piwik no script img

Schwarz-Grüne SondierungsgesprächeBerlins Grüne müssten nur wollen

Kommentar von Stefan Alberti

Warum macht die Partei ihre Spitzenkandidatin Bettina Jarasch nicht mit einer Jamaika-Koalition zur ersten grünen Ministerpräsidentin in Deutschland?

Nicht nur Giffey (l.) könnte Regierungschefin werden: Mit Jamaica wäre das auch für Jarasch möglich Foto: dpa

S ondierungsgespräche auch zwischen Grünen und CDU? Das kam ein bisschen überraschend. Die Grünen hatten doch ziemlich stark die Deutungshoheit über den Wahlausgang vom 26. September beansprucht: Dass es nämlich demnach in Berlin künftig nur eine Koalition geben könnte, nämlich die bisherige. Bloß die Gewichtung wäre etwas anders – Rot-Grün-Rot statt Rot-Rot-Grün. Eine Deutschlandkoalition, dass hatte Spitzenkandidatin Bettina Jarasch klar gemacht, würde den Wählerwillen nicht wieder geben.

Wie können die Grünen dann selbst mit der Partei sondieren, mit der sie die SPD nicht koalieren lassen mögen? Und sogar, wie nun angekündigt, vier Stunden lang ab Mittwochnachmittag? Kann es sein, dass die Grünen am Ende des Tages nicht nur von hehren inhaltlichen Erwägungen, sondern auch von ganz schnöden Machtoptionen getragen sind? Dass sie mit der CDU sprechen, um SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey zu signalisieren: Wir können auch anders, wir müssen uns nicht in eine Koalition betteln?

Dann ist bloß die Frage, warum das eine reine Drohkulisse bleiben soll. Wieso sollen die Grünen eigentlich bei Rot-Grün-Rot die Juniorpartnerin geben statt in einer Jamaika-Koalition mit CDU und FDP Jarasch zur bundesweit ersten grünen Ministerpräsidentin zu machen? Weitreichende Änderungen in der Verkehrs- und Klimapolitik gibt es mit der SPD genauso wenig wie mit der CDU, das Gleiche gilt für das große Streitthema Enteignung.

Eine grün regierte Bundeshauptstadt – was wäre das für ein Zeichen! In Paris macht die viel gefeierte dortige Bürgermeisterin zwar auch grüne Politik, hat aber ein Parteibuch der Sozialisten. Es wäre aber weit mehr als ein bloßes Symbol. Wer im Roten Rathaus regiert, kann Senatsmitglieder entlassen und hat die sogenannte Richtlinienkompetenz. Die ist zwar nicht näher definiert, kann aber umso mehr neu ausgestaltet werden. Auch mit der FDP ließe sich reden – ihr leider nicht mehr wieder gewählter Abgeordneter Henner Schmidt gehörte in den vergangenen Jahren zu den klügsten Köpfen in Umwelt- und Verkehrsfragen, unverdächtig aller ideologischen Blockaden.

Warum also nur die Nummer 2 im Schatten einer dann alles überstrahlenden Regierenden Bürgermeisterin Giffey? Warum nicht mutig sein, Ideologisches beiseite schieben und die Gelegenheit nutzen? Nur um der Linkspartei zum Weiterregieren zu verhelfen? Jener Partei, deren Landeschefin jüngst so weit ging, jede Koalition außer einer rot-grün-roten mit „Wahlbetrug“ gleichzusetzen? Bettina Jaraschs Partei ist mit dem Anspruch angetreten, das Rote Rathaus grün zu machen. Sie könnte ihn wahr machen, auch wenn sie am Wahlabend nur Zweite geworden ist – sie muss nur wollen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Wenn die Berliner Grünen um jeden Preis das Amt des Regierenden Bürgermeisters hätten haben wollen, hätten sie nicht eine weitgehend unbekannte und wenig überzeugende Kandidatin für dieses Amt aufgestellt.

  • schon mal dran gedacht, das eine falsche und zu inkonsequente haltung gegenüber den neoliberalen populisten und autoritären, den fortschritt unnötig verwässert und sogar gefährdet?



    siehe SPD die letzen 100 jahre!

    Wenn man zu sehr auf die rückständige und opportunistische logik eingeht, bringt das nicht viel! Sogar das gegenteil!



    Man sollte also sehr vorsichtig sein und endlich mal selbst bisschen druck ausüben.



    Denn wenn die FDP oder CDU durch solche taktierungsversuche wieder stimmen gewinnnen, was meinen sie, was wir als nächstes wider in der regierung haben???



    nämlich scharz-gelb und wohlmöglich sogar schwarz-gelb-braun.

    Also bitte etwas mehr progressiv konsequente haltung anstatt faule rückwärtsgewandte kompromisse!



    Das die grünen die spd als auch die linke und die cdu/fdp zu mehr bewegung bringen, ist schon sehr gut.



    Sie machen das mE genau richtig.



    Kein Grund sich den Königstitel mit faulen Bündnissen zu ergattern, was wiederum nur Wähler verprellen würde oder in ihrer trägheit bestätigen würde.

  • An dieser Stelle seien noch mal die möglichen gemeinsamen Projekte, die eine derartige Koalition verwirklichen könnte aufgeführt:

    Ach so es gibt keine, sonst wären sie vermutlich bereits im Artikel genannt worden. Aber immerhin Richtlinienkompetenz und und Hoheit über Personalpolitik. Ein Traum.

    • @syle x:

      Das mit den Projekten ist ja toll. Welches gab es denn so in den letzten 5 Jahren außer den pop-up Radwegen?

      Vielleicht sollte sich die nächste Regierung einmal darauf konzentrieren, den Staat wieder funktionsfähig zu machen. Z.B.:



      - Wartezeiten Verwaltung / Gerichte



      - marode öffentliche Gebäude



      - mieses Bildungssystem in Berlin



      - endlich Baugebiete ausweisen



      - Wahlen organisieren und nicht dem Bund die Schuld geben, weil der Berlin-Marathon "wichtiger" ist als eine Wahl

      Das wäre mal ein Anfang bevor man über irgendwelche Projekte fabuliert.