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Schuldenpläne des BundesGebremste Begeisterung in Berlin

Der schwarz-rote Senat will auch bei einer Lockerung der Schuldenbremse an seinem rigiden Kürzungskurs festhalten. Kritik kommt von den Grünen.

Es darf weiter protestiert werden: In Berlin wird weiter gespart, bis es quietscht Foto: Stefan Boness/Ipon

Berlin taz | Kredite in Höhe von 500 Milliarden Euro für bundesweite Investitionen in die Infrastruktur, dazu eine leichte Lockerung der Schuldenbremse für die Länder: Der am Dienstagabend verkündete Vorschlag von CDU/CSU und SPD im Bund für ein umfangreiches Finanzpaket sollte eigentlich Begeisterungsstürme auslösen im notorisch klammen Berlin. Dem ist mitnichten so.

Zwar überboten sich die Landesspitzen von CDU und SPD am Mittwoch darin, in der Einigung der mutmaßlich nächsten Koalitionspartner auf Bundesebene ein „kraftvolles Signal“ (CDU-Senatschef Kai Wegner) oder wenigstens ein „gutes Signal“ (SPD-Parteichefin Nicola Böcker-Giannini) sehen zu wollen.

Zugleich dämpfte CDU-Finanzsenator Stefan Evers rasch jedwede Erwartung, mit den angekündigten Milliardensegnungen könnte die radikale Kürzungspolitik des schwarz-roten Senats demnächst etwas weniger radikal ausfallen.

„Da ist noch allzu viel unklar“, erklärte Evers im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses zu den Plänen der Bundeskoalitionäre in spe. Überhaupt, so Evers bereits vorab, bleibe abzuwarten, „ob und inwieweit zusätzliche Verschuldungsmöglichkeiten für die Länder den dramatischen Konsolidierungsdruck in den öffentlichen Haushalten tatsächlich verringern“.

Grüne: „Pläne greifen zu kurz“

Geht es nach den Sondierungsergebnissen von Union und SPD im Bund, wird den Ländern künftig eine jährliche Neuverschuldung von 0,35 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts gestattet. Bislang hieß es: null Prozent, weil Schuldenbremse. Das soll nun Geschichte sein. Das Bruttoinlandsprodukt von 2023 zugrunde gelegt, könnte Berlin in diesem Jahr demzufolge Kredite in Höhe von rund 675 Millionen Euro aufnehmen.

Eine Menge Holz – und trotzdem nicht genug, kritisierte der Haushaltsexperte der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, André Schulze. Angesichts der dramatischen Haushaltslage sei Berlin mit einer Neuverschuldung von 0,35 Prozent nicht geholfen. „Die Pläne greifen zu kurz“, sagte Schulze zur taz. Vielmehr brauche es für die Länder „eine grundlegende Reform der Schuldenbremse, nicht so einen halben Schritt“.

Auch das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für Infrastrukturmaßnahmen werfe bislang vor allem Fragen auf. 100 Milliarden davon sollen an die Länder fließen. „Aber nach welchem Verteilungsschlüssel? Wie kommt das Geld zu den Ländern? Dazu wird nichts gesagt“, so der Grünen-Politiker.

Damit nicht genug, würden CDU/CSU und SPD zwar etliche Bereiche auflisten, in die die Milliarden investiert werden sollen: „Nur das Thema Klimaschutz wird komplett ignoriert. Das geht so nicht.“

Ringen um die Zweidrittelmehrheit

Klar ist, dass das Bundesvorhaben längst nicht in trockenen Tüchern ist. Sowohl für die Sondervermögen als auch die Lockerungsübungen bei den Schulden der Länder ist eine Grundgesetzänderung mit Zweidrittelmehrheit nötig. Und die kriegen CDU/CSU und SPD weder im alten noch im neuen Bundestag ohne die Zustimmung anderer demokratischer Fraktionen zusammen.

Die Schuldenbremsenapostel der nur noch wenige Resttage im Parlament verbleibenden FDP stellen sich erwartbar quer, auch die im Gegenzug demnächst weitaus stärkere Linke lehnt ab. Bleiben die Grünen. Nicht auszuschließen, dass deren Bundestagsfraktion dem Paket nach etwas Kritik am Ende aus „staatspolitischer Verantwortung“ zustimmt.

„Ich hoffe, dass sie es nicht tun werden“, sagte André Schulze von den Berliner Grünen. Das ganze Vorhaben sei in der jetzt vorgelegten Form „nicht zustimmungsfähig“.

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