Schwangerschaftsabbrüche in Flensburg: Wenn der Glaube im Weg steht
Ungewollt Schwangere haben im geplanten Fördeklinikum keine sichere Anlaufstelle für Abbrüche. Aktivist:innen und Politiker:innen fordern Lösungen.
In Flensburg schließen sich das evangelische Diako-Krankenhaus und das katholische Malteser-Hospital zusammen. Das neue „Fördeklinikum“ soll die medizinische Versorgung im nördlichen Schleswig-Holstein sichern – nur bei einer Frage bleibt die katholische Seite eisenhart: Ungewollt Schwangere erhalten im neuen Krankenhaus keine Abtreibungen.
Betroffen sind Fälle nach der sogenannten Beratungsregelung sowie Abbrüche nach kriminologischer Indikation, also nach Vergewaltigungen oder Inzest, heißt es in einer Stellungnahme der Stadt Flensburg. Letzteres sei „erst kürzlich bekannt geworden“. Es sei zurzeit unklar, unter welchen Bedingungen überhaupt Schwangerschaftsabbrüche im neuen Fördeklinikum stattfinden könnten.
Problem konfessionelle Trägerschaft
Formal ist die Klinikleitung im Recht: Schwangerschaftsabbrüche gelten als ambulante Behandlung, die in gynäkologischen Praxen stattfinden. Aber viele Frauen wünschen sich, dass der Abbruch in einer Klinik passiert. Allein in diesem Jahr seien es über 50 Fälle in der Flensburger Diako gewesen, sagte die Grünen-Abgeordnete Catharina Nies im Ausschuss.
Auch fachliche Gründe sprechen dafür, so die Sprecherin des Landesverbandes der Frauenärzte, Susanne Bechert: „Viele Praxen sind bereit und haben die Genehmigung für den medikamentösen Abbruch, da ist Schleswig-Holstein sogar in einer vergleichsweise guten Position.“
Doch bei „späten“ Abbrüchen, wenn Frauen noch Bedenkzeit gebraucht haben oder erst nach einigen Wochen merken, dass sie schwanger sind, wirken die Medikamente nicht mehr. Zwar könnten die Eingriffe in der Praxis stattfinden, trotzdem „braucht man manchmal die Möglichkeit für eine OP oder Bluttransfusion“, sagte die Ärztin im Ausschuss. Das Problem sei die konfessionelle Trägerschaft: „Bei einem kommunalen Krankenhaus hätten wir keine Diskussion.“
Sozialfonds geplant
Allerdings stellt sich die Frage, ob die kirchlichen Träger sich tatsächlich weigern dürfen. Denn als 1995 die Stadt ihr kommunales Krankenhaus an die Diakonie übertrug, ließ sie sich vertraglich zusichern, dass dort weiter Abtreibungen vorgenommen werden.
„Dieser Vertrag liegt mir vor“, bestätigte die Abgeordnete Birte Pauls (SPD) am Rande der Tagung. „Ich meine, dass nun juristisch geprüft werden muss, ob diese Regelung weiter eine Auswirkung hat.“ Sie sieht eine generelle Benachteiligung von Frauen: „In den vergangenen Jahren wurde die Hälfte aller gynäkologische Stationen geschlossen, die Wahlmöglichkeiten schwinden immer weiter.“ Gehe es um die Prostata, gebe es eine ganz andere Debatte, ist Pauls überzeugt.
In ihrem Antrag hatten SPD und die Minderheitenpartei SSW gefordert, einen in Flensburg geplanten Sozialfonds zu unterstützen. Daraus sollen Frauen unter anderem Geld erhalten, wenn sie für die Abtreibung in eine andere Stadt fahren müssen. Das reiche nicht, sagte Marlene Langholz-Kaiser vom Flensburger Arbeitskreis „Schwangerschaftsabbrüche“. Es brauche eine sichere Infrastruktur.
Eingeladene kommen nicht
Bei der Anhörung ging es neben der Lage in Flensburg um eine gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs auf Bundesebene. Eingeladen war unter anderem die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf, bekannt geworden durch ihre gescheiterte Kandidatur für das Verfassungsgericht, die allerdings abgesagt hatte.
Ebenfalls abgesagt hatten die Vertreter:innen der beiden christlichen Krankenhäuser. Für die Aktivistin Birte Lohmann ist das keine Überraschung: „Endlich haben wir es schriftlich, dass sie die Öffentlichkeit scheuen wie der Teufel das Weihwasser.“
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