Schulstart für Kinder: Jetzt fängt der Ernst des Lebens an
Es ist eine seltsame Tradition, dass Kindern vor der Einschulung oft Angst gemacht wird. Unsere Autorin versucht eine andere Strategie.
D u kommst im September in die Schule? Na, dann fängt jetzt aber der Ernst des Lebens an. Dann ist Schluss mit lustig“, sagt eine Bekannte zu meinem Kind. Dem Kind springt eine Mischung aus Unsicherheit und Gleichgültigkeit aus den Augen, während ich ihr mit einem Kopfschütteln zu verstehen geben will, dass sie bitte das Thema wechseln soll.
Ich fand das als Kind schon unangenehm, aber heute finde ich dieses „Hohoho – jetzt wird es ernst“-Gehabe vor angehenden Schulkindern unangebracht und kontraproduktiv. Ja, das Kind kommt bald in eine ganz neue Situation, die es überhaupt nicht einschätzen kann. Woher auch.
Alles ist neu, die Umgebung, die Menschen, die Aufgaben, die Regeln. Es lässt den vertrauten Kindergarten und seine Freunde hinter sich. Sich darauf zu freuen, scheint zu viel verlangt. Also ist das Ziel, dass es möglichst neutral auf diese Veränderung zugehen kann. Dass ihm jetzt ständig Menschen sagen, es sei Schluss mit lustig, ist nicht hilfreich für diesen Prozess.
Ich meine, es würde sich doch jeder, der vor einer größeren Veränderung in seinem Leben steht, wünschen, dass die Leute drumherum dem mindestens gelassen gegenüberstehen. Oder vielleicht aufbauende Worte verlieren. Ein „Naaa, du bist sicher schon total aufgeregt, dass du bald in die Schule kommst?“ ist ein Satz, der dazu führen kann, dass ein Kind, das vorher nicht aufgeregt war, abends wach liegt.
Wir machen hier bisher gar kein Gewese um den Schulstart. Ich hab mir immer gewünscht, dass ich als Mutter in der Lage bin, nicht übermäßig Stress zu verbreiten, wenn es um die Schule geht. Wir werden sehen, ob ich dem entsprechen kann.
Mehr Möglichkeiten als damals
Mein erster Eindruck auf dem Elternabend vergangene Woche war, dass das Kind mit seiner Klasse viel Glück gehabt hat. Ich weiß trotzdem noch nicht, wie es sich in der Schule verhalten wird. Ob es ihm Spaß machen wird, zu lernen. Wenn es nach seinem Vater kommt, wird es auch 30 Jahre nach seinem Abschluss noch mathematische und physikalische Grundsätze aufsagen können.
Wenn es nach mir kommt, wird es immer zu spät sein, überdurchschnittlich in den einen Fächern und unterdurchschnittlich in den anderen, schusselig und unaufmerksam genannt werden. Vielleicht ist das Kind weder das eine noch das andere. Auch gut.
Mit dem Schulanfang startet für uns alle ein neues Kapitel. Es ist schön, dass das Kind heute andere Möglichkeiten hat als wir damals. Es kommt in eine Mehrstufenklasse in einer Ganztagsschule. Die Mehrstufenklasse besteht aus 22 Kindern aus vier Schulstufen. Es gibt keine Hausaufgaben und mehr Bewegungseinheiten.
Die Kinder können sich im Schulstoff freier bewegen und die Kleineren lernen von den Größeren. Wer weiß, hätte es das früher schon gegeben, vielleicht wäre ich auch ein bisschen aufmerksamer gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“