Schwitzen gegen Corona-Overload: Das verhasste Wort
Zum Thema Corona ist längst alles gesagt. Können wir endlich wieder von etwas anderem reden? Über Fitnessvideos zum Beispiel?
S eit einigen Tagen sehe ich vermehrt Leute, die Corona-Bier trinken oder Corona-Sixpacks aus dem Supermarkt nach Hause schleppen. Ich weiß nicht, ob das gerade ein Ding ist oder immer schon so war und an mir liegt, die hyperfixiert auf und hypergenervt von dem Wort „Corona“ ist.
Nachdem ich einige Zeit über das Thema dieser Kolumne nachgedacht habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass in meinen Augen zum Thema Corona eigentlich schon vor längerer Zeit absolut alles gesagt wurde. Von Berichten über Fakten, zum tausendsten Corona-Tagebuch und Autoren, die durch verlassene Städte wandeln und ihre Eindrücke beschreiben, bis hin zu Bill Gates und den verworrensten Verschwörungstheorien. Wenn ich das Wort „Corona“ höre oder gefragt werde, wie ich denn mit dem Lockdown zurechtgekommen sei und was ich in der Zeit gemacht hätte, überfällt mich oft eine bleierne Müdigkeit, und ich stelle mir vor, ich könnte kurz ins Wasser springen, meine Ohren würden sich mit Unterwasserrauschen füllen und ich würde heimlich davonschwimmen.
Ich glaube, ich würde lieber für den Rest meines Lebens in Läden, Bahnen und Bussen einen Mundschutz tragen, wenn ich dafür nie wieder dieses verhasste Wort (in seiner prätentiösen Variation Covid-19 vielleicht noch verhasster) hören oder sagen müsste. Bildlich kommt mir die Debatte über Corona mittlerweile etwa so vor wie das Video, das die Journalistin Dunja Hayali letzten Samstag von der Demo gegen die Coronamaßnahmen aufgenommen hat: Alle schreien durcheinander, jede*r hat seinen persönliche „Hot Take“, der aus zu viel im Internet verbrachter Zeit zusammengebastelt wurde und jetzt für die einzig wahre Wahrheit gehalten wird.
Horrorfilme mit Corona-Content
Ich denke auch manchmal mit Grauen an den Coronapandemie-Content, der in den nächsten Jahren in Filmen ausbrechen wird: Ein ZDF-Liebesdrama, in dem eine Endzwanzigerin aus der Stadt in einem Dorf in der Lüneburger Heide bei ihren entfremdeten Eltern strandet und gezwungen ist, die Pandemie dort auszusitzen. Erst arbeitet sie gestresst im Homeoffice und ist gemein zu ihrer Mutter, die ihr Snacks bringen will. Später wird ein Familiengeheimnis aufgedeckt, es folgt ein Breakdown, die Heldin versucht trotz Pandemie verzweifelt in die Großstadt zurückzukehren, nur der ortsansässige Tierarzt, der seine pastellfarbenen Karohemden in Chinohosen steckt und dazu lederne Slipper trägt, kann sie aufhalten. In der Pandemie heiraten die beiden.
Oder ein artsy angehauchter Psychofilm, wahlweise mit August Diehl oder Daniel Brühl: Ein Pärchen ist in einer stylisch heruntergekommenen Berliner Altbauwohnung zusammengepfercht. Spannungen bauen sich auf, ungeahnte Schattenseiten treten zutage, am Ende folgt ein spektakulärer Showdown in den Straßen der ausgestorbenen Stadt. Oder eine Doku, in der Attila Hildmann reumütig versucht, seine Radikalisierung zu erklären, um sein veganes Imperium zurückzugewinnen.
Als Strategie gegen Corona-Overload und Bewegungsmangel habe ich während des strikten Lockdowns angefangen, Pamela-Reif-Fitnessvideos zu folgen: Die Videos scheinen aus einer futuristischen Girly-Fitnesswelt zu kommen, die nach zuckerfreiem Wrigley’s-Extra-Bubblemint-Kaugummi riecht, in der Schweiß nicht existiert und die nichts mit meiner Realität zu tun hat. Pamela Reif macht die Übungen schnell und scheinbar mühelos vor, und ich mache sie mühevoll nach und höre irgendwann auf zu denken. Pamela Reif spricht fast nie, nur manchmal sagt sie Sachen wie „squeeeeeze your muscles“ oder dass man sich vorstellen soll, man müsse ein Blatt Papier mit den Pobacken festhalten, wenn man ein Booty-Workout macht.
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