Schwimm-EM in Budapest: Auf bessere Zeiten
Die Coronakrise prägt auch die Schwimm-EM in Budapest. Viele Aktive blicken deshalb schon weiter – auf die Olympischen Spiele 2024 in Paris.
Budapest ist für Lisa Graf auf eine ganz andere Art die Vorstufe für Tokio. Dass die deutsche Rekordhalterin über 200 Meter Rücken nicht bei den Schwimm-Europameisterschaften in der ungarischen Hauptstadt dabei sein würde, stand schon vorher fest. Aber jetzt musste die 28-Jährige auch noch Olympia im Sommer absagen und beendete gleich ganz ihre Karriere.
„Ich wurde Mitte Januar positiv auf Corona getestet und mein Körper hatte mit dem ein oder anderen Symptom zu kämpfen“, erklärte Graf auf Instagram. Sie habe sich zwar gut zurückgekämpft, auch die Norm für die EM habe sie geschafft. „Doch leider plagten beziehungsweise plagen mich auch jetzt noch Beschwerden, welche auf Covid zurückzuführen sind.“
Für Graf hat das eine bittere Konsequenz. „Da Tokio für mich der letzte Stopp meiner Leistungssportkarriere sein sollte, werde ich mich deshalb jetzt aus dem Wettkampfsport zurückziehen und mich auf meine hundertprozentige Genesung sowie mein Studium konzentrieren.“
Die Coronakrise prägt die Schwim-EM in Ungarn deutlich. Schon vor einem Jahr, im Mai 2020, sollte sie in Budapest stattfinden. Nun wird halt jetzt in der Danube-Arena, deren Zuschauertribüne leer bleiben muss, geschwommen und überprüft, wer in welcher Olympiaform ist. Und zwar in der Form für Olympia 2021 in Tokio und gleich der für die folgenden Spiele mit. Der deutsche Bundestrainer Hannes Vitense hat gleich zehn Schwimmerinnen und Schwimmer dabei, für die die EM das erste Topereignis ist, die sollen „mit Blick auf die übernächsten Olympischen Spiele 2024 in Paris diese internationale Erfahrung sammeln“, sagt Vitense.
Hannes Vitense, Bundestrainer
Zu den Jüngeren mit Perspektive gehört die 17-jährige Zoe Vogelmann. Am Montag, dem ersten Finalabend der EM, wurde die Heidelbergerin im 400-Meter-Lagen-Finale Siebte. Im Halbfinale hatte sie noch eine persönliche Bestzeit erreicht. Keine Weltklasse wie Katinka Hosszú, dreifache ungarische Olympiasiegerin, die über 400 Meter Lagen souverän siegte. Es war der 15. Europameistertitel für die 32-jährige Hosszú. Vogelmann irritiert das nicht. Sie liegt im Plan, so wie sie das vorab schon angekündigt hatte: „Es geht darum, Spaß zu haben und Erfahrungen zu sammeln.“ Wie ihr Bundestrainer, so betont auch Vogelmann, dass ihr eigentliches Ziel Paris 2024 ist. Ihre bisherigen Leistungen zeigten, so Vogelmann, „dass ich eine gute Entwicklung hingelegt habe“.
Kontinuität trotz Corona
So viel Zeit gibt sich der frühere Weltmeister über 200 Meter Brust, Marco Koch, nicht. Der 31-Jährige aus Darmstadt greift am heutigen Mittwochvormittag bei den Vorläufen erstmals ins Wettkampfgeschehen ein. „Das ist für mich eine Generalprobe auf dem Weg zu den Olympischen Spielen“, hat er vorab erklärt. „Wir wollen schauen, wo ich stehe und auch die Abläufe mit Vorlauf, Halbfinale und hoffentlich Finale durchspielen.“ In einem anderen Interview hatte Koch betont, dass er in diesem Jahr „noch kein richtiges 200-Meter-Rennen geschwommen“ ist. Alles, was er in den coronakrisenbedingt wenigen Wettkämpfen hat machen können, war die Konzentration auf „Teilaspekte wie die ersten 100 Meter oder die zweite Rennhälfte, die meine Stärke ist“.
So wie Koch geht es vielen Schwimmern und Schwimmerinnen: Es ist alles drin. Für große Überraschung sorgte in Budapest etwa der russische Rückenschwimmer Kliment Kolesnikow. Er schwamm über die nichtolympischen 50 Meter Rücken als erster Mensch unter 24 Sekunden: 23,93 im Halbfinale. Ob er diese Sensation am Dienstagabend im Finale noch übertreffen konnte, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Kolesnikow ist trotz seiner erst 20 Jahre kein Unbekannter, schon den alten Weltrekord mit 24,0 Sekunden hatte er gehalten. Den Kurzbahn-Weltrekord über 100 Meter hält er auch. Insofern steht sein Auftritt wie der der 32-jährigen Katinka Hosszú eher für etwas, das Experten nicht unbedingt prognostiziert hatten: für Kontinuität im internationalen Schwimmsport.
Diese Tendenz hatte sich schon in der Vorwoche bei den Freiwasserwettkämpfen angedeutet. Da belegte die deutsche 4-mal-1,5-Kilometer-Staffel den zweiten Platz hinter den favorisierten Italienern. Im deutschen Mixed-Team war neben Ley Boy, Leonie Beck und Rob Muffels ganz entscheidend auch Doppelweltmeister Florian Wellbrock aus Magdeburg dabei. Der wäre über 1.500 und 400 Meter auch im Becken Favorit, belässt es aber dabei, seine Form anzudeuten und orientiert sich auf Olympia. Mit seinen 23 Jahren kann er sowohl für Tokio als auch für Paris planen.
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