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Schwacher Auftritt der EU in BelémMit schlechtem Beispiel voran

Jonas Waack

Kommentar von

Jonas Waack

Die EU beschwert sich, zu wenig Unterstützung beim Klimaschutz zu haben. Das ist fadenscheinig, wenn sie selbst keinen Ehrgeiz zeigt und knausert.

Indigene AktivistInnen protestieren auf dem UN-Klimagipfel Foto: Andre Penner/AP/dpa

D ie UN-Klimakonferenz hätte nicht enttäuschend enden müssen. Es war zum Greifen nah, genug Schwung hinter Pläne für den fossilen Ausstieg und einen Entwaldungsstopp zu bringen: Dem gut informierten Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch zufolge waren es Singapur und Senegal, die sich in ihren wichtigen Länderallianzen querstellten und der Initiative den Wind aus den Segeln nahmen.

Belém hätte ein historischer Gipfel werden können – wenn die EU nicht unglaubwürdig und ohne Geld im Gepäck angereist wäre.

Zum Abschluss beschwerte sich Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) über die mangelnde Unterstützung. „Ich hätte erwartet, dass von den am meisten vom Klimawandel betroffenen Staaten eine lautere Stimme zu hören ist“, sagte er.

EU war schon vor der Konferenz unglaubwürdig

Aber dass der EU die Sympathien nicht zufliegen, sollte niemanden überraschen. Sie hatte sich schon im Vorfeld des Gipfels als Klima-Vorreiter unglaubwürdig gemacht, weil das Klimaziel des Blocks viel zu spät verabschiedet und darüber hinaus mit geschwächten Klimaschutz-Maßnahmen erkauft wurde.

Schlimmer aber war etwas Anderes: Die EU konnte in Belém die Erzählung nicht entkräften, nur Ehrgeiz zu fordern, um die eigenen Geldversprechen herunterverhandeln zu können.

Die verwundbarsten Länder sind mit dem Ziel auf den Gipfel gekommen, von den Industriestaaten bis 2030 jährlich 120 Milliarden US-Dollar für Anpassung zu bekommen. Die meisten Entwicklungsländer haben kaum zum Klimawandel beigetragen, aber werden immer härter getroffen. Jamaika hat seit Beginn der Industrialisierung 0,03 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen ausgestoßen. Hurrikan Melissa, der von der Erderhitzung angefeuert wurde, richtete allein dort Schäden an, die etwa der Hälfte des jährlichen Bruttoinlandsproduktes des Landes entsprechen.

Von den geforderten 120 Milliarden US-Dollar wollten die EU-Staaten aber nichts wissen – sie kürzen gerade fröhlich auf Druck von rechts ihre Entwicklungsetats, um stattdessen in Waffen und Konzernprofite zu investieren. Die zynische Erzählung, Klimaschutz-Ambition als Faustpfand zu verwenden, muss dann gar nicht stimmen, um zu verfangen.

Die EU und Schneider sollten sich nicht über mangelnde Unterstützung wundern, wenn sie mit leeren Taschen und geschwächten Klimaschutz-Maßnahmen in die Verhandlungen gehen.

Schneider kann Erfolge vorweisen

Schneider selbst hat sich in Belém aber gut geschlagen. Friedrich Merz' diplomatisches Herumgestümpere hat er bei jeder Gelegenheit mit Komplimenten und Bewunderung für die Stadt und ihre Be­woh­ne­r*in­nen wettzumachen. Er hat sich mit starken Worten – „wir müssen uns von den Fossilen befreien“ – hinter die Ausstiegsbewegung gestellt, ohne sich statt den Ländern des Globalen Südens in den Vordergrund zu stellen. Den Beschluss, einen Mechanismus für eine gerechte Energiewende zu schaffen, hat er mitverhandelt – Um­welt­schüt­ze­r*in­nen gilt er als der vielleicht größte Erfolg der Konferenz.

Nur ist diese positive Bilanz wenig wert, wenn Schneider zu Hause weiter ohnmächtig gegenüber der ideologisch-fossilen Agenda von Energieministerin Katherina Reiche auftritt. Klimaschutz wird längst nicht mehr auf Gipfeln, sondern zu Hause gemacht.

Schneider und die EU können von der Konferenz lernen, dass es zahlreiche Verbündete auf dem Weg in Richtung einer klimaneutralen Wirtschaft gibt: die lateinamerikanischen Staaten, die angeführt von Kolumbien in Belém unheimliches Rückgrat gezeigt haben, aber auch kleine Inselstaaten und viele afrikanische Länder. Ihre Regierungen haben längst erkannt, dass im 21. Jahrhundert Erneuerbare Energien Wohlstand, Sicherheit und Freiheit bringen.

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Jonas Waack
Klima-Redakteur
Jahrgang 1999, zuständig für Klima-Themen im Ressort Wirtschaft und Umwelt. Stadtkind aus Mecklenburg, möchte auch sonst Widersprüche vereinbaren. Bittet um Warnung per Mail, falls er zu sehr wie ein Hippie klingt.
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