Schwieriger Monat: Januar, du schuldest uns was

Der erste Monat im Jahr 2021 – der kostet uns einiges. Am besten also weg, schnell weg mit ihm, einfach neu anfangen.

Eine Fraut hat einen strassbesetzten Zauberstab bei sich

Wenn du drei Wünsche frei hättest? Schnell, schneller, am schnellsten weg von Corona? Foto: YAY Micro/imago-images

Januar also. Wenn du als Monat in den Jahren zuvor wohl noch für Begeisterung standst, für gute Vorsätze und die „Brigitte Diät“, so gibt es doch keinen schlimmeren Start für dich, als der erste Monat dieses Jahres zu sein.

Du riechst nach kalten Wunderkerzen, bist so zackig drauf wie Sekt ohne Blubberblasen und schmeckst wie zwei Tage alte, leicht angetrocknete Pfannkuchen, auf denen der Zuckerguss schon Fäden zieht. Und so, wie du dich als Januar in deiner ersten Woche gezeigt hast, kannst du eigentlich auch schon wieder in die Tonne.

Also bitte, die stärker ansteckende Mutation B1.1.7 des Coronavirus ist doch ein Scherz, den du dir noch mit dem Dezember ausgedacht hast? Und an der Lage der Menschen in Moria in Griechenland und in Lipa in Bosnien wirst wohl auch du nichts ändern, auch wenn am Freitag der EU-Sondergesandte für Bosnien, Johann Sattler, immerhin 900 Geflüchteten „keine Luxuswohnungen“ versprach, sondern Armeezelte mit Toiletten, und diese sind – wow! – sogar beheizt.

Was mit mehreren hundert weiteren Menschen passiert, die nicht mit Zelten versorgt werden derzeit? Das zeigst du uns dann bestimmt noch, oder Januar? Du kannst den Stab auch noch an den Februar weiterreichen – wäre ja zu schön, wenn du dein Reservoir an guten Nachrichten allesamt in diesem Jahr für dich behalten würdest, du Scherzkeks.

Apropos Scherz: Du weißt schon, dass Witze über dich und deine Familie kursieren? So wie der von der guten alten Fee, die einem Menschen drei Wünsche schenken will, aber der oder die Beschenkte sich mit nur einem einzigen Wunsch begnügt, nämlich bittebittebitte nur schnell ins Jahr 2022 gebeamt zu werden. Worauf die Fee dann antwortet: Ah, ins Jahr 2 von Corona? Klar, lässt sich machen.

Kann man natürlich beliebig modifizieren. Ah, sagt die gute Fee dann: Ins Jahr X der rechtsextremen Einzelfälle? Klar, können wir machen. Und, zack, Zeitschleife. Du kannst da auch nicht drüber lachen, Januar? Jaja, ich verstehe schon.

Am besten also weg, schnell weg mit dir, neu anfangen. Denn das steckt ja in deinem Namen drin: Januar geht zurück auf den römischen Gott Janus (genau, der mit den Janusköpfen) und steht für den Anfang und das Ende oder auch für Eingänge und Ausgänge, für Türe und Tore, so steht es bei Wikipedia.

Früher war alles anders. Früher fand ich dich okay, Januar war halt nie so der Monat der Genüsse, trockener Januar heißt du deshalb bei vielen, da sie nun einen Gang runterschalten: kein Alkohol, kein Zucker, kein Tabak oder andere Drogen. Da freute man sich sogar auf dich, auf das neue Jahr, denn da ist ja die Idee des Neuen, Tollen, Schönen.

Aber du, du bist nur die gähnend doofe neue Staffel von 2020. An Neuanfang und an gute Vorsätze dachte keiner von uns an Silvester 2020. Ich hätte am liebsten überall TGIO an die Wände gesprüht (thank god it's over). Tat ich nicht, so wie du auch keinerlei Anstalten machst, dich möglichst schnell zu verziehen. Also Januar, guck, da ist der Ausgang, geh einfach! Ach, das geht nicht? Gut, dann auf deinen Nacken. Wir gucken jetzt, wie wir es miteinander schaffen, deine restliche Zeit möglichst schnell hinter uns zu bringen. Sind ja nur noch drei Wochen.

Woche eins: Ich hau mir die volle Ladung Nachrichten, Instagram, Sondersendungen und somit das geballte Weltgeschehen voll in die Hirnwindungen ein und hoffe, auf diese Weise betäubt in die nächste Woche zu taumeln. Klappt bestimmt.

Woche zwei: Ich lass alles bleiben. Ich schalte morgens keine Nachrichten an, lese nur die Zeitung auf Papier von gestern, wische Staub und stutze die Orchideen. Und pack mich jeden Tag ein, geh spazieren, backe Pide und meditiere. Haut bestimmt gut hin, aber der Kopf wird so nebelig dabei.

Woche drei (letzte Woche, juchu!): Ich finde das alles dann doch zu bourgeois. Also so zu tun, als könne die Welt einfach so ausgeschaltet werden. Vor allem kann mir als politisch Linke ja auch nicht egal sein, was mit den Menschen um mich herum geschieht. Als Hoffnungsschimmer versuche ich mich an dystopischen Klassikern der Weltgeschichte (und gucke endlich mal alle Pandemiefilme) und höre nur ein ganz klein wenig Nachrichten.

Die Hoffnung oder der Selbstbetrug ist ja, wieder den Rechner einschalten zu können und – zack! – ist die Pandemie vorbei, Rassismus auch und die Klimakatastrophe angesichts der Lehren, die wir aus der Pandemie gezogen haben, ebenfalls abgewendet. Oder ich wiederhole einfach die Woche eins bis drei, dieses Drama in drei Akten, so lange, bis es dann auch in der Tüte landet. 2021, du schuldest uns allen einen schnellen Abgang. Mit dem schrecklichsten aller Monate lasse ich Sie jetzt aber allein.

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Jahrgang 1973, Chefin vom Dienst im Lokalteil der taz. Studierte Publizistik und Turkologie an der FU Berlin.

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