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Schuldenbremse und KlimavolksentscheidDie Anti-Politik-Maschine

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Ein Jahr nach dem Scheitern von Berlin 2030 Klimaneutral scheint echte Klimapolitik unmöglich. Schuld ist auch die Sparpolitik des Bundes.

Macht jegliche zukunftsorientierte Politik unmöglich: Christian Lindners Schuldenbremse, hier dargestellt als Sparschwein Foto: dpa | Rolf Vennenbernd

B erlin taz Der Versuch einer ernsthaften Antwort auf die Herausforderungen der Klimakrise – nicht mehr und nicht weniger war der Volksentscheid Berlin Klimaneutral 2030. Genau ein Jahr nach dessen Scheitern ist die „Klimafrage“ in Berlin weiter ungelöst. Grund dafür ist nicht nur der konservative Senat aus CDU und SPD, sondern auch der Endgegner jeder zukunftsweisenden Politik: die Schuldenbremse.

Ein Blick zurück: Das Vorhaben der Um­welt­aktivist:innen, Berlin bis 2030 klimaneutral zu machen, löste im Politikbetrieb parteiübergreifend Unruhe aus. Zu unrealistisch und viel zu teuer, hieß es unisono aus fast allen Fraktionen. Wäre der Volksentscheid nicht wegen zu geringer Wahlbeteiligung gescheitert, wäre die Konsequenz eine Investitionsoffensive in mindestens zweistelliger Milliardenhöhe gewesen: energetische Sanierungen, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie von Solar- und Windenergie.

Um dem Volksentscheid den Wind aus den Segeln zu nehmen, versprach die frisch gewählte Koalition, fünf bis zehn Milliarden Euro über einen Sonderfonds in die sozial-ökologische Transformation zu investieren. Auch wenn es ein durchschaubares Manöver war, ließ es darauf hoffen, dass die Dringlichkeit der Klimakrise mittlerweile auch zu konservativen Po­li­ti­ke­r:in­nen durchgedrungen ist.

Damit hat der Klimavolksentscheid trotz seines Scheiterns zumindest eines bewirkt: Er hat die dringend notwendige Diskussion angestoßen, wie viel und wie schnell wir in den klimagerechten Umbau unserer Infrastruktur investieren müssen.

Endgegner Schuldenbremse

Davon ist heute nicht mehr viel übrig. Wie ein im Februar veröffentlichtes Gutachten nahelegt, ist das Klimasondervermögen rechtswidrig, weil es der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse widerspricht. Gut möglich, dass dieses Schicksal auch einen erfolgreichen Volksentscheid ereilt hätte.

Mit der Schuldenbremse hat die Politik die Diskussion erfolgreich abgewürgt. Mittlerweile wird nicht mehr darüber geredet, ob 5, 50, oder 500 Milliarden Euro investiert werden müssen, sondern nur noch darüber, welche Jugendklubs und Sozialprojekte vor den Sparmaßnahmen gerettet werden können. Eine effektive Klimapolitik ist unter den Bedingungen des Spardiktats nicht einmal denkbar.

Solange es die Schuldenbremse gibt, ist die Strategie, die Landespolitik durch Volksentscheide zum Handeln zu zwingen, zum Scheitern verurteilt. Was es jetzt braucht, ist ein großangelegter Angriff auf die Sparpolitik des Bundes.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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4 Kommentare

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  • "Was es jetzt braucht, ist ein großangelegter Angriff auf die Sparpolitik des Bundes."

    Das müsste man mal den Portugiesen erklären :D

  • CDSUFDP wollen keine wirksame Klimapolitik. Sie bekämpfen sämtliche Massnahmen und beschwören die "Technologieoffenheit".Diese Leute haben nicht die geringste Absicht, sich den Fakten zu stellen. Sie geben sich dem Populismus hin und riskieren wegen ein paar Wählrer*innestimmen den Zusammenbruch des Klimasystems. "Denn sie wissen sehr wohl, was sie tun!"

    • @Perkele:

      Beschäftigen Sie sich mal bitte mit dem Ressourcenabbau (Lithium und Kupfer in Chile z. B.) für die Verkehrstransformation. Rechnen Sie mal nach, Schnelladesäule mit 110 KW.

      Wenn Sie mal das Kupferbergwerk El Teniente z. B. googlen, sehen Sie Bilder, die wollen Sie nicht sehen.

      Wir schwafeln hier in D von klimaneutraler (Blödsinn!) Transformation und richten da in anderen Teilen der Welt Zerstörungen unglaublichen Ausmaßes mit an.

      • @Pauline Friedrich:

        Genau. Deswegen machen wir am besten nix und harren der Katastrophen die da kommen werden. Fatalismus ist ja jedem gegönnt - wenn sich das ganz allein auf den/die Einzelne*n bezieht. Aber hier geht es ums Zusammenleben und dafür brauche ich keinen Fatalismus...