Schwerbehinderten-Vertretung in Bremen: „Es geht um Empathie“

Derzeit werden neue Vertreter*innen für Mitarbeiter*innen mit Schwerbehinderung gewählt. Sie sollen mehr Inklusion in Betrieben durchsetzen.

Ein junger Mann mit Mütze fährt im Rollstuhl durch ein Büro

1.700 Bremer*innen können ihre Vertreter*innen wählen Foto: imago/Westend61

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Rund 1.700 Bremer*innen sind seit Anfang Oktober zur Wahl der Schwerbehindertenvertretung der Behörden und Betriebe aufgefordert. Zwei Monate lang, noch bis Ende November also, gibt es die Möglichkeit eine Stimme abzugeben. Es gilt, das Amt der ‚Vertrauensperson schwerbehinderter Menschen‘ zu besetzen. „Wahlberechtigt sind alle Mitarbeitenden, die eine Schwerbehinderung haben oder dem Status der Schwerbehinderung gleichgestellt sind“ erzählt Marco Bockhold, Vertrauensperson in der Gesamtschwerbehindertenvertretung des Landes Bremen. Eine Gleichstellung bedeute in diesem Zusammenhang, dass eine Behinderung des sogenannten 30. oder 40. Grades nachgewiesen werden müsse. Ab dem, 50. Grad gilt eine Behinderung als Schwerbehinderung.

„Mit der Gleichstellung ist für die Betreffenden Mitarbeitenden ein gleichwertiger arbeitsrechtlicher Schutz gewährleistet“ so Bockhold weiter. Die Vertrauensperson sei deshalb auch für die Vertretung dieser Rechte zuständig. Allein im öffentlichen Dienst haben in diesem Jahr 40 Dienststellen die Möglichkeit, zu wählen. „Etwa genauso viele haben keine Eigenständige Schwerbehindertenvertretung. Hier übernehmen wir als Gesamtschwerbehindertenvertretung diese Arbeit.“ Hinzu kommen die Betriebe der freien Wirtschaft, aber auch soziale Träger*innen und Kirchen. Die Wahl findet in Betrieben statt, die mehr als fünf Schwerbehinderte und Gleichgestellte beschäftigen. Einer der zahlreichen Bremer Betriebe, der derzeit seine Neuwahlen durchführt, ist Radio Bremen. Dagmar Schwärmer vertritt hier die Schwerbehinderten – und hat während der Wahl alle Hände voll zu tun.

„Während wir die Wahl organisieren gibt es natürlich noch das Tagesgeschäft einer Schwerbehindertenvertretung.“ Dazu gehört es, Anträge fürs Arbeitsamt zu schreiben oder Beratungsgespräche zu behintertengerechten Arbeitsplätzen oder Rehamaßnahmen zu führen. „Viele Menschen wünschen sich eine ansprechbare Vertrauensperson für ihre persönlichen Anliegen.“ erzählt Schwärmer. Außerdem arbeite sie auch in den Betrieb hinein. „Ich versuche, eine breite Aufmerksamkeit für das Thema zu generieren, Sensibilität zu schaffen.“ Gerne betone sie deshalb Dinge immer und immer wieder, damit sie nicht nur akzeptiert, sondern in den Alltag der Menschen übergehen und in ihren Entscheidungen von Beginn an mitgedacht würden.

Bei der Fülle der Aufgaben, die allein durch ehrenamtliche Arbeit bewältigt werden, braucht es für Bockhold vor allem eines: „Engagement. Es braucht Menschen, die sich voll für die Sache einsetzen.“ Die Beteiligung an Bewerbungsverfahren, Unterstützung bei Arbeitsplatzproblemen, Vermittlung von Hilfs- und Anlaufstellen, Überprüfung von Tarifverträgen – die Liste der Verantwortlichkeiten für die Schwerbehindertenvertretung ist lang.

Dass für das Amt der Vertrauensperson jede*r Mitarbeiter*in kandidieren kann, empfindet Bockhold nicht als Problem. „Es geht bei dieser Aufgabe um Empathie. Sich für einen möglicherweise marginalisierten Personenkreis einzusetzen zeigt ja in der Regel schon eine Sensibilität für Bedürfnisse.“ Eine Interessenvertretung sowie Anlaufstelle könne deshalb, so zeige es die Erfahrung in den Betrieben, auch bedenkenlos an Menschen ohne eine Behinderung vergeben werden.

Auch Schwärmer ist an den zwei Tagen, die sie in der Woche von ihrer eigentlichen Arbeit befreit wird, um die Schwerbehindertenvertretung zu administrieren, voll ausgelastet. Das langfristige Ziel, das sie mit ihrer Arbeit als Vertrauensperson verfolgt, ist ein gesellschaftlicher Wandel, hin zu einer Solidargemeinschaft. Damit fange sie in ihrem Betrieb an: „Ich möchte, dass aus Integration Inklusion wird.“

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