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Schwerpunkt Rechtpopulismus„Wir weichen nicht“

Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef in Kiel, hat vor 25 Jahren noch die DVU miterlebt. Bei den Landtagswahlen im Mai droht ihm nun ein Deja-vu mit der AfD

Parteiprominenz in Schwerin: Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD Thüringen, neben der lokalen AfD-Kandidatein Petra Federau Foto: Axel Heimken/dpa

taz: Herr Kubicki, nach der Wahl im April 1992 saß die FDP im Parlament neben den Abgeordneten der rechten DVU. Wie sind Sie mit diesem Nachbarn umgegangen?

Wolfgang Kubicki: Wir alle haben ein distanziertes Verhältnis mit der DVU gepflegt.

Was heißt das genau: Hat man mal einen Kugelschreiber rübergereicht? Oder gar keinen Kontakt gehabt?

Wir haben sie ignoriert, wie man Menschen überhaupt nur ignorieren kann.

Bild: Maja Hitij/dpa
Im Interview: Wolfgang Kubicki

64, ist Rechtsanwalt und Vorsitzender der FDP-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag. Er ist seit 1992 Landtagsabgeordneter, hatte schon diverse Parteifunktionen inne und ist seit 2013 stellvertretender Bundesvorsitzender.

Bei der Landtagswahl im Mai 2017 könnte mit der AfD eine rechtspopulistische Partei einziehen. Kann das Kieler Parlament von Erfahrungen aus der DVU-Zeit profitieren?

Dazu zwei Bemerkungen: Ich habe Probleme damit, die AfD als rechtsradikal zu bezeichnen. Und – hier kommt jetzt ein Punkt, in dem SPD-Fraktionschef Ralf Stegner und ich uns mal einig sind – wir wollen die AfD in Schleswig-Holstein so klein wie möglich halten. Wir werden deutlich machen, dass dies Leute sind, die im Parlament unseres Landes nichts zu suchen haben.

Wo sehen Sie Unterschiede zwischen der AfD und noch rechteren Parteien? Wo in dem Feld steht die Landes-AfD?

Keine Ahnung, ich hatte bisher keinen Anlass, mich mit denen zu beschäftigen. Generell sehe ich die AfD als unseren größten Antipoden im Spektrum. Fremdenfeindlich, europafeindlich, also das genaue Gegenteil von liberal. Heutzutage meint ja jeder, er könne den Begriff „liberal“ benutzen. Demnach wäre auch Seehofer ein Liberaler. Aber damit ist er lange noch kein Freier Demokrat.

Von der CSU kurz zurück zur DVU. Das Parlament hat damals ziemlich getrickst. So leitet seither in Schleswig-Holstein nicht der älteste, sondern der dienstälteste Abgeordnete die erste Sitzung.

Mit der Geschäftsordnung wird nicht getrickst, sondern die Mehrheit des Parlaments bestimmt die Regeln.

Aber das Ziel war klar: eine DVU-Abgeordnete als Alterspräsidentin zu verhindern.

Präzise gesagt, eine 84-Jährige daran zu hindern, einen wirren Text des DVU-Vorsitzenden und Herausgebers der National-Zeitung, Gerhard Frey, zu verlesen. Dieses Recht hat ein Parlament. Und für mich persönlich hatte es die Konsequenz, dass ich 2012 Alterspräsident geworden bin.

Sind solche Kniffe heute noch denkbar? Oder wäre das Wasser auf die Mühlen: Schaut an, die Alt-Parteien und ihre Hinterzimmer-Methoden?

Wir haben uns sehr transparent für ein Verfahren entschieden, das als „schleswig-holsteinischer Weg“ von anderen Parlamenten übernommen wurde. Die DVU stellte zahlreiche Anträge, die meist per Fax aus der Parteizentrale kamen – da stimmte nicht einmal das Bundesland. Wir haben diese Anträge nach dem Motto „Einer für alle“ beantwortet, also ein Abgeordneter für alle Fraktionen. Wir wollten die DVU nicht durch vier oder fünf Reden aufwerten. Gleichzeitig hat das Parlament dokumentiert: Wir weichen nicht.

Wäre das ein Weg für den Umgang mit der AfD?

Das würde ich empfehlen. Rechtspopulistischen Tönen muss deutlich widersprochen werden, ansonsten stellen wir uns Debatten. Denn auch wenn diese Parteien behaupten, den Bürgerwillen zu vertreten: In einer Demokratie bilden zehn Prozent noch lange keine Mehrheit. Wer überall Verschwörungen wittert, endlos skandalisiert und damit die Arbeit der Parlamente behindert, der handelt gegen den Bürgerwillen.

Aber genau da liegt doch das Problem: Die etablierten Parteien schaffen es nicht, diese Botschaft zu vermitteln. Warum?

Wir tagen öffentlich, alles wird per Livestream übertragen. Man kann von Menschen erwarten, dass sie sich informieren. Von uns zu fordern, dass wir Hausbesuche machen und einzelne Sachfragen erklären, wäre ein bisschen albern.

Aber erleben wir nicht, dass sich Gruppen in ihre Social-Media-Nischen zurückziehen und die Debatte verweigern?

Das behaupten Politikwissenschaftler und Journalisten, aber die liegen manchmal auch daneben. Messbar feststellen lässt sich, dass die Wahlbeteiligung wieder zunimmt.

Aber doch nur deshalb, weil jetzt Leute AfD wählen, um den anderen Parteien einen Denkzettel zu erteilen.

Das ist der Preis der Demokratie. Wenn wir anfangen, zwischen guten Wählern und schlechten Wählern zu unterscheiden, könnten wir uns das Ganze sparen. Die AfD erreicht Menschen, die sich aus dem Prozess verabschiedet hatten und die jetzt wieder wählen gehen – das ist das einzig Gute, das sich über diese Partei sagen lässt. Es gibt in jeder Gesellschaft einen Anteil von 20 Prozent von Menschen, die die Demokratie ablehnen, die den Kaiser wiederhaben wollen und so weiter. Aber wenn diese Gruppe sich jetzt mehr zu Wort meldet, dann weckt das andere, die ein bisschen demokratiemüde geworden sind. Wenn es um etwas geht, begreifen die 80 Prozent, welchen Wert dieses Land, freie Medien und kritische Debatten darstellen. Wenn also mehr Unterstützer der Freien Demokraten, Grünen, SPD, CDU zur Wahl gehen, will ich mich über ein paar Stimmen für die AfD nicht beschweren.

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