Schulspeisung in Großbritannien: Rashford 2, Johnson 0
Der Stürmerstar hat sich gegen die britische Regierung durchgesetzt. Sie muss kostenlose Mahlzeiten für bedürftige Kinder in den Ferien gewährleisten.
Seit Beginn der Pandemie hat sich der 23-jährige Fußballer Marcus Rashford für das Recht der ärmsten Kinder im Vereinigten Königreich auf ausreichende Ernährung und Mahlzeiten eingesetzt. Rashfords Mutter konnte in seiner Jugend nicht immer Essen auf den Tisch stellen. Der Fußballer erhielt erst geregelte Mahlzeiten, als er unter die Obhut eines Jugendförderprogammes von Manchester United kam.
Anfang Oktober hatte Rashford gefordert, dass die britische Regierung in den Herbstferien dafür sorgen sollte, dass Kinder, die wegen Bedürftigkeit das Recht auf kostenlose Schulspeisung haben, auch in den Schulferien Schulmahlzeiten erhalten sollten.
Während die Regierung dazu nur um den heißen Brei herumredete, verpflichteten sich Hunderte von britischen Unternehmen, armen Kindern in den Ferien Essen bereitzustellen. Somit in die Ecke getrieben, meldete sich Johnson damals zu Wort und versprach, dass seine Regierung keine Kinder hungern lassen werde.
Rashford als Feind? Keine gute Idee
Johnson wusste, dass er es sich nicht leisten kann, sich Rashford zum Feind zu machen: Schon im Juni hatte der Fußballer für Lebensmittelcoupons zur Ernährung armer Kinder während der Schulschließungen im Corona-Lockdown gesorgt. Rashford erhielt Anfang Oktober dafür einen Verdienstorden der Queen.
Mit seinen Umfragewerten derzeit auf einem Tiefpunkt, nachdem Johnson über England vergangene Woche einen erneuten einmonatigen Lockdown auf Basis von nicht mehr aktuellen Todesfallprognosen ausrief – manche, vor allem vom rechten Flügel der Konservativen, halten das für mit Tony Blairs falschem Irakkriegsdossier vergleichbar –, ringen der Premier und seine Regierung um Popularität.
Zuerst verlängerte er das Kurzarbeitprogramm für Arbeitnehmer*innen, das ursprünglich Ende Oktober hätte auslaufen sollen und dann auf Dezember verlängert wurde, bis März 2021 und setzte sich damit gegen seinen beliebten Finanzminiser Rishi Sunak durch. Dann gab er den Forderungen des Fußballers Rashford nach.
Johnson erzählte Rashford, laut dem Fußballer „in einem guten Gespräch,“ dass die Regierung nun umgerechnet 188 Millionen Euro bereitstelle, um in den nächsten vier Monaten, also über die Winterferien, gegen den Hunger armer Kinder vorzugehen. Obendrauf habe er Johnsons Wort dafür, dass mit umgerechnet 240 Millionen Euro 1,7 Millionen Kindern geholfen werden soll, die zwar in verarmten Verhältnissen aufwachsen, jedoch nicht arm genug sind, um vom Staat Essensbeihilfen zu bekommen.
Marcus Rashford
Mit dem Geld soll vor allen ein Ferienprogramm mit Mahlzeiten unterstützt werden. Dazu kommen noch knapp 18 Millionen Euro extra Unterstützung für Lebensmitteltafeln.
Trotz seines erneuten politischen Erfolgs gibt sich Rashford mit den Ergebnissen seiner Kampagne bescheiden. „Ich dankte Johnson im Namen der betroffenen Familien, weil ich mir hundert Prozent sicher bin, dass sie ihm danken würden, wenn sie es könnten“, sagte er mit einer fast verlegenen Stimme. „Ich möchte, dass kein Kind das erleben muss, was mir widerfuhr, und keine Eltern das durchstehen müssen, was meine Mutter durchmachte.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül