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■ Die Pest ist wieder da: 80.000 Schweine werden dieser Tage in Deutschland getötet. Die Sauerei fängt bei der Arbeitsteilung in der industriellen Fleischproduktion an. Jetzt hofft man auf einen neuen ImpfstoffSchweinesystem erschüttert

Die Pest ist wieder da: 80.000 Schweine werden dieser Tage in Deutschland getötet. Die Sauerei fängt bei der Arbeitsteilung in der industriellen Fleischproduktion an. Jetzt hofft man auf einen neuen Impfstoff

Schweinesystem erschüttert

„Mit etwas Glück haben wir die Seuche diesmal von vornherein unter Kontrolle“, versicherte der Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums gestern optimistisch. Und zumindest Glück im Unglück haben die mit der Schweinepest schon erfahrenen Seuchenbekämpfer des Landwirtschaftsministeriums und der Veterinärbehörden in Niedersachsen schon gehabt. Amtlich war gestern mittag, daß die Viehseuche ausgerechnet in der Schweinehochburg Landkreis Vechta ausgebrochen ist. In dem Betrieb in der Gemeinde Lüsche standen 329 Tiere im Stall, die alle bereits getötet wurden. Der Betrieb war mit Ferkeln aus dem mecklenburgischen Losten beliefert worden, und die Tiere hatten bereits Krankheitssymptome gezeigt. Im Ein-Kilometer-Radius um den Infektionsherd in Lüschen stehen in drei Nachbarschaftsbetrieben 1.059 Schweine im Stall, die nun ebenfalls mit der Elektrozange getötet, „gekeult“, werden müssen. „Im Landkreis Vechta hätten es auf der gleichen Fläche auch 50.000 oder 100.000 Tiere sein können“, sagt der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Hannover. Schließlich werden in den beiden Landkreisen Cloppenburg und Vechta jedes Jahr etwa gut vier Millionen Schweine bis zur Schlachtreife gebracht, das sind etwa 40 Prozent der rund elf Millionen niedersächsischen Schweine. 1,6 Millionen Tiere mußten getötet werden, als die Schweinepest dieses Gebiet 1993/94 im Griff hatte.

Diesmal glaubt Niedersachsen noch glimpflich davonzukommen, besser als Mecklenburg-Vorpommern, wo die für den Menschen völlig ungefährliche, aber höchst unappetitliche Schweinekrankheit, bei der sich die Tiere grünlich verfärben, zunächst ausgebrochen war. Die 62.000 Ferkel, die dieser Tage in Losten im größten mecklenburgischen Schweinebetrieb gekeult werden, entsprechen einem Zehntel des gesamten Schweinebestandes des Landes. Tiere aus Losten hatten in den vergangenen zwei Monaten 23 Schweinemäster in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gekauft. Es ist gerade diese Arbeitsteilung, bei der ein Mastschwein in seinem kurzen fünfmonatigen Leben gleich zwei, drei Betriebe durchläuft, die die Ausbreitung der Schweinepest begünstigt. In den 13 niedersächsischen Betrieben, die aus Losten beliefert wurden, stehen 20.000 Tiere unter amtlicher Beoachtung, vorsorglich getötet wurden oder werden weitere 5.000 Tiere. Bundesweit ist nunmehr die Keulung von gut 80.000 Tieren angeordnet worden.

Es mag auch die Drohung der EU mit einer Handelssperre für Schweine aus Deutschland sein, die derzeit den Optimismus im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium fördert. Ein Kabinettsmitglied von EU-Agrarkommissar Franz Fischler hatte am Wochenende mit einer solchen Handelssperre gedroht, falls es in der Bundesrepublik zu weiteren Ausbrüchen der Seuche käme. Am Mittwoch wird der EU-Veterinärausschuß sich mit dem Thema befassen. Ein Exportverbot für Schweinefleisch werde aber zunächst allenfalls die Regionen betreffen, in denen die Seuche bereits ausgebrochen sei, wiegelte gestern in Brüssel ein Sprecher der EU- Kommission wieder ab.

Aber auch ein auf die Schweinehochburg Cloppenburg/Vechta begrenztes Exportverbot würde Niedersachsen hart treffen. So versichert der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums denn, daß man aus den vergangenen Seuchenzügen gelernt habe. „Die damals eingesetzten Krisenstäbe haben wir nicht aufgelöst, sie konnten sofort reaktiviert werden“, sagt Hanns-Dieter Rosinke. Auch die Schweinemäster hätten dazugelernt, würden die Regeln der Seuchenbekämpfung heute beachten und nicht noch schnell Tiere verkaufen, wenn sich erste Krankheitssymptome zeigten.

Die Kritiker der industriellen Massentierhaltung teilen solchen Optimismus keineswegs. Schließlich sind die Konzentrationen von Hunderttausenden von Schweinen im Radius von wenigen Kilometern und vor allem der Transport von Ferkeln von einem Land in das andere die Grundvoraussetzungen für die periodische Seuchenzüge. Immer mal wieder wird in Gebieten mit geringer Schweinedichte, wie dem Landkreis Lüchow-Dannenberg, das Virus von einem Wildschwein auf ein Hausschwein übertragen. Doch das ist für die Veterinäre beinahe Routine. Die Alarmglocken schrillen im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium immer erst, wenn die Seuche in die Hochburgen der industriellen Tierproduktion eingeschleppt wird. Jürgen Voges

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