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Schutz gegen tödliche HitzeUnverbindliche Empfehlungen

Nick Reimer
Kommentar von Nick Reimer

Während viel Geld in die Verkehrssicherheit geht, gibt es keines für den Hitzeschutz. Dabei gibt es hierzulande mehr Hitzetote als auf den Straßen.

Mehr Geld für Bäume als Hitzeschutz Foto: Jens Büttner/dpa

V erkehrssicherheit sei „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, betont die Bundesregierung. Deshalb gibt sie jedes Jahr Milliarden aus, um den Verkehr auf Deutschlands Straßen sicherer zu machen. Auch Hitzeschutz sei ein wichtiges Thema, erklärte in dieser Woche SPD-Bundesbauministerin Klara Geywitz. Deshalb stellte sie eine „Handlungsstrategie“ vor: Beispielsweise wird Raum für mehr Grün empfohlen. Denn Bäume kühlen ihre Umgebung um mehrere Grad.

Frisches Geld, um neue Bäume zu pflanzen, machte die Bundesregierung allerdings nicht locker. Dabei sterben bereits heute mehr Deutsche an der Hitze als auf Deutschlands Straßen. Der vergangene Sommer ist nicht als sonderlich heiß in Erinnerung, trotzdem zählte das Robert-Koch-Institut 3.200 Hitzetote. In den heißen Sommern 2018 und 2019 gab es jeweils über 7.000 hitzebedingte Sterbefälle.

Im Straßenverkehr starben im vergangenen Jahr 2.839 Menschen. Fast neun Milliarden Euro werden in diesem Jahr in den deutschen Straßenverkehr investiert, knapp doppelt so viel wie vor 20 Jahren. Für den Hitzeschutz hingegen gibt es lediglich „Handlungsempfehlungen“.

Für die Städtebauförderung stehen insgesamt 790 Millionen Euro bereit. Wer Geld aus diesem Topf bekommen will, „muss Klimaanpassung mitdenken“, sagt Geywitz.

Dieses Missverhältnis der Mittel sagt sehr viel über unsere Gesellschaft aus. Erstens: Der Klimawandel wird immer noch als ein Problem in der Zukunft angesehen, um das sich Politik akut nicht wirklich kümmern muss.

Dabei zeigt gerade der Baubereich, wie falsch das ist. So müssten dringend die Vorschriften geändert werden. Aktuell werden Neubauten immer noch nach DIN-Vorschriften gedämmt, die auf jenem gemäßigten Klima beruhen, das es früher hierzulande einmal gab.

Deutschland bleibt in der Hand der Au­to­f­e­ti­schis­t:in­nen

Die „Handlungsempfehlungen“ für den Hitzeschutz zeigen, dass die Politik zweitens nicht gewillt ist, tatsächlich zu handeln. Anders dagegen Frankreich. Um seine Hitzenotfallpläne zu finanzieren, hatte Frankreichs Regierung 2003 den Pfingstmontag als Feiertag abgeschafft. Zwar musste sie das nach harten Protesten 2010 wieder korrigieren. Experten beurteilen das französische Notfallkonzept heute allerdings als vorbildlich. Es gibt ein Meldesystem und eine Infrastruktur, die sich um bedrohte Menschen kümmert.

Deutschland bleibt drittens fest in der Hand der Autofetischist:innen. Unter Hitze leiden Alte, Kleinkinder, Schwangere, Vorerkrankte – Menschen also, die sich selbst schlecht wehren können. Und anders als Autofah­re­r:in­nen haben sie keine Lobby: Der Aspekt des Überlebens jedenfalls ist kein Grund, dass derart viel Geld in den Verkehr gesteckt wird, während der Hitzeschutz leer ausgeht.

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Nick Reimer
Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.
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3 Kommentare

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  • Sehr guter Kommentar! Danke.

    Man könnte glatt denken (Achtung Wortspiel), wir leben in in einer



    "Auto"-kratie... .

    ;-)

  • "Aktuell werden Neubauten immer noch nach DIN-Vorschriften gedämmt, die auf jenem gemäßigten Klima beruhen, das es früher hierzulande einmal gab."

    Schöne Umschreibung für die Tempersturdifferenz zwischen einer gut beheizten Wohnung und einer winterlichen Außenluft, die wir schon seit Jahrzehnten nicht mehr hatten 😎😇

    • @FriedrichHecker:

      Ja und?



      Der Energietransport wird gehemmt, das gilt für beide Richtungen.



      Was noch ergänzt werden muss ist der außenliegende Sonnenschutz sowie die Option der Kühlung bei Flächenheizungen.