Schufa-Schuldenkompass: Aufschwung half Privatschuldnern
Wie die Amerikaner verschulden sich auch Deutsche. Aber es kommt viel seltener zu Überschuldung. Die Zahlungsmoral der Deutschen ist gut - was sich durch die Finanzkrise ändern könnte.
BERLIN taz Oh, Eichstätt, du hast es gut: Die Universitätsstadt in Oberbayern liegt nicht nur im schönen Altmühltal, sondern hat auch die solidesten Schuldner der Republik. Das haben Forscher der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung - besser bekannt als Schufa - in einer neuen Studie herausgefunden, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.
Die fünf Städte mit den bundesweit solidesten Schuldner befinden sich demnach allesamt in Bayern. Am wenigsten Ärger mit Krediten haben nach den Bewohnern aus Eichstätt die aus München, Starnberg, Ebersberg und Erlangen. Bundesdeutsche Schlusslichter unter den Städten sind in diesem Jahr Delmenhorst, Mönchengladbach, Wilhelmshaven und - auf dem allerletzten Platz 429 - das rheinland-pfälzische Pirmasens.
Mit dem "Schuldenkompass" untersucht das Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Kreditwirtschaft seit 2003 jährlich die Verschuldungslage der privaten Haushalte in Deutschland. Wohl kein anderes Unternehmen weiß über das Kreditverhalten der Deutschen so gut Bescheid wie die Schufa, denn der Finanzdienstleister verfügt nahezu über alle Daten, die das Verschuldungsverhalten von 65 Millionen Erwachsenen in Deutschland abbilden.
Normalerweise nutzen Unternehmen die "Schufa-Abfrage", um sich ein Bild über die Kreditwürdigkeit potenzieller Kunden zu machen. Für den Schuldenkompass hat die Schufa ihre mehr als 400 Millionen anonymisierten Einzelinformationen zu einem umfassenden Bild der Verschuldungslage privater Haushalte in Deutschland zusammengefasst.
Die Analyse der Daten zeigt, dass es wieder weniger überschuldete Menschen gibt, also Menschen, deren Einkommen nicht ausreicht, um die Verbindlichkeiten zu decken. "Im Jahr 2007 ist die Überschuldungsssituation insgesamt von 2,9 Millionen auf 2,8 Millionen Haushalte zurückgegangen. Das ist eine Folge des Aufschwungs und des enormen Rückganges der Arbeitslosigkeit", sagt Schufa-Statistiker Gunter Zimmermann.
Wie schon in den Vorjahren belegt die Untersuchung ein anhaltendes Nord-Süd-Gefälle bei der privaten Verschuldung in insgesamt 429 Kreisen und Städten. Die geringsten Probleme gibt es demnach im Süden: Baden Württemberg, Bayern und Hessen belegen im Ländervergleich die ersten drei Plätze. Auch unter den Top 20 der Städte und Kreise mit den zuverlässigsten Kreditnehmern befinden sich ausschließlich Orte aus diesen Bundesländern. Die größten Verschuldungsprobleme haben in Deutschland private Haushalte in Berlin, gefolgt von Bremen und Sachsen Anhalt.
Schufa-Chef Rainer Neumann sieht dafür auch strukturelle Gründe. "Schwierig ist die Situation in Gegenden, wo die Industrie nicht gut läuft. Auch in Großstädten kommt es aufgrund der Bevölkerungsstruktur zu Problemen, die bis zu vier Mal höher sind als in Zonen, wo es den Leuten gut geht."
Insgesamt sucht die Zahlungsmoral der Deutschen aber ihresgleichen: 91,8 Prozent aller privaten Kreditnehmer in Deutschland zahlen ihre Raten für Konsum- und Hypothekenkredite reibungslos zurück. Das Risiko, dass in Deutschland Kredite privater Verbraucher platzen, betrug im vergangenen Jahr gerade einmal 2,5 Prozent. Zum Vergleich: In Großbritannien und den USA liegt die Ausfallquote zwischen fünf und sechs Prozent.
Dabei beschränkt sich die Vergabe von Krediten in Deutschland keineswegs auf Gutbetuchte. Die Schufa-Studie zeigt, dass Verschuldung heute gleichmäßig alle Einkommensgruppen betrifft. Haushalte, die weniger als die Pfändungsfreigrenze von 990 Euro im Monat verdienen und damit nach Bank-Maßstäben eigentlich nicht kreditwürdig sind, machen bereits 18 Prozent des Kreditmarktes für Privatpersonen aus. "Pauschale Aussagen, dass Kredite nur die bekommen, die es sich leisten können, sind Unsinn. Die Realität beweist das Gegenteil", sagt Gunter Zimmermann.
Allerdings nimmt das Risiko der Überschuldung zu, je weniger ein Kreditnehmer verdient. Besonders stark von Überschuldung betroffen sind Ein-Personen Haushalte, Alleinerziehende, sowie junge Leute unter 24 Jahren.
Als positiver Nachhall der vergangenen wirtschaftlichen Aufschwungsphase könnte in diesem Jahr auch erstmals die Zahl der privaten Pleiten zurückgehen - ein Novum seit Einführung des Verbraucherinsolvenzrechtes im Jahr 1999. Im laufenden Jahr dürften nur noch etwa 97.000 Schuldner den Offenbarungseid leisten, nachdem es im letzten Jahr 105.000 Privatinsolvenzen gab.
In der aktuellen Finanzkrise mehren sich allerdings die Anzeichen, dass sich die Zahlungsmoral der Verbraucher verschlechtert. So gehen nach der jüngsten Herbstumfrage des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen 45 Prozent der Inkassofirmen davon aus, dass Schuldner ihre Rechnungen im kommenden Jahr schlechter bezahlen werden. Im Frühjahr war die erwartete Quote säumiger Schuldner nicht einmal halb so groß - sie lag bei 22 Prozent. Zahlungsausfälle dürften vor allem Anbieter von Dienstleistungen, Handwerker und Baufirmen betreffen.
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