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Schulen erhalten Aachener FriedenspreisDie Truppe soll draußen bleiben

Die Auszeichnung geht dieses Jahr an Lehreinrichtungen in Berlin und Offenbach. Sie haben dem Militär Auftritte im eigenen Haus untersagt.

Finde den Fehler: Für die Verleiher des Aachener Friedenspreises gehören Soldaten nicht in Klassenzimmer Bild: dpa

BERLIN taz | Die Bundeswehr hat an Schulen nichts zu suchen. Das ist die Botschaft, die die Stifter des Aachener Friedenspreises in diesem Jahr in die Republik senden. In einer öffentlichen Feier verliehen sie den angesehenen Preis am Sonntagabend an das Robert-Blum-Gymnasium in Berlin und die Käthe-Kollwitz-Schule in Offenbach/Main. Beide Einrichtungen hatten als eine der ersten 2010 und 2011 in der Schulkonferenz beschlossen, dass Jugendoffiziere im Unterricht nichts verloren haben.

Die Preisverleiher, eine Bürgerinitiative der Friedensbewegung, will mit der Auszeichnung den „Mut der Schülerinnen und Schüler, der Eltern, Lehrerinnen und Lehrer würdigen und ein Signal gegen den Mainstream der Militarisierung in unserer Gesellschaft setzen“.

Bernd Fiehn, Leiter des Robert-Blum-Gymnasiums, freut sich über die Anerkennung. An seiner Schule im Berliner Stadtteil Schöneberg lernen über 600 Kinder und Jugendliche. „Viele kommen aus Familien von Kriegsflüchtlingen. Wir haben deswegen eine lange Kultur friedlicher Konfliktlösung entwickelt, daraus ist unsere Haltung entstanden“, sagt Fiehn.

„Unsere Haltung“, das ist ein einstimmiges Votum der Schulkonferenz, in der Eltern, Schüler und Lehrer beschlossen, dass die Bundeswehr keine Vorträge im Klassenzimmer halten darf. „Es geht uns nicht darum, die Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beurteilen. Sondern darum, werbeähnliche Veranstaltungen an unserer Schule nicht zuzulassen“, sagt Fiehn.

An Schulen darf nicht um Nachwuchs geworben werden

Offiziell darf die Bundeswehr an Schulen nicht um Nachwuchs werben, sondern nur politische Bildungsarbeit betreiben. Doch die Auftritte der Jugendoffiziere erzielen trotzdem den gewünschten Effekt. Immer wieder, so steht es im aktuellen Jahresbericht der Jugendoffiziere, kämen vor allem von Haupt- und Realschülern Anfragen über Karrieremöglichkeiten bei der Truppe.

Die wirbt seit der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht 2011 offensiver um den Nachwuchs und betreibt dafür einen beachtlichen Aufwand: 2012 führten Jugendoffiziere über 3.800 Veranstaltungen an Schulen durch und erreichten über 103.000 SchülerInnen. Armeevertreter berichten teilweise von überarbeiteten Lehrern, die sicherheitspolitische Fragen gerne an die Soldaten auslagern.

Offizielle Unterstützung erhält die Bundeswehr mittlerweile von acht Bundesländern, die Kooperationsvereinbarungen mit ihr abgeschlossen haben. Dagegen regt sich bundesweit immer wieder Protest von Schülern, aber auch von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Neun Schulen haben die Besuche offiziell abgelehnt

Das Angebot, dass Friedensgruppen gleichberechtigten Zutritt zu Schulen erhalten sollen, wie es seit kurzem die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen beschlossen hat, besänftigt die Kritiker nicht. Denn die Bundeswehr sei aufgrund ihrer Personalstärke deutlich im Vorteil, klagt die Friedensbewegung.

„Es gibt immer wieder Proteste, aber erst neun Schulen haben Besuche offiziell untersagt“, berichtet Lea Heuser für das Bündnis des Aachener Friedenspreises. Das hofft nun, dass die Beispiele Nachahmer finden.

Als dritte Einrichtung erhielt die internationale Schule in Dohuk einen Preis. Sie setzt sich im von Gewalt geprägten Nordirak für Friedenserziehung ein.

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14 Kommentare

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  • FN
    Floda Nashir

    Soldaten sind Mörder und haben an Schulen nichts verloren.

  • S
    Sebus

    Liebe taz, ich finde, dass ihr in dieser Sache mal Zivilcourage zeigen und euch gegen eure eigene Klientel stellen könnt. Hier geht es nicht darum, ob die Bundeswehr gut oder schlecht ist. Wer einer gesellschaftlichen Gruppe das Wort verbietet, gehört kritisiert, nicht gelobt. Egal, wie man zu Krieg und Frieden steht.

    • FN
      Floda Nashir
      @Sebus:

      Der Bundeswehr wird doch nicht das Wort verboten, sondern das Organisieren von Werbeveranstaltungen vor Minderjährigen.

  • SP
    Schweizer peace Support Soldat

    Ein Schlag ins Gesicht von allen Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr welche in Friedensmissionen unterwegs sind und es erst ermöglichen das die NGO's ihre wichtige Funktion erfüllen können. Wenn man die Satzung des Aachener Vereins liest, kommt eine ziemlich einseitige Sichtweise zu Tage. Das ist nicht Feinbilder abbauen. Wie hat der Generalsekretär der UN gesagt als die Blauhelme den Fiedensnobelpreis erhalten hatten. "Peace support is not the job of an soldier, but only a soldier can do it". Diese Auszeichnung ist viel mehr Wert als von einem Verein der 1988 von 47 Friedensbewegten gegründet wurde. Viele Grüsse aus der Schweiz von einem Schweizer Blauhelm.

  • K
    Knüller

    Aha, der "Mainstream der Militarisierung"... Woran machen die ach so friendensbewegten Damen und Herren Luxuspazifisten das den fest? Etwa an der verringerten Truppenstärke der Bundeswehr, dem Abzug der Amerikaner aus Europa? Oder gar am erstarkten Image deutscher Sicherheitsbehörden? Wohl kaum, da sind mal wieder ein paar Luxuspazifisten mit enormen Sendungsbewusstsein unterwegs. Klar, für Frieden auf der Welt eignet sich die Schule für Vorträge und die ach so aggressive Bundeswehr als pöhser Gegener ja trefflich... Schickt die Friedensaktivisten nach Syrien, da können sie dann mal Allen zeigen wie sie Frieden schaffen wollen, so ganz ohne militärische Unterstützung...

  • EA
    Ein aktiver Reservist

    In einem Jahr, in dem weite Teile Deutschlands von einem der schweren Hochwasser betroffen waren, und die Bundeswehr tatkräftige Unterstützung geleistet hat, ist diese Auszeichnung ein Schlag ins Gesicht der Truppe. Eingesetzte Truppenteile haben tagelang, mit den zivilen Einsatzkräften, Schlimmeres verhindert und Schaden abgewendet. Sind für unsere Wirtschaft und unseren Lebensstil im Süden und Osten Afrikas auf dem Wasser unterwegs und schützen wichtige Handelsrouten vor Piraterie. Bauen Schulen und Infrastruktur in Afghanistan auf, unter Einsatz ihres Lebens. Unterstützen Bündnispartner weltweit, z.B. in der Türkei.

    Was ist der Dank? Ein Deutschland, dass seit Jahrzehnten in Frieden lebt, vergiesst, welche wichtigen Aufgaben dem Militär aufgebürdet werden und wie wichtig eine breite Unterstützung der Bevölkerung, der Truppe, gerade im Einsatz, ist. Gerade seit dem Aussetzen der Wehrpflicht, ist es immer schwere junge Menschen für den Dienst zu begeistern, weil immer weniger Kontakt zu Bundeswehr in der Gesselschaft besteht. Wenn diese Entwicklung anhält, dann habe wir bald amerikanische Verhältnisse und die unterpriveligierten Schichten der Gesellschaft leisten ihren Dienst in Uniform, während Priveligierte sich den schönen Seiten des Lebens widmen. Eine riesige Schande ist das!

  • S
    Starost

    Schulkonferenz, lächerlich. Die Damen und Herren Beamten haben wohl vergessen, wem sie den Treueeid geschworen haben. Dann muss dieser Bestandteil des lehrplanmäßigen Unterrichts eben per Dienstanweisung aus dem Ministerium oder, falls dieses rotgrün geputscht wurde, per Verfügung des Verwaltungsgerichts durchgesetzt werden.

  • M
    muh

    "[...] ein Signal gegen den Mainstream der Militarisierung in unserer Gesellschaft setzen"

     

    hab' ich irgendwas verpasst? Welche Militarisierung denn und wo genau ist die Mainstream? Ich behaupte Deutschland war in seiner jüngeren Geschichte nie weniger militarisiert als heute. Im Gegenteil ist es heutzutage eher so dass alles militärische in der Gesellschaft mit viel Skepsis betrachtet wird; sicherlich teilweise zurecht, teilweise auch etwas übertrieben.

     

    "Immer wieder, so steht es im aktuellen Jahresbericht der Jugendoffiziere, kämen vor allem von Haupt- und Realschülern Anfragen über Karrieremöglichkeiten bei der Truppe. "

     

    Fantastisch. Schüler interessieren sich für einen Arbeitgeber und die Schulen? Wollen krampfhaft verhindern dass die Schüler mit dem Arbeitgeber ihres Interesses in Kontakt kommen.

    Es ist in meinen Augen ziemlich naiv anzunehmen dass dieses Interesse durch die Jugendoffiziere entsteht. Dazu sind deren Veranstaltungen einfach nicht gut genug. Meine Vermutung ist eher dass diese Veranstaltungen nur für Schüler interessant sind die ohnehin mit einer Karriere bei der Bundeswehr liebäugeln und der Rest gelangweilt wegdöst. Wies halt bei diversen Berufsinfoveranstaltungen so ist.

     

    Was man mit dem Angebot auch Friedensaktivisten einzuladen auszusetzen ist, ist mir auch verschlossen. Das ist doch eigentlich genau dass was man von einer Schule bei einem politischen Thema erwarten sollte: Ein Thema von vielen Seiten beleuchten, alle gesellschaftlich relevanten Gruppen und Meinungen betrachten und die letztendliche Entscheidung für oder gegen eine Seite dem Schüler überlassen. Aber anscheinend geht der Trend wieder hin zur Obrigkeitsschule, die dem Schüler vorschreiben will was er zu denken hat. Anders kann ich mir diese Furcht vor der Auseinandersetzung kaum erklären.

  • M
    Mario

    lösen wir die Bundeswehr doch gleich ganz auf

  • P
    Piefke

    Der Mainstream der Militarisierung der Gesellschaft? In welcher Parallelwelt leben die Preisstifter eigentlich? Klar, wenn ich mir die mitwirkenden Organisationen anschaue, kann ich mir das denken. Aber mal ehrlich: Von einer Militarisierung der Gesellschaft habe ich persönlich noch nichts mitbekommen (Obwohl ich in einer Stadt lebe, in deren Umfeld noc vergleichsweise viele Soldaten stationiert sind). Oder wie soll sich das äußern? Auch hat die Aktion der Schulen nichts mit Mut zu tun. Was stand für sie denn auf dem Spiel?

    Will man, dass die Bundeswehr auch in Zeiten ohne die allgemeine Wehrpflicht nah an der Gesellschaft bleibt, sollte man auch solche Veranstaltungen dulden. Und wenn sich eine Schule dagegen entschließt, kann sie das gerne machen. Es ist aber lächerlich, dies als mutigen Aktion zu überhöhen.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Wenn man weiss, nach wem viele Schulen benannt sind, wundert die winzige Anzahl an Schulen. Viel mehr Schulen sind doch nach Leuten benannt worden, die fuer die Richtung stehen. Seltsam, wenn niemand mehr weiss, dass bspw auch Einstein vehementer Pazifist war.

  • KS
    Kurt Schieler

    Schon ein komisches Staatsverständnis.

     

    In Afghanistan oder Kosovo sollen die Soldaten dann doch ihre Kopf hinhalten?

  • M
    Malte

    Auszeichnung dafür, dass die Bundeswehr nicht in die Schule darf.

    So mutig und so edel.

    Und so lachhaft, wenn ich hier tatsächlich von einem „Mainstream der Militarisierung“ lese.

     

    Auch wenn das zynisch klingt:

    Den Mitgliedern und Sponsoren dieser selbstgefälligen, wohlstandsverwöhnten und moraltriefenden „Bürgerinitiative“ wünscht man einfach mal eine Hochwasserkatastrophe wie zuletzt in Sachsen-Anhalt an den Hals.

    Dafür, im Falle dessen Menschenleben und Sachwerte zu retten, kostenlos für die Betroffenen natürlich, dafür ist die Bundeswehr dann sicher gut genug und wird auch ins eigene Haus gelassen.

    Vielleicht sollte der Vollständigkeit halber noch erwähnt werden, dass die dritte mit dieser „Auszeichnung“ bedachte Schule, die Düsseldorfer Hulda-Pankok-Gesamtschule, auf die angetragene Ehre dankend verzichtet hat.

    Angesichts der Liste bisheriger Preisträger und einiger Organisationen, die hinter dieser Stiftung des Aachener Friedenspreises stehen, scheint mir das auch die bessere und aufrichtigere Entscheidung.

  • G
    Gast

    Welchen Mutes bedarf es, die Bundeswehr von der Schule fernzuhalten? Überhaupt keines Mutes! Wer hat die Bundesrepublik und somit die Bundeswehr in den Krieg geschickt? Rot-Grün! Wer lässt sich dafür erschießen, die "mutigen" Schüler und Lehrer? Nein, Soldaten, die Menschen wie du und ich sind.

     

    Was heute so alles als Mut verkauft wird ist schon erstaunlich.