Schwere Erdbeben in Südostasien: Mehr als 1.600 Tote in Myanmar bestätigt
Im vom Bürgerkrieg geplagten Myanmar ist die Lage unübersichtlich. Experten fürchten, dass die Opferzahlen noch stark steigen werden. In Bangkok bangt man um verschüttete Arbeiter unter Hochhaustrümmern.
Am Freitag hatte die Erde in Südostasien heftig gebebt und schwere Zerstörungen angerichtet. Das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam und die US-Erdbebenwarte (USGS) geben die Stärke mittlerweile mit 7,7 an. Zudem registrierten beide Institute ein paar Minuten später etwas südlich ein weiteres starkes Erbeben – GFZ und USGS meldeten hier eine Stärke von 6,5 beziehungsweise 6,7. Es gab zahlreiche weitere Nachbeben.
Das Epizentrum des stärksten Bebens lag 16 Kilometer nordwestlich der myanmarischen Stadt Sagaing in geringer Tiefe. Sagaing befindet sich nicht weit von der 1,7-Millionen-Einwohner-Metropole Mandalay entfernt. Die Erschütterungen waren auch in China, Kambodscha, Bangladesch und Indien zu spüren. Wenige Minuten später folgte ein weiteres schweres Beben.
Das Rote Kreuz in Myanmar sprach von verheerenden Schäden. So werden nach dem teilweisen Einsturz eines zwölfstöckigen Wohnblocks Sky Villa Condominium in Mandalay unter den Trümmern mehr als 90 Verschüttete befürchtet. 30 Stunden nach dem Erdbeben gelang es den Rettungskräften am Samstagabend, eine Frau lebendig aus den Trümmern zu bergen.
Es bestehe zudem große Sorge, dass Dämme am Fluss Irrawaddy brechen könnten. Im Bundesstaat Shan stürzte Berichten zufolge ein Krankenhaus ein. Ein Mitglied der Rettungsmannschaften sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Militär unterbreche vielerorts oft die Internetverbindung wegen der dort andauernden Konflikte.
Besorgniserregende Schätzung
Damit bleibt die Lage in Myanmar zusätzlich unübersichtlich. Seit einem Militärputsch im Februar 2021 versinkt das frühere Birma ohnehin schon in Gewalt und Chaos, verschiedene Rebellengruppen kämpfen teils erfolgreich gegen die Armee. Aus dem Land dringen nur wenige Informationen nach außen. Die Militärjunta informiert über bestätigte Todesfälle. Offiziell gelten weitere 30 Menschen als vermisst. Detailliertere Listen würden noch erarbeitet, hieß es.
Laut einer Schätzung der US-Erdbebenwarte könnte die Opferzahl in die Tausende gehen. Das Institut befürchtet, dass in Myanmar und den anderen betroffenen Regionen insgesamt mehr als 10.000 Menschen ums Leben gekommen sein könnten.
Die Europäische Kommission teilte am Freitagabend mit, den Copernicus-Satellitendienst zu aktivieren, um die Folgen des Erdbebens besser beurteilten zu können.
Hilfe von einem der wenigen Verbündeten
Aus der chinesischen Provinz Yunnan wurden ebenfalls Verletzte und Schäden an Gebäuden gemeldet. Die Volksrepublik, einer der wenigen Verbündeten Myanmars, schickte nach Angaben staatlicher Medien ein kleines Team des Katastrophenschutzes mit Spezialgeräten über die Grenze nach Myanmar.
Zudem sagte das chinesische Außenamt weitere Hilfe und umgerechnet etwa 12,7 Millionen Euro Unterstützungsgelder zu. Staats- und Parteichef Xi Jinping sprach Militär-Junta-Chef Min Aung Hlaing sein Mitgefühl aus.
Auch Südkorea stellt Myanmar humanitäre Hilfe im Umfang von mehr als 1,8 Millionen Euro zur Verfügung. Die Hilfe werde über internationale Organisationen vermittelt, erklärte das Außenministerium in Seoul. Man werde die Lage aufmerksam beobachten und bei Bedarf weitere Unterstützung in Erwägung ziehen.
Am Samstag landete ein indisches Flugzeug mit einem Rettungsteam, einem Ärzteteam und Hilfsgütern in Myanmar, wie die Regierung in Neu Delhi mitteilte. Vier weitere Flugzeuge und zwei Schiffe mit Hilfslieferungen seien bereits auf dem Weg.
Lebenszeichen von 15 Eingeschlossenen
In Thailand wurden bislang drei Todesfälle offiziell bestätigt. Medienberichten zufolge sollen inzwischen allerdings bis zu zehn Tote geborgen worden sein. Hinzu kommen demnach allein 101 Vermisste in der Millionenstadt Bangkok.
Allein der Einsturz eines im Bau befindlichen Hochhauses in Bangkok forderte neun Todesopfer. Der Verbleib von 78 Menschen sei weiterhin ungeklärt, erklärten die Behörden. Die Rettungskräfte hätten aber Berichten zufolge Lebenszeichen unter den Trümmern festgestellt. Rund 15 Eingeschlossene sollen sich in Gruppen zu je drei bis sieben Leuten unter dem Berg aus Stahl und Beton befinden.
Die Rettungsteams versuchten Wasser und Lebensmittel zu den Menschen zu schaffen, zitierte der thailändische Rundfunksender Thai PBS den Direktor des Katastrophenschutzes, Suriyachai Rawiwan. Das Problem sei allerdings, dass manche in einigen Metern Tiefe eingeschlossen seien. „Wir haben etwa 72 Stunden Zeit, um ihnen zu helfen, denn das ist der ungefähre Zeitraum, in dem ein Mensch ohne Wasser und Nahrung überleben kann“, sagte er demnach.
Berichten zufolge blieb die genaue Zahl der unter den Trümmern begrabenen Opfer unklar. Vor dem Unglücksort warteten Menschen auf Neuigkeiten zu ihren Angehörigen. Die Polizei rief dazu auf, den Unglücksort zu meiden, um die Rettungsarbeiten mit schwerem Gerät nicht zu behindern.
Das im Bau befindliche 30-stöckige Hochhaus war am Freitag nach dem schweren Erdbeben in Südostasien in sich zusammengestürzt. Videos zeigten Menschen, die in Panik vor einer aufwirbelnden Staubwolke von der Baustelle flüchteten.
Weitere Nachbeben
Es besteht die Gefahr weiterer Erdstöße. Die thailändische Wetterbehörde verzeichnete einen Tag nach dem schweren Beben weitere Erschütterungen. Von den 77 gemessenen Erdstößen, die sich hauptsächlich auf dem Gebiet des im Norden angrenzenden Myanmars ereigneten, waren allerdings die meisten deutlich schwächer und mitunter kaum zu spüren, wie es hieß.
Derweil kehrte wieder etwas Alltag in die thailändische Hauptstadt zurück. Im öffentlichen Nahverkehr nahmen einige U-Bahnlinien wieder den Betrieb auf. Andere wurden noch weiter auf Schäden überprüft. Die Regierung will außerdem Gebäude großflächig auf Schäden kontrollieren lassen.
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