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Schwedens Nato-BeitrittEin Langzeitprojekt

Anne Diekhoff
Kommentar von Anne Diekhoff

Schweden beendet mit dem Nato-Beitritt seine zwei Jahrhunderte alte Neutralität. Daraus muss sich jetzt ein neues Selbstverständnis entwickeln.

Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson kann den NATO-Beitritt verkünden Foto: Magnus Lejhall/reuters

K önnen wir auch wieder austreten? Mit Zuschauerfragen wie diesen beschäftigt sich am Tag nach der Entscheidung das schwedische Fernsehen. Dabei hatten die Schweden viel Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen: 21 Monate hing der Nato-Beitritt ihres Landes in der Warteschleife, bevor schließlich nach der Türkei nun auch Ungarn die Güte hatte zuzustimmen. Aber den 21 Monaten stehen nun einmal 200 Jahre bewusst gewählter Unabhängigkeit von Bündnissen gegenüber.

Wir machen es auf unsere Art und fahren gut damit: Zwei Jahrhunderte ohne Krieg sowie die angenehme Rolle, international in Konfliktlösungs- und Friedensfragen gefragt zu sein, nährten diese Wahrnehmung. Was bis dahin kein Weltkrieg geschafft hatte, schaffte Russlands Attacke auf die Ukraine: Die alten Gewissheiten hielten der Realität nicht mehr stand. Der entscheidende Paradigmenwechsel bei den im Land lange dominierenden Sozialdemokraten war hart umkämpft – aber er geschah. Das standhafte Nein der Grünen und Linken war am Ende zu klein, um den Wandel zu verhindern. Offenbar im Sinne der Bevölkerung: Im Herbst 2022 waren einer großen Umfrage zufolge 64 Prozent für eine Nato-Mitgliedschaft – 35 Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor.

Den Vollzug kann jetzt die Mitte-rechts-Regierung unter Premierminister Ulf Kristersson melden – seine Partei, die Moderaten, setzte sich schon lange vor ihrem Regierungsantritt 2022 für den Nato-Beitritt ein. Die Regierung ist es auch, die die Bevölkerung seit Monaten auf erhöhtem Alarmierungsniveau hält: Schweden müsse auf alles vorbereitet sein. Wie sehr die Nato-Mitgliedschaft in dem Fall nützen würde, was die Nato von Schweden erwartet, aber auch, wie viele Kalorien ein Erwachsener im Kriegsfall zugeteilt bekommen würde – der öffentlich debattierte Fragenkatalog ist unendlich.

Sich in die veränderte Rolle einzufinden, daraus am Ende ein neues Selbstverständnis zu entwickeln: Das ist ein Langzeitprojekt. Dass die Nato-Frage geklärt ist, macht jetzt den Weg frei zur ersten Orientierung – dazu gehört dann auch die Information, dass man theoretisch auch wieder austreten könnte.

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Anne Diekhoff
Nordeuropa-Korrespondentin
Seit 2022 bei der taz. Zuerst Themenchefin in Berlin, derzeit Korrespondentin mit Sitz ziemlich weit oben in Schweden. Frühere Redaktionen: Neue Osnabrücker Zeitung, Funke Zentralredaktion und watson. Früherer Job im Norden: Sommer 1993, Trolle verkaufen am Fjord. Skandinavistin M.A.
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3 Kommentare

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  • Tja so ist das. Die einen fragen schon mal nach dem Ausgang, während sie noch im (Express-)Eingang stehen. Die anderen warten seit 15 Jahren, und müssen jetzt dafür sterben.

    • @Tanz in den Mai:

      Ist halt die Frage ob die Schwedischen BürgerInnen im Zweifelsfall dann so begeistert dabei sind, für die Interessen anderer Nationen in den Tod zu ziehen.

      Denn nichts anderes bedeutet dieser NATO Beitritt. Und natürlich, dass Wohlstand geopfert werden muss für die notwendigen Beiträge und Aufrüstung, die der Beitritt mit sich bringt.

      Die Schweden haben ein sehr schlechtes Geschäft gemacht und werden das bald erkennen.

      • @TeeTS:

        Es dürfte im Zweifelsfall für die Schweden billiger werden, wenn sie nicht eher alles alleine schultern müssen.