben sich alle Büros, die entweder vom Bauherrn Kurt Krieger oder dem Senat eingeladen worden waren, an mehrere Eckpunkte im „konkurrierenden Workshopverfahren“ halten müssen: So sollen auf dem Gelände 2.000 Wohnungen sowie ein Radschnellweg, der „Panke-Trail“, gebaut werden. Auch eine Schule und zwei Kitas sollen entstehen, dazu eine Bibliothek. Schließlich soll das Gelände von der Straßenbahn erschlossen werden.

Zwei Jahre lang hatte es gedauert, bis sich Investor, Bezirk und Senat auf die Auslobung einigen konnten. Dazu gehört auch ein Möbelhaus von Krieger am Bahnhof Heinersdorf. Auf eine Shopping-Mall hat der Investor inzwischen verzichtet, Einkaufen findet nun am Bahnhof Pankow in abgespeckter Variante statt. Statt eines Einkaufszentrums gibt es Läden in den einzelnen Gebäuden.

Neue Stadtquartiere in Berlin

Das Pankower Tor ist eines von 14 neuen Stadtquartieren. Ursprünglich waren auf dem Gelände des Güterbahnhofs gar keine Wohnungen geplant gewesen, später waren es 500, jetzt sind es 2.000. Ein Drittel davon werden preisgebunden sein.

Ein weiteres Wohnungsvorhaben in Pankow war die Elisabethaue. Weil Linke und Grüne dagegen waren, wurde sie aber nicht in die Liste der neuen Stadtquartiere aufgenommen. (wera)

„Wir wollen kein Einkaufen in der Passage, sondern in Läden zur Straße hin“, sagt Sergei Tchoban, der den Eingang zum Quartier am Bahnhof Pankow mit einem Hochhaus markiert (siehe Skizze). Rechts davon erstrecken sich die Geschäfte in neuen Gebäuden entlang der Granitzstraße, links führt der neue Panke-Trail aufs Gelände. Nach Heinersdorf hin schließen sich dann im Norden des Geländes die Wohnblöcke an – natürlich mit Hofbebauung.

Nicht nur das Thema Höfe haben die sechs Teams variiert, sondern auch das Grün. Beim Entwurf von Tchoban befindet sich ein Park auf dem zur Granitzstraße liegenden Teil des Geländes. Das Team um den Architekten Tobias Nöfer hat den Park dagegen an die Bahntrasse neben der Damerowstraße gelegt. Beim Onlinedialog wurde in dem Zoom-Raum, in dem Nöfers Entwurf diskutiert wurde, zudem eine weitere Anbindung an die Damerowstraße gefordert, etwa durch eine Fußgänger- und Radbrücke über das Bahngelände. Denn in den Eckpunkten der Auslobung wurde nur eine einzige Querung des Geländes verlangt: von der Neumannstraße über das neue Stadtquartier und dann in einem Tunnel unter der Bahn hindurch bis zur Hadlichstraße.

Streit um Hochhäuser

Neben Tchoban, dessen Entwurf den Titel „Die grüne Mitte“ trägt, und Tobias Nöfer, der ein „lebendiges Quartier mit Zukunft“ schaffen will, haben sich noch die Teams um die Architekten Allmann, Sattler, Wappner („Aktives Stadtquartier Pankow“), 03 Architekten („Eintauchen in bunte Hofwelten“), Astoc Architects („Neues Stadtquartier Pankower Tor“ sowie blocher partners („Zwischen Urbanität und Idylle“) am Workshop-Verfahren beteiligt.

Hochhäuser haben nur blocher, Nöfer und Tchoban vorgeschlagen, während die anderen Entwürfe die zu verteilende Baumasse gleichmäßig auf die Wohnblöcke verteilen. Dennoch hat sich beim Onlinedialog in den einzelnen Arbeitsgruppen eine kontroverse Hochhausdebatte entwickelt. „Es ist mittlerweile fast inflationär, dass Hochhäuser/Hochpunkte in größeren städtebaulichen Entwürfen auftauchen“, ärgert sich ein Teilnehmer im Chat. „Ich erlebe oft, dass vor allem Pla­ne­r:in­nen und Ar­chi­tek­t:in­nen sich daran erfreuen, auch die Jurys, aber die Bevölkerung vor Ort mehrheitlich nicht.“

Eine ganz eigene Vorstellung beim Spiel mit Höhe und verschiedenen Ebenen hat der Entwurf von Tobias Nöfer. Er legt nicht wie alle anderen den Radschnellweg an die S-Bahn-Trasse, sondern gönnt ihm sogar eine eigene Brücke über die Berliner Straße hinweg. Anschließend führt der Panke-Trail aufgeständert mitten durch das Gelände. Radelnde haben dadurch ungeahnte Aussichten, und wer zu Fuß unterwegs ist, fühlt sich nicht gestört.

Ein Pavillon und Platz für Fußgänger am Eingang zum neuen Quartier Foto: Nöfer Gesellschaft von Architekten

Schon nach der Veröffentlichung der sechs Entwürfe auf der Website pankower-tor.de am 10. Februar war Nöfers Entwurf der mit den meisten Kommentaren. Auch beim Onlinedialog waren die meisten der mehr als 200 Besucherinnen und Besucher in jenem digitalen Raum, in dem Nöfers „lebendiges Quartier“ diskutiert wurde. Gelobt wurde auch die urbane Eingangssituation rund um einen Pavillon. Hier entsteht ein Stadtplatz, der vor allem Fußgängern und Radfahrerinnen gehört.

Bis Ende April haben die sechs Teams, zu denen neben den Architekturbüros auch Verkehrs- und Landschaftsplaner gehören, Zeit, die Anregungen aus dem Onlinedialog in ihre Entwürfe einzuarbeiten. „Im Mai werden die überarbeiteten Entwürfe dann von der Jury bewertet“, erklärte Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne). Im Juni soll es dann eine öffentliche Präsentation der Entwürfe geben.

Das Pankower Tor zwischen den Bahnhöfen Pankow und Heinersdorf Foto: Infografik

Nachdem die Jury ihr Votum abgegeben hat, wird es allerdings noch dauern, bis der erste Spatenstich erfolgt. „Ich würde mich freuen, wenn wir in der nächsten Leigislatur die ersten Gebäude sehen“, sagte Pankows Bürgermeister Sören Benn (Linke). Er hofft, mit dem Bauvorhaben „eine Wunde zu schließen und einen Mehrwert für die umliegenden Quartiere zu bekommen“.

Allerdings birgt das Verfahren, bei dem Bürgerinnen und Bürgern nicht nur die Entwürfe kommentieren, sondern auch benoten konnten, die Gefahr, dass neue Wunden entstehen – etwa dann, wenn sich die Jury über den Sieger des Publikuswettbewerbs hinwegsetzt. Immerhin hatte Tobias Nöfer nicht nur die meisten Kommentare und Besucher im digitalen Raum des Dialogs. Mit 133 Bewertungen und vier von fünf Sternen bekam er, Stand Dienstag um 15 Uhr, auch den meisten Zuspruch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!