Schutz von Sinti und Roma: Neue Regierung verzichtet auf Antiziganismus-Beauftragten
Das Familienministerium besetzt die vakante Stelle des Antiziganismus-Beauftragten nicht nach. Ex-Amtsinhaber Daimagüler spricht von einem „Schlag ins Gesicht“.

Die Geschäftsführerin der Sinti-Union Schleswig-Holstein, Kelly Laubinger, sprach gegenüber der taz von einem „politischen Skandal“ und einem „Offenbarungseid“ der neuen Bundesregierung. „Diese bewussten Entscheidungen zeugen vom fehlendem historischen Bewusstsein und fortlaufender Ignoranz gegenüber Sinti und Roma.“
Zwar gab es schon Sorge um das Amt, seit die schwarz-rote Koalition angekündigt hatte, die Zahl der Regierungsbeauftragten um die Hälfte zu streichen. Doch auf einer ersten Abschussliste war der Antiziganismusbeauftragte nicht aufgelistet. Sinti-und-Roma-Verbände atmeten zunächst auf. Jetzt aber nutzt das Familienministerium offenbar aus, dass der bisherige Amtsinhaber Daimagüler aus persönlichen Gründen zurückgetreten war, indem es die Stelle einfach auslaufen lässt. Das Thema werde im Ministerium dennoch weiter verankert bleiben, sagte eine Sprecherin.
Mindestens symbolisch ist die Quasiabschaffung eine deutliche Herabstufung des Themas. Antiziganismus ist in Deutschland weit verbreitet, gerade auch in Behörden und der Polizei. Wo andere offene Formen des Rassismus und Antisemitismus weitgehend tabuisiert sind, bleibt expliziter Hass auf Sinti und Roma oft ohne Konsequenzen. Sinti und Roma wurden während des Nationalsozialismus gezielt ermordet, insgesamt wurden europaweit rund 500.000 von den Deutschen und ihren Kollaborateuren umgebracht. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs blieben viele Täter in ihren Positionen.
25 Beauftragte gestrichen
Am Mittwoch hat die Bundesregierung eine Reihe von Beauftragten für andere Themen ernannt. Gleichzeitig teilte sie mit, dass 25 von vormals 43 Stellen von Beauftragten des Bunds wegfallen. Das im Koalitionsvertrag versprochene Ziel einer Halbierung der Stellen werde „übererfüllt“, sagte ein Sprecher nach der Kabinettssitzung. Welche Posten genau noch alle gestrichen wurden, blieb am Mittwoch allerdings offen. Ein Sprecher des neuen Ministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung, das die Liste künftig führen wird, sagte, sie werde in den nächsten Tagen veröffentlicht.
Schon länger klar sind unter anderem die Streichung der Botschafterin für feministische Außenpolitik, der Sonderbeauftragten für internationale Klimapolitik und des Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen. Eine Nachfolge gibt es aber für den Queer-Beauftragten Sven Lehmann. Das Amt heißt künftig „Beauftragte für Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“ und wird von Sophie Koch (SPD) ausgefüllt, die seit 2024 Landtagsabgeordnete in Dresden ist und sich in dem Bundesland für das Thema engagierte.
Erhalten bleiben in der neuen Bundesregierung unter anderem auch der Ostbeauftragte, die Integrationsbeauftragte, der Beauftragte für Kultur und Medien und der Aussiedlerbeauftragte.
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