Schufa-Debatte auf der re:­pu­bli­ca: Machtfrage beim Scoring

Die umstrittene Wirtschaftsauskunftei Schufa bemüht sich zunehmend um Offenheit. Doch eine aktuelle Petition kratzt schon wieder an ihrem Image.

Netzaktivist Arne Semsrott bei der re:­pu­bli­ca 2023 in Berlin Foto: Steffen Proessdorf/imago

BERLIN taz | Braucht die Welt Auskunfteien wie die Schufa? Und wenn ja, unter welchen Bedingungen? „Man kann schon die Frage stellen, ob es private Unternehmen geben sollte, die so viel Macht haben, dass sie über die Bonität von Einzelnen entscheiden“, sagt der Aktivist Arne Semsrott am Montag auf der Digitalkonferenz re:­pu­bli­ca bei einer Diskussion mit Schufa-Chefin Tanja Birkholz.

Die hält dagegen: Sobald zwischen Leistung und Zahlung Zeit liege, brauche es jemanden, der die Kreditwürdigkeit einschätze – und damit insbesondere in der digitalen Welt.

Semsrott hat vor fünf Jahren die Initiative OpenSchufa mitgestartet, die Licht in das Scoring-Verfahren der im Verbraucherbereich größten deutschen Auskunftei bringen wollte. Er gilt seitdem als einer ihrer schärfsten Kritiker. Dass Birkholz sich mit ihm auf eine Bühne setzt, sogar als Partner der Konferenz auftritt, was eine finanzielle Beteiligung bedeutet, ist Teil einer Transparenzoffensive, mit der die Schufa für mehr Akzeptanz in der Bevölkerung sorgen will. Das Scoring, also die kompakte Einschätzung der Bonität, ist ein bedeutender Teil des Geschäftsmodells der Auskunftei.

Eine positive Entwicklung in Sachen Transparenz sieht grundsätzlich auch Semsrott. Die gehe allerdings nicht primär von der Schufa selbst aus. Druck komme etwa aus der Gesellschaft und vom Europäischen Gerichtshof (EuGH). Nachdem dessen Generalanwalt unter anderem eine zu lange Speicherung von Daten über Privatinsolvenzen kritisierte, kürzte die Schufa die Speicherfristen entsprechend.

Neues Transparenzportal

Semsrott kritisiert nicht nur das Wesen der Schufa, sondern auch die gesellschaftlichen Folgen der Bonitäteinschätzung: „Schlechter Score heißt, dass ich A, B oder C nicht mehr machen kann.“ Etwa auf Rechnung kaufen, einen Kredit bekommen oder einen Mobilfunkvertrag abschließen. Hier müsse die Politik nicht nur für mehr Transparenz, sondern auch für Kontrolle und gegebenenfalls für andere Regeln sorgen. Auch könne es sinnvoll sein, für eine Auskunftei kein privatwirtschaftliches Modell, sondern eine öffentlich-rechtliche Unternehmensform vorzusehen, um weniger auf Profit als auf gesellschaftliche Vorteile zu zielen.

Birkholz zufolge soll noch „vor der Sommerpause“ ein weiteres Transparenzwerkzeug starten: Ver­brau­che­r:in­nen sollen dann über das Portal Bonify Einsicht in die von ihnen bei der Schufa gespeicherten Daten erhalten. Ende vergangenen Jahres hatte die Schufa das Finanz-Start-up übernommen.

Petition gegen Kontozugang

Und mit der Übernahme von Bonify hängt auch eine Petition zusammen, die die NGO Finanzwende am Montag gestartet hat. Sie antizipiert einen Plan, den die Schufa perspektivisch mit Bonify verfolgen könnte: So könnte sie Ver­brau­che­r:in­nen anbieten, über Bonify Kontoinformationen zur Verfügung zu stellen, um damit den eigenen Score zu verbessern. Ähnliche Pläne hatte die Auskunftei vor einigen Jahren bereits verfolgt, aber nach Protesten eingestellt.

Mit der Petition fordert Finanzwende die Schufa nun auf, „jeglichen Plänen, an die Kontoinformationen Dritter zu gelangen, eine klare Absage erteilen“. Das tut Birkholz bei der Diskussion auf der re:­pu­bli­ca nicht. Zwar stellt sie klar, dass es akut keine derartigen Pläne gebe, und sagt: „Wir werden nie ein Interesse daran haben, einfach nur Daten reinzupumpen.“ Allerdings betonte sie auch, es gebe einen Nutzen für Verbraucher:innen, könnten diese der Schufa zusätzliche Daten zur Verfügung stellen.

Finanzwende überzeugt das nicht: Der Verein befürchtet mehr Macht für das Unternehmen – und gegebenenfalls Einblicke in sehr persönliche Zahlungsdaten. So könnten auch gezahlte Gewerkschaftsbeiträge oder beglichene Arztrechnungen kreditrelevant und damit für die Schufa interessant sein.

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