Schutz reicht nicht aus: Gefährdete Zwischenlager für Atommüll
Die Physikern Oda Becker legt ein Gutachten zur Gefährdung der Atommüllzwischenlager durch Unfälle oder Attacken vor. Ein Risiko: Angriffe.

In Deutschland gibt es insgesamt 16 Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle. Die Genehmigungen sind auf 40 Jahre befristet und enden zwischen 2034 und 2046. Weil ein Endlager wohl erst um die Jahrhundertwende zur Verfügung steht, ist eine erhebliche Verlängerung der Zwischenlagerung erforderlich. Becker untersuchte Gefährdungsszenarien exemplarisch für die Zwischenlager in Ahaus und Brokdorf. Das Lager Brokdorf auf dem Gelände des abgeschalteten AKW ist seit 2007 in Betrieb, 60 von 84 Castor-Stellplätzen sind bislang belegt.
In die Anlage könnten Becker zufolge beim Absturz eines Verkehrsflugzeugs große Mengen Kerosin eindringen. Ein erwartbarer mehrstündiger Kerosinbrand mit einer Temperatur von rund 1.000 Grad würde die Behälter einer höheren thermischen Belastung aussetzen, als diese laut internationaler Richtlinie (Feuer von 800 Grad für 30 Minuten) standhalten müssen. Wegen der massiven Freisetzung unter anderem des radioaktiven Isotops Cäsium-137 wäre eine sofortige Evakuierung der Umgebung bis in eine Entfernung von rund 500 Metern erforderlich.
Nach Beschuss mit panzerbrechender Munition würde sich Becker zufolge ein Teil des freigesetzten radioaktiven Inventars in der Atmosphäre ausbreiten und zu einer erheblichen Strahlenbelastung führen. Eine Evakuierung wäre kurzfristig bis in eine Entfernung von rund vier Kilometer nötig, langfristig im Umkreis bis zu zwei Kilometern.
Noch mehr Radioaktivität könnte Becker zufolge durch einen Angriff mit Drohnen freigesetzt werden, die mit Sprengstoffen und Brandbeschleuniger beladen sind. In Windrichtung wäre eine Evakuierung in einer Entfernung von fast 12 Kilometern und eine langfristige Umsiedlung der Bevölkerung bis in eine Entfernung von etwa sieben Kilometern erforderlich. Noch in acht Kilometern Entfernung zum Zwischenlager träten Dosen von etwas mehr als 500 Millisievert auf. Personen, die sich dort aufhielten, hätten mit akuten Strahlenfolgen zu rechnen. Bis zu 800 Metern wären die Dosen mit mehr als sieben Sievert tödlich.
„Der gefährliche Atommüll ist in den Zwischenlagern aktuell nur unzureichend geschützt“, konstatiert der Atommüllexperte von ausgestrahlt, Helge Bauer. Die hochradioaktiven Abfälle müssten bis ins 22. Jahrhundert hinein zwischengelagert werden. Dafür seien weder die heutigen Gebäude noch die Castoren ausgelegt.
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