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Schwere Strafe für CourageRassismus-Eklat entscheidet Abstieg

Der FC Teutonia wirft dem Bremer SV rassistische Beleidigung vor und verlässt den Platz. Der Verband wertet das Regionalligaspiel gegen die Hamburger.

Nicht erst seit Samstag engagiert gegen Rassismus: Kapitän Coffie (rechts) und Ex-Trainer Bergner Foto: Michael Schwartz/dpa

Hamburg taz | Nach dem Abbruch des Fußball-Regionalligaspiels zwischen dem Bremer SV und dem FC Teutonia 05 Ottensen am Samstag hat der Norddeutsche Fußballverband (NFV) zugunsten der Gastgeber entschieden: Das Spiel wird mit 5:0 als Heimsieg für die Bremer gewertet – obwohl ein Rassismusvorwurf gegen einen Bremer Spieler zum Spielabbruch geführt hat. Das Team aus Hamburg reagiert entsetzt.

Kurz vor Ende der ersten Halbzeit wird am Samstag das letzte Saisonspiel der Fußball-Regionalliga Nord unterbrochen, beim Stand von 1:2 für die Hamburger Gäste: Marcus Coffie, Kapitän des FC Teutonia, wirft seinem Bremer Gegenspieler Nikky Goguadze vor, ihn mit dem N-Wort rassistisch beleidigt zu haben. Dieser versichert, dass es sich um ein Missverständnis handele, so sein Verein später. Minutenlang steht das Spiel still, bis das Team aus Hamburg schließlich geschlossen das Feld verlässt.

Nach Abbruch des Spiels war zunächst unklar, wie das Spiel gewertet werden soll. Nun hat der NFV entschieden, das Spiel als Heimsieg für die Bremer zu werten: Weder der Schiedsrichter noch seine Assistenten hätten die vorgeworfene Beleidigung gehört und auch Videomaterial und Stellungnahmen der Vereine hätten die Situation nicht abschließend klären können.

Auf dieser Grundlage werde der beschuldigte Spieler nicht bestraft und das Spiel zugunsten des Bremer SV gewertet. Allgemein verurteile der Verband Rassismus und Diskriminierung „auf das Schärfste“ – aber das Spiel sei nicht vom Schiedsrichter, sondern „eigenmächtig“ vom FC Teutonia abgebrochen worden. Im Urteil heißt es wörtlich: „Vorliegend stellt sich jedoch die Frage, ob ein solcher Vorwurf es rechtfertigt, ein Spiel abzubrechen oder dieses nicht fortzusetzen.“

Plötzlich Chance auf Klassenerhalt

Für den FC Teutonia sei die Entscheidung des NFV ein „Schlag ins Gesicht“, heißt es in einer Stellungnahme des Vereins: Das Team solidarisiert sich mit Kapitän Coffie und kritisiert scharf, dass das Urteil und dessen Begründung Rassismus verharmlose und toleriere.

Der FC Teutonia habe keinerlei sportliche Motive für den Abbruch des Spieles gehabt, denn Tabellenplatz vier habe unabhängig vom Spielergebnis festgestanden. Das Spiel wäre ihnen als Vorbereitung für das Hamburger Pokalfinale am kommenden Samstag hingegen recht gewesen.

Anders der Bremer SV: Nur durch den Sieg am grünen Tisch haben die Bremer noch eine Chance auf den Klassenerhalt – durch zwei Relegationsspiele gegen den zweiten der Oberliga Niedersachsen, die USI Lupo Martini Wolfsburg. Die zweite Mannschaft von Werder Bremen dagegen ist durch die Entscheidung abgestiegen.

Die Entscheidung, den Platz als Team zu verlassen, sei eine „Konfrontation derjenigen Probleme, die sich schlicht nicht auf einem Sportplatz lösen lassen“, teilt der FC Teutonia auf seiner Website mit. Wenn Rassismus kein Grund sei, ein Spiel abzubrechen, fragt Teutonias Pressesprecher Deniz Ercin, „was wäre dann ein Grund?“

Vorliegend stellt sich jedoch die Frage, ob ein solcher Vorwurf es rechtfertigt, ein Spiel abzubrechen oder dieses nicht fortzusetzen

Der Norddeutsche Fußballverband in seinem Urteil

Auch Teutonias Kapitän Marcus Coffie, der dem Bremer Spieler die rassistische Beleidigung vorwirft, hat sich inzwischen zu dem Vorfall geäußert. Das Urteil zeige auf, so der Spieler, „dass wir ein riesengroßes Problem in unserer Gesellschaft haben“. Nach zahllosen Kampagnen gegen Rassismus im Fußball, müssen auch im konkreten Fall Grenzen aufgezeigt werden. „Es reicht mit den leeren Worten.“

Die einzigen, die im Zusammenhang mit dem Spiel am Samstag ein Zeichen gesetzt hätten, seien sein Team und er gewesen. Die sportliche Bedeutung des Spiels für den Bremer SV sei ihm bewusst, aber er betont: „Es gibt wichtigeres im Leben – und zwar das Leben selbst.“ Den Spielabbruch, verortet er damit in einem größeren Kampf gegen Rassismus.

Der Bremer SV hat sich hingegen nur in zwei kurzen Stellungnahmen geäußert. Darin heißt es, Der Bremer SV, „der sich für Vielfalt und Toleranz aktiv einsetzt“, habe sich unverzüglich nach dem Spiel mit dem Fall auseinandergesetzt. Dabei habe der betreffende Spieler „glaubhaft versichert, dass er niemanden rassistisch beleidigt hat“.

Der Verein gebe Rassismus keinen Raum und nehme seine Aufgabe ernst, aktiv gegen diesen vorzugehen. Wie dieser aktive Einsatz aussieht und inwiefern der Vorfall weiter aufgearbeitet werden soll, wird nicht weiter ausgeführt.

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5 Kommentare

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  • Sehr gutes Statement der BSV-Fangruppe Antifa Panzenberg dazu:



    twitter.com/afa_pz...663824590601175041

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Über einen Spielabbruch entscheidet der Schiedsrichter. Aus welcher Regel ergibt sich, dass dies eine Mannschaft darf und wenn ja, ab welchem Schweregrad der Beleidigung?

    • @47351 (Profil gelöscht):

      "Fussball bleibt Fussball und Politik bleibt Politik!" Jaja...

      Vielleicht passen so manche Regeln (egal in welcher Sphäre) und gesellschaftliche Zustände/Missstände auch einfach nicht richtig zusammen.

      An diesem Festkrallen am (Fußball-)Formaljuristischen zeigt sich für mich etwas, das ich nur extrem selten sage. Weil ich den Vorwurf meistens für plump und dümmlich halte. Hier ist es aber schlicht so: Verbandsfußball und sein Regelwerk ist was für alte, weiße Männer, die sich nie Gedanken um Themen wie Rassismus machen mussten.

  • (Teil2)



    Fünftens: dass nun der Werder U23 die Chance auf die Relegation und damit den Klassenerhalt genommen wurde, "am grünen Tisch" und nicht aufgrund eines sportlichen Ergebnis, ist einfach richtig mies und tut umso mehr weh, als dies nun das direkte Resultat einer rassistischen Äußerung gewesen sein könnte. Richtig verrückt, wenn man drüber nachdenkt.

    Sechstens: egal was der BSV nun tut oder erreicht in der nächsten Zeit: über allem wird die Ungewissheit schweben, ob hier nicht eine rassistische Verhaltensweise einer Einzelperson und eine unsensible und halbherzige Umgehensweise seitens des Vereins letztlich nicht nur nicht sanktioniert, sondern vielleicht sogar belohnt worden ist. Ich persönlich weiß nicht, ob ich mich in nächster Zeit dazu durchringen werde können, das Team zu supporten.

    Siebtens: auch für den Rest des Teams, dem ja niemand für irgendwas einen Vorwurf macht, ist das natürlich totaler Mist, denn die dürfen die Suppe jetzt mit auslöffeln.

    Achtens: wenn der Verein nicht schnell einen anderen Umgang, einen vernünftigen Weg der Aufarbeitung findet, wird es in der aktiven Fanszene bestimmt auch mächtig brodeln und (Ab-)Spaltungspotential erzeugen.

    Und neuntens: und vor allem tut es mir natürlich für Marcus Coffie leid, dass er sich so einen Dreck hat anhören müssen. Großen Respekt für seine gleichermaßen unaufgeregte wie kämpferische Haltung, die er in seinem persönlichen Statement nach dem NFV-Urteil zum Besten gegeben hat!

  • (Teil1)



    Als BSV-Fan gesprochen: ganz bittere Kiste.

    Dass das Sportgericht des NFV so entschieden hat, ist zunächst keine allzu große Überraschung. Wenn es denn stimmen sollte, dass es keine weiteren Zeugen als das Opfer Marcus Coffie gibt, kann "formaljuristisch" wohl nicht anders entschieden werden.



    Hier ist aber schon der erste Punkt, den es dringend aufzuklären gilt: laut dem sehr guten Statement von Teutonia ("Ein Schlag ins Gesicht") auf deren Homepage, habe es nämlich sehr wohl mehrere Zeug*innen gegeben. Es wird aber nur vage angedeutet, dass aus nicht benannten Gründen deren Aussagen nicht gehört worden wären. Ich kann mir nur vorstellen, dass auch dies mit dem enorm engen Zeitplan wegen der schon lange im Voraus terminierten Relegationsspiele zu tun hat. Das aber wiederum wäre ein Skandal, falls hier statt unbedingt notwendiger Aufklärung der Liga-Zeitplan durchgeboxt werden soll.

    Zweitens: volle Unterstützung für die Position von Teutonia und Marcus Coffie, dass in so einem Fall ein einseitiger Spielabbruch legitim sein muss. Die Kritik von Ralf Voigt (BSV Sportdirektor) und dem Präsidenten des NFV dahingehend finde ich unmöglich.

    Drittens: mehrere hemdsärmelig-unsensibel-ungeschickte Aussagen seitens des BSV, dass der betreffende BSV-Spieler ja bestimmt keine rassistischen Äußerungen tätigen würde, weil er ja selbst eine Migrationsgeschichte habe, dass man ihn ja schon seit 5 Jahren kenne, und dass er ja schließlich privat befreundet mit Schwarzen Menschen sei und mit solchen in einem Team spiele, und daher ganz bestimmt ja auch kein Rassist sei(n könne), zeigen, dass Teile des Vereins das Problem noch nicht so richtig geblickt haben.

    Viertens: dass stattdessen lieber durch die "Fußball-Brille" geguckt wird, mag als Eigenlogik eines Fußballvereins nachvollziehbar sein. Passt aber nicht zu den selbsterklärten Werten des Vereins und auch nicht zu den Werten der weitesten Teile der aktiven Fanszene. Die da wohl deutlicher kritischer ist als der Verein.