Schuldenkrise in Griechenland: Das ewige Thema Geld
Athen beantragt noch einen Kredit. Der IWF ist bei den Verhandlungen, die am Montag starten sollen, dabei. Für Diskussionen sorgen angebliche „Massenentlassungen“.
Die Einladung trägt die Unterschrift von Finanzminister Euklid Tsakalotos. In dem Schreiben werden formal neue Hilfen von dem Fonds beantragt. Dies stimmt mit der vorläufigen Einigung über das dritte Rettungspaket überein, die Griechenland am 12. Juli mit seinen europäischen Partnern erzielte und die eine Finanzierung und Beobachtung durch den IWF ab dem März 2016 vorsieht – dann enden die bisherigen finanziellen Hilfen des Währungsfonds für Griechenland.
In dem Brief heißt es, Athen glaube, es brauche „mehrere Quartale“, bevor sich die griechische Wirtschaft ihren Herausforderungen stellen „und zu einem starken und nachhaltigen Weg zum Wachstum mit Gerechtigkeit und sozialer Eingliederung zurückkehren“ könne. Griechenland sehe der Möglichkeit entgegen, die Kooperation mit dem IWF fortzusetzen.
Der Währungsfonds bestätigte in der Nacht zum Samstag (MESZ), den Antrag für neue IWF-Kredite erhalten zu haben. Man werde versuchen, Gespräche mit Griechenland und den europäischen Gläubigern zu arrangieren, teilte der IWF in einer Erklärung mit.
IWF könnte Gespräche erschweren
Das endgültige Abkommen über das etwa 85 Milliarden Euro schwere und auf drei Jahre angelegte Paket werde am 18. August dem Parlament vorgelegt, sagte Regierungssprecherin Olga Gerovasili. Bis dahin würden die Verhandlungen konstant weitergehen. Griechenland muss am 20. August einen Kredit über mehr als drei Milliarden Euro Schulden an die Europäische Zentralbank zurückzahlen.
Nach Meinung von Beobachtern könnte eine Teilnahme des IWF die Gespräche erschweren. Denn der IWF zeigte sich kritisch gegenüber vielen der Bedingungen, die die Eurozone Athen stellte. Zudem sprach er sich für eine deutliche Schuldenlastreduzierung aus – die deutsche Regierung lehnt indes zumindest einen klassischen Schuldenerlass ab.
Griechenland will sich mit den Gesprächen sein drittes Rettungspaket binnen fünf Jahren sichern. Um überhaupt in Verhandlungen über die bis zu 85 Milliarden Euro treten zu können, hatte das Parlament in Athen zunächst einer Reihe von Reformen zugestimmt, die die Geldgeber eingefordert hatten.
Athen hat derweil die Finanzkontrollen für Unternehmen und ins Ausland reisende Griechen nach knapp vier Wochen gelockert. Somit können Unternehmen wieder Zahlungen im Ausland leisten und Griechen bei Reisen ab sofort 2.000 statt bislang 1.000 Euro mitnehmen. Reedereien sei es zudem gestattet, bis zu 50.000 Euro pro Tag abzuheben, teilte das Finanzministerium am späten Freitagabend mit.
Limit für Auslandsüberweisungen erhöht
Außerdem erhöhte die griechische Zentralbank das Limit für Unternehmen bei Auslandsüberweisungen von 50.000 auf 100.000 Euro. Wegen der Finanzkontrollen mussten sich die Firmen bislang eine Genehmigung holen, wenn sie das Limit überschreiten wollten. Die Änderungen deckten somit 70 Prozent der Transaktionen ab, sagte Notenbankchef Ioannis Stournaras.
Griechenland hatte die Kapitalverkehrskontrollen am 29. Juni auf Druck der Geldgeber eingeführt, um sein Finanzsystem zu stabilisieren und seinen angeschlagenen Banken etwas Luft zu verschaffen. Am Montag öffneten nach drei Wochen wieder die Banken in Griechenland, nachdem die Europäische Zentralbank zuvor die Nothilfen für die griechischen Geldhäuser erhöht hatte.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist nach Spiegel-Informationen bereit, langfristig deutsche Steuereinnahmen für einen eigenständigen Etat der Eurozone abzutreten. Damit könnte ein möglicher neuer Finanztopf für einen künftigen europäischen Finanzminister gespeist werden. Möglich sei auch, dass der Euro-Finanzminister das Recht bekomme, einen eigenen Zuschlag auf Steuern zu erheben, berichtete das Magazin.
Im Bundesfinanzministerium hieß es dazu am Samstag auf Anfrage: „Die langfristige Schaffung einer eigenen Fiskalkapazität für die Eurozone ist ein Vorschlag aus dem Fünf-Präsidenten-Bericht zur Weiterentwicklung der EU.“ Die Diskussion darüber beginne erst. Einzelne Elemente müssten im Gesamtzusammenhang gesehen werden und setzten eine Vertragsänderung voraus: „Die Rede von einer Euro-Steuer führt in diesem Zusammenhang völlig in die Irre.“
Mittelfrist-Reformen
Beim „Fünf-Präsidenten-Bericht“ von EU-Kommission, EU-Rat, Eurogruppe, EZB und EU-Parlament geht es um die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion – mit einem Zeithorizont bis 2025. Dabei geht es um Mittelfrist-Reformen ohne Vertragsänderungen sowie langfristige Maßnahmen, die Änderungen der EU-Verträge erfordern.
Für Diskussionen sorgen angebliche Forderungen der Bundesregierung nach „Massenentlassungen“ in Griechenland. Der Spiegel verweist auf eine Antwort des Finanzministeriums auf eine Anfrage der Linken, in der auf die Reformvereinbarungen mit Griechenland verwiesen wird.
Dabei handelt es sich um die Gipfelbeschlüsse aller 19 Euro-Länder. In einer Übersetzung ist darin zwar von „Massenentlassungen“ (“collective dismissals“) die Rede. Es geht dabei aber eher um „betriebsbedingte Kündigungen“ und eine „tiefgreifende Überprüfung und Modernisierung der Verfahren“ dafür sowie eine Annäherung „an bewährte internationale und europäische Verfahren“.
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