Schwierige Zeiten für Linke-Fraktion: Machtkampf in Linkspartei eskaliert

Im Streit um die Machtverhältnisse in der Linkspartei gehen Fraktions- und Parteivorstand in die ultimative Auseinandersetzung.

Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch

Die Fraktionsvorsitzenden Wagenknecht und Bartsch bei der Fraktionsklausur der Linken am 17.10.17 Foto: dpa

Potsdam taz | Ausgerechnet die Comfort Lounge hatte die neue Fraktion der Linkspartei für ihre Klausurtagung im Kongresshotel Potsdam gemietet. Doch es nützte nichts. Es wurde ungemütlich. An diesem Dienstag eskalierte in Potsdam der Machtkampf in der Linkspartei. Nur wenige Stunden vor Beginn des Treffens verschickte die designierte Fraktionschefin Sahra Wagenknecht einen Brief an alle 69 frisch gewählten Bundestagsabgeordneten. Darin stellte sie den Fraktionsmitgliedern ein Ultimatum: Entweder Wagenknecht würde zu ihren Bedingungen gewählt – oder gar nicht. Der Brief, hieß es aus Fraktionskreisen, sei mit Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch abgesprochen.

Mit dem Ultimatum trieb Wagenknecht den schwelenden Machtkampf in der Partei auf die Spitze. Sie griff insbesondere die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger scharf an, bezichtigte sie einer offenen Kampagne und des Versuchs sie zu demontieren.

Wagenknecht fürchtet, die Parteiführung wolle sie mit eigenen Vertrauten im Fraktionsvorstand einmauern – und so inhaltlich kalt stellen. Sie empört sich etwa über Geschäftsordnungsanträge, die den Parteivorsitzenden Stimmrecht im Fraktionsvorstand und ein gleichberechtigtes Rederecht im Plenum verschaffen sollen. „Beides liefe letztlich darauf hinaus, dass die Fraktion von den Parteivorsitzenden übernommen wird, während den Fraktionsvorsitzenden nicht viel mehr als der Titel auf ihren Visitenkarten verbliebe.“

Dann drohte sie: „Allerdings kann ich Bernd Riexinger und Katja Kipping beruhigen: sie werden sich nicht die Mühe machen müssen, mich über Monate wegzumobben.“ Sollten etwa die Geschäftsordnungsanträge zum Stimm- und gleichberechtigten Rederecht der Parteivorsitzenden durchkommen, würde sie nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zur Verfügung stehen.

Der ehemalige Parteivorsitzende Klaus Ernst musste über den Vorwurf der „Entmachtung“ lachen. Natürlich müssten die Parteivorsitzenden ein Stimmrecht im Vorstand haben, sagte er. Das sei zu seiner Zeit auch üblich gewesen. Dass es unterschiedliche Meinung gebe sei normal. Ernst: Wenn Wagenknecht und Bartsch sicherstellen wollten, dass der Fraktionsvorstand immer ihrer Meinung sei, „da müssten se sich schon klonen und zehn Mal in den Vorstand setzen.“

Ausspräche bis nach Sonnenuntergang

Die sechs Antragsteller wollten sich zunächst nicht einschüchtern lassen. „Für ein Zurückziehen gibt es keinen Anlass“, sagte Niema Movassat, einer der Abgeordneten, der taz. „Es geht nicht um eine Schwächung der Fraktionsvorsitzenden, sondern darum, der Partei wieder mehr Geltung zu verschaffen.“ Movassat gehört zum Landesverband Nordrhein-Westfalen, eigentlich die Hausmacht von Fraktionschefin Wagenknecht. Er wehrte sich wie auch andere Antragsteller gegen den Vorwurf, im Auftrag der Parteiführung zu handeln.

Bis nach Sonnenuntergang dauerte die Aussprache, in der beide Seiten versuchten insbesondere die neuen Fraktionsmitglieder auf ihre Seite zu ziehen. Alt-Star Gregor Gysi sprach sich etwa für ein Stimmrecht der Parteiführung aus, beim gleichberechtigten Rederecht riet er zum Rückzug. Am Abend arbeitete Gysi dann einen entsprechenden Kompromissvorschlag aus.

Später zog sich das Quartett Kipping, Riexinger, Wagenknecht, Bartsch zurück und versuchte zu einer gesichtswahrenden Lösung zu kommen. Ausgerechnet in einem Raum mit verglaster Wand traf man sich zur Krisensitzung – so transparent kracht man sich nur in der Linkspartei. Aus der Parteiführung hieß es zuvor bereits, man halte an Wagenknecht und Bartsch fest.

Die Debatte hinter verschlossenen Türen wurde von vielen Abgeordneten dennoch als freundlich und meist lösungsorientiert beschrieben. „Man hört sich zu, man beleidigt sich nicht“, berichtete die neue, parteilose Abgeordnete Anke Domscheit-Berg. „Das macht mir Hoffnung.“

Offenbar wollten sich die meisten Fraktionsmitglieder nicht in die Kabalen der Führung hineinziehen lassen, sondern ihre Arbeit machen, spricht Politik.

Wenn dann am späten Abend die Fraktionsführung steht, kann sich die Linksfraktion auch inhaltlichen Fragen zuwenden: Wie geht sie künftig mit der AfD um? Diese Frage steht am Mittwoch auf der Tagesordnung.

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