Schuldenkrise in den USA: Beamten droht der Absturz

"Für unbefristete Zeit zwangsbeurlaubt." Der Haushaltsstreit in den USA wird auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen, wie das Beispiel der US-Luftsicherheitsbehörde zeigt.

FAA-Mitarbeiter auf dem Flughafen Newark in New Jersey. Bild: imago/EntertainmentPictures

WASHINGTON taz | Die E-Mail flimmerte um 11 Uhr auf Seth Couslars Bildschirm. "Ab Mitternacht sind Sie für unbefristete Zeit zwangsbeurlaubt", stand darin, "denn der Kongress hat kein Budget für die Behörde bewilligt". Es folgten Links zu Webseiten, die über die Rechte von unbezahlt nach Hause geschickten Beamten informieren. Wie 3.999 andere vom selben Schicksal getroffene Beschäftigte der US-Luftsicherheitsbehörde FAA packte der 55-jährige Ingenieur Couslar seine Sachen und verließ das Büro im Zentrum von Washington.

Der Zwangsurlaub begann am 23. Juli. Neben Beschäftigten der FAA betraf er auch mehrere zigtausend Arbeiter der Zuliefer- und Bauindustrie. Denn sämtliche Instandsetzungs- und Bauarbeiten an Lande- und Startbahnen von US-Flughäfen sowie alle Wartungen und Installationen von Beleuchtungs- und Radarsystemen wurden gleichzeitig abrupt abgebrochen.

Am Donnerstagabend dieser Woche erklärte Senator Harry Reid, Chef der oberen Kammer im US-Kongress, der Senat würde noch in der gleichen Woche einer "Lösung" zustimmen. Es ist nur eine Übergangslösung bis Mitte September. Aber immerhin gibt es damit vorerst wieder Mittel, um die FAA-Beschäftigten zu bezahlen, um die Sicherheit in der Luft und auf den Start- und Landebahnen zu gewährleisten und um die Wartungs- und Bauarbeiten an 250 Flughäfen fortzusetzen. Couslar darf voraussichtlich am Montag in das Washingtoner Büro zurückkehren, in dem er sich mit Anschaffung und Installation von Navigationssystemen befasst.

Seit Couslar der Schlag seiner Zwangsbeurlaubung traf, hat er Petitionen an Kongressabgeordnete geschrieben. Und hat versucht, auch auf der Straße und in den Medien für öffentlichen Druck zu sorgen, damit eine Lösung gefunden werde. Doch oberste Priorität hat die schlagartig kompliziert gewordene finanzielle Lage seiner Familie: die 35.000 Dollar Schulden für das Studium der beiden Söhne, die Kreditkosten für das Haus, die Abzahlung des Autos und die Beiträge zur Rentenversicherung.

Florida-Urlaub abgesagt

Während sein Einkommen mit der E-Mail vom 23. Juli gestoppt war, mussten all diese Dinge weiter bezahlt werden. Um zahlungsfähig zu bleiben, bewarb sich der unbezahlt nach Hause geschickte FAA-Ingenieur auf einen Job in der Herrenbekleidungsabteilung eines Kaufhauses. Eine gemeinsame Reise der Familie nach Florida sagte er ab. Und seine eigene Fortbildung an einer Universität in New Jersey hat er wegen der Studiengebühren zunächst unterbrochen.

Die extreme Unsicherheit, in die der US-Kongress die Behörde FAA und Tausende Beschäftigte katapultiert hat, ist ein weiteres Resultat der politischen Blockaderdesituation zwischen Demokraten und Republikanern. Normalerweise ist die Bewilligung des Budgets für die FAA eine Routinesache.

Doch in diesem Sommer, in dem der rechte Flügel der republikanischen Partei die politische Agenda der USA bestimmt, war auch die Luftsicherheit betroffen. Die Republikaner knüpften ihre Zustimmung zu einem neuen Budget für die FAA an zwei Bedingungen: Erstens soll das Recht auf gewerkschaftliche Organisation und Vertretung von FAA-Beschäftigten reduziert werden. Und zweitens sollen die Subventionen für ländliche Flughäfen in den USA gekürzt werden - insbesondere Flughäfen in den Wahlkreisen demokratischer Kongressabgeordneten.

Die Demokraten im Kongress verweigerten ihre Zustimmung. Am 23. Juli war die Blockade perfekt. Seither hat der Staatshaushalt der USA Einnahmen von täglich 30 Millionen Dollar verloren. So viel kassiert die FAA in normalen Zeiten für Ticket- und Kerosinsteuern.

Couslar, der der Gewerkschaft AFSCME angehört und bisher mal republikanisch und mal demokratisch wählte, ist immer noch optimistisch, dass die Politiker bei der nächsten Entscheidung - die direkt nach der Sommerpause des Kongresses ansteht - eine Lösung finden, die "rücksichtsvoll für den Luftverkehr und für die Beschäftigten ist".

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