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Schuldenschnitt für GriechenlandGroßes Misstrauen gegenüber Brüssel

So recht will niemand glauben, dass dieser Schuldenschnitt für die Griechen etwas Gutes bedeutet. An den teils massiven Einschnitten wird sich wohl wenig ändern.

In Griechenland vertraut man nicht auf den Segen der EU-Politk. Bild: reuters

ATHEN taz | Eigentlich ist ein Schuldner überglücklich, wenn ihm 50 Prozent seiner Verbindlichkeiten über Nacht einfach erlassen werden. Doch in Griechenland hält sich die Freude über den angekündigten Schuldenschnitt erst einmal in Grenzen.

Selbst europafreundliche Analysten erklären, man müsse das Kleingedruckte lesen, bevor der Jubel beginnen könne. Außerdem müsse man sich auch vor Augen führen, dass der Preis für den Schuldenteilerlass ein noch nie dagewesener Verzicht auf Souveränitätsrechte zugunsten der EU sei.

"Der Deal bringt eine Atempause, aber auch eine neue Bindung", erklärt die auflagenstärkste Athener Tageszeitung Ta Nea. "Zuckerbrot und Peitsche", titelt die nordgriechische Tageszeitung Angelioforos. So manche Analysten geben sich skeptisch angesichts der unübersichtlichen Machtverhältnisse in Europa. Andere wiederum sind der Auffassung, die Machtverhältnisse seien doch ganz einfach: Deutschland habe das Sagen, alle anderen müssten einfach folgen.

"Der deutsche Panzer bringt ein neues Sparpaket", lautet die Schlagzeile der linksliberalen Tageszeitung Eleftherotypia. "Deutschland im Anmarsch - die Deutschen wollen die Asiatisierung Südeuropas", erklärt ein führender Kommentator des Blattes.

Der Ministerpräsident als Vaterlandsverräter

Wieder mal unter die Gürtellinie schlägt die einst linke, gelegentlich konservative und im Endeffekt eher nach dem Opportunitätsprinzip agierende Tageszeitung Avriani: "Verräterische Unterwerfung und ständige Besatzung durch die Troika", titelt das Blatt - und vergleicht sogar Ministerpräsident Giorgos Papandreou mit dem als Vaterlandsverräter gebrandmarkten Giorgos Tsolakoglou, der im Zweiten Weltkrieg den deutschen Besatzern als Ministerpräsident gedient hat.

Das Misstrauen der öffentlichen und auch der veröffentlichten Meinung hat sich die griechische Regierung zum Teil selbst zuzuschreiben. In den vergangenen zwei Jahren erklärten nämlich alle griechischen Sparminister unisono, schmerzhafte Maßnahmen und Einkommenseinschnitte von bis zu 50 Prozent seien absolut nötig, damit es nicht zu einer Umstrukturierung der Schulden kommt, die Griechenland in den Abgrund stürzen würde.

Jetzt soll auf einmal ein Schuldenschnitt nicht nur wünschenswert, sondern geradezu erlösend für die griechische Wirtschaft sein? Und wenn ja, warum ist eigentlich niemand auf die Idee gekommen, die Schulden Griechenlands schon vor zwei Jahren zu beschneiden, statt immer wieder neue Sparmaßnahmen und Steuern zu erlassen? Diesen Stimmungswechsel muss man den Menschen erst einmal in Ruhe erklären.

Die beiden großen Gewerkschaftsverbände, GSEE für den privaten und Adedy für den öffentlichen Sektor, kündigten für Dienstag ein Treffen an, bei dem für November weitere Protestaktionen koordiniert werden sollen. Immer wieder hatten sie in den vergangenen Wochen mit Streiks und Protesten gegen die Maßnahmen der Regierung revoltiert.

Renten um 20 Prozent runter

Diese sehen vor, Renten von mehr als 1.200 Euro pro Monat um 20 Prozent zu kürzen. Ruheständler, die jünger sind als 55 Jahre, müssen sich auf Kürzungen von 40 Prozent einstellen, wenn sie mehr als 1.000 Euro erhalten. Die Steuerfreiheit für Einkommen wird von 8.000 Euro auf 5.000 Euro im Jahr gesenkt.

Die Brüsseler Gipfelergebnisse müssen möglicherweise im Parlament zur Abstimmung gebracht werden. Entscheidend wird dort das Stimmverhalten der konservativen Opposition. Bisher war Oppositionsführer Antonis Samaras eher durch seine Verweigerungshaltung aufgefallen, was ihm auch unheimlich viel Kritik in der eigenen politischen Familie, der Europäischen Volkspartei, eingebracht hat.

In einer ersten Stellungnahme kritisierte Samaras am Freitag den Brüsseler Kompromiss und ließ verlauten, es könne nicht sein, dass Griechenland zum Pariastaat Europas stigmatisiert wird. Analysten sehen dennoch gute Chancen dafür, dass Samaras einem künftigen Sparpaket im griechischen Parlament doch noch zustimmt.

In der sozialistischen Regierungspartei Pasok wollen so manche Abgeordnete aber gar nicht so lange warten. Laut griechischen Medienberichten plädieren sie lieber für sofortige Neuwahlen.

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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • M
    mettler

    Mir tun die Griechen leid, so ein kleines Land, hat Europa erfunden und sollte - von Stammtischp(a)rollen zu hören - aus selbigem herausgeworfen werden.

     

    Warum verlangt das eigentlich niemand von England, einer der führenden Standorte des Banken-Casinos, der Rohstoffbörse und des internationalen Schifffahrtsregisters wo auch die griechische Flotte registriert ist?

     

    Engländer machen nicht beim Euro mit und auch bei sonst nichts was aus Brüssel und Straßburg in quälend-mühevoller Arbeit Konsens wird.

     

    Das nervt.

  • R
    Ärgerlich

    Das richtig Ärgerliche an der Geschichte ist, dass die von der taz und unserem Politiker-Stimmvieh (beide ferngesteuert von Ackermann und den Seinen) abgelehnte sogenannte "Pleite" Griechenlands gleich am Anfang all diese Probleme vermieden hätte:

    - Die Banken hätten ihren Teil zwangsweise und nicht "freiwillig" getragen.

    - Griechische Proteste hätten überhaupt nichts genutzt, weil ihre Regierung einfach kein Geld hat (aber auch keine Zinsen zahlen muss). Die Drachme wäre zu einem sinnvollen Kurs wieder gekommen, alles hätte sich automatisch eingerenkt.

    - Niemand hätte sich über Deutschland aufgeregt, weil wir uns einfach nur an die Regeln halten (anstatt wie jetzt andere zum Sparen zu zwingen)

     

    Einen wirklichen Bärendienst habt ihr Medien und Politiker-Stimmvieh uns da erwiesen. Besonders dreist war das, weil ihr -wie ihr ja jetzt auch zugebt- von dem ganzen Kram nichts versteht.

  • J
    Jürgen

    Leider braucht gar nicht das Kleingedruckte zu lesen, man kann einfach nachlesen dass der DAX heute 5% gestiegen ist. Also: Die Investoren kennen das Kleingedruckte, und es gefällt ihnen: Das Kasino freut sich auf neues Geld, aus Steuern finanziert.