Schwangerschaftsabbrüche in Texas: Verbotsgesetz gestoppt
Ein Bundesrichter in Austin erlässt eine einstweilige Verfügung. Frauen hätten Anspruch auf Zugang zu Abtreibungen, lautet die Begründung.
„Großartige Nachricht“, jubelte die kalifornische Kongressabgeordnete und Demokratin Barbara Lee. Die Präsidentin von Planned Parenthood, Alexis McGill hofft, dass die texanischen Abtreibungsanbieter nun wieder ihre Arbeit aufnehmen können.
US-Justizminister Merrick Garland, der das Verfahren im September angestrengt hatte, nennt das Urteil „einen Sieg für Frauen in Texas und für die Rechtsstaatlichkeit.“ Garland beschreibt es als wichtigste Aufgabe seines Ministeriums, die Verfassung zu verteidigen: „Wir werden auch weiterhin die verfassungsmäßigen Rechte gegen alle schützen, die versuchen, sie zu untergraben.“
Im Weißen Haus nannte Jen Psaki, Sprecherin von Präsident Joe Biden, die Entscheidung einen „wichtigen Schritt auf dem Weg zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Rechte von Frauen im gesamten Bundesstaat Texas“. Aber sie warnte vor voreiligem Jubel: „Der Kampf hat gerade erst begonnen. Neben Texas greifen auch zahlreiche andere Bundesstaaten die Rechte von Frauen an“.
Anfechtung kaum möglich
In seiner 113 Seiten langen Begründung erklärte Richter Pitman, dass Frauen in Texas „von dem Moment an, als das Gesetz in Kraft trat, unrechtmäßig daran gehindert worden sind, ihr Leben in einer Weise zu kontrollieren, die von der Verfassung geschützt ist“. Besonders beunruhigt zeigte sich der Richter über die Machart des texanischen Gesetzes. Es ist so angelegt, dass Befürworter des Rechts auf Abtreibung das Gesetz kaum anfechten können.
Der Richter, der noch von dem ehemaligen Präsidenten Barack Obama ernannt worden war, erklärte, dass diese absichtsvolle Umgehung von gerichtlicher Überprüfung es umso notwendiger mache, das Gesetz auszusetzen.
Anders als üblich gibt das Gesetz nicht Staatsbeamten die Aufgabe, es umsetzen, sondern es fordert Privatleute dazu auf, Menschen, die beim Zustandekommen von Abtreibungen helfen, zu denunzieren. Mit „Helfern und Unterstützern“, wie das Gesetz sie nennt, können unter anderem Angehörige, Ärzte und Fahrer von ungewollt schwangeren Frauen gemeint sein.
Falls einer von ihnen nach einer Anzeige verurteilt wird, winken den Denunzianten Belohnungen, die bei 10.000 Dollar beginnen. Die „Helfer und Unterstützer“ müssten das Geld aufbringen. Die wenigen Abtreibungskliniken, die bei Inkrafttreten des Gesetzes noch in Texas tätig waren, könnten die hohen Geldstrafen nicht aufbringen.
Ein Etappensieg
Die richterliche Aussetzung des Gesetzes ist ein Etappensieg. Der Bundesstaat Texas, wo die Republikaner Zwei-Drittel-Mehrheiten in beiden Kammern haben, ging am Mittwochabend bereits weniger als einer Stunde nach der Urteilsverkündung in Berufung. Texas' Gouverneur Greg Abbott hat das Gesetz im Mai unterzeichnet. Er weiß die konservative Mehrheit im Obersten Gericht der USA hinter sich.
1973 hatte das Oberste Gericht ein Grundsatzurteil gefällt, das Schwangerschaftsabbrüche so lange zulässt, wie der Fötus allein nicht lebensfähig ist. Aber Ex-Präsident Donald Trump ist es gelungen, drei neue RichterInnen ans Oberste Gericht zu schicken, die sich alle gegen das Recht auf Abtreibung ausgesprochen haben. Angesichts dieser Konstellation haben bereits mehrere andere republikanisch regierte Bundesstaaten angekündigt, dass sie dem texanischen „Vorbild“ folgen wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld