Schwarz-Grüner Gesprächskreis: Pasta-Connection gegen Kartoffelküche
Kaum hat die neue Regierung die Arbeit aufgenommen, werden schon die nächsten Koalitionsoptionen sondiert – bei einem Berliner In-Italiener.
BERLIN taz | Der Andrang war groß im stilvoll-lässigen Nudel-Restaurant „Spaghetti Western“ im Berliner Regierungsbezirk Mitte, über politische Lager hinweg bekannt für gute Rotweine und feine, aber günstige Pasta. Dort traf sich am Mittwochabend erstmals ein schwarz-grüner Gesprächskreis zur Neuauflage der in Bonner Zeiten legendären „Pizza-Connection“. Geladen hatten die beiden Bundestagsabgeordneten Jens Spahn (CDU) und Omnid Nouripour (Grüne).
Etwa 30 Teilnehmer seien gekommen, berichtet der Neuabgeordnete der Grünen, Dieter Janecek. Nach der ersten Vorstellungsrunde habe „sehr viel Wein zur Lockerung beigetragen“. Der bayerische Realo-Grüne ist ohnehin offen für schwarz-grüne Pläne – doch an dem langen Tisch in dem Pasta-Lokal saßen auch erklärte Skeptiker beider Lager, die eigentlich lieber in andere politische Richtungen sondieren.
Eine von ihnen, die rot-rot-grün-affine Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger, äußerte sich nach einer ersten Stipvisite verhalten. Die Atmosphäre sei zwar „nett“ gewesen, aber die Runde sei für sie mitnichten bereits „die Vorbereitung einer schwarz-grünen Koalition“ auf Bundesebene.
In den 90er Jahren galt die „Pizza-Connection“, zu der sich Parlamentarier von Grünen und Union in Bonn beim Edel-Italiener trafen, vor allem in der CSU als etwas Unerhörtes. Fast zwei Jahrzehnte später muss man sich im Berliner Regierungsviertel für schwarz-grünes Networking nicht mehr entschuldigen. Sogar junge CSU-Abgeordnete nahmen die Einladung zu Pasta und Vorurteilsabbau an.
Sie sei „positiv überrascht“ gewesen von der „netten Stimmung“, versichert Katrin Albsteiger am Morgen danach. Auch für die 30-jährige CSU-Politikerin liegen aber inhaltlich „wirklich noch Welten“ zwischen ihrer Partei und den Grünen – selbst wenn der Altersdurchschnitt im „Spaghetti Western“ relativ niedrig gewesen sei.
Schwarz-gelbe Gesprächsrunden
Selbst der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, schaute am Mittwoch kurz vorbei – was wohl nicht alle Grünen spontan goutierten. Denn das CDU-Präsidiumsmitglied werkelt zurzeit selbst an einem politischem Nachwuchsnetzwerk, allerdings mit der FDP.
„Für mich ist Schwarz-Gelb ein besseres Zukunftsmodell als Schwarz-Grün“, sagte Mißfelder den Kieler Nachrichten. Mit seiner Sehnsucht nach der FDP ist Mißfelder dieser Tage in Berlin nicht allein: Just diese Woche überbot der ehemalige FDP-Abgeordnete Otto Fricke ihn mit der Neuigkeit, auch er wolle regelmäßig zu vertraulichen schwarz-gelben Gesprächsrunden laden. Bekennend deftiger Arbeitstitel des Treffens: „Kartoffelküche“. Die Teilnehmer, sagt Fricke, sollten „ein Vertrauensverhältnis“ haben. „Sonst ist so eine Runde nicht produktiv.“
In Zeiten des neuen Berliner Vielfarben-Networkings scheint aber längst vieles denkbar – zum Beispiel auch, dass der „Pizza-Connection“-Neuinitiator Jens Spahn demnächst bei der einen oder anderen schwarz-gelben Runde am Tisch sitzen wird.
Äußern wollte sich der CDU-Abgeordnete dazu nicht. Auf Nachfrage ließ er nur wissen, er habe am Mittwoch einen „entspannten Abend“ mit gutem Essen und guten Gesprächen erlebt. „Wir werden uns auf jeden Fall wieder treffen.“
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