piwik no script img

SchriftstellerdaseinWie Lotto spielen

In Leipzig diskutierten Schrift­stel­le­r*in­nen auf einer „Betriebsversammlung“ die Lebensumstände von Schreibenden.

Der Buchmarkt ist unter Druck – nicht nur, weil weniger Bücher verkauft werden Foto: Erwin Wodicka/Zoonar/imago

Die Literatur ist ein herausforderndes Geschäft. Und doch: „Wir sind verdammt gut in unserem Job, warum also ist unser Job nicht gut zu uns?“, fragt die Stimme aus dem Off zu Beginn des Abends. Etwa hundert Menschen, darunter Schriftsteller*innen, Jour­na­lis­t*in­nen und Dramaturg*innen, sind an diesem Sonntag dem Aufruf zur „Betriebsversammlung“ im Ost-Passage-Theater in Leipzig gefolgt.

Eingeladen haben die Au­to­r*in­nen Yade Yasemin Önder und Svenja Gräfen. Unter dem Titel „Prekär, aber poetisch? – Die Lebensrealitäten von Autor*innen“ wollen sie mit Anke Stelling und Christian Dittloff ins Gespräch kommen: über das ­Schreiben, Neid und Solidarität unter Schreibenden.

Die Runde beginnt ohne Umschweife: „Wie sieht’s bei euch aus? Könnt ihr gerade vom Schreiben leben?“, fragt Önder. Das Publikum lacht, Dittloff und Stelling sind zögerlich. Für die beiden Au­to­r*in­nen scheint es eine Frage der Definition. Denn was gehört eigentlich alles zum Job eines Schriftstellers? Nur die Zeit, in der man schreibt, oder auch die Zeit, die man für das Schreiben nützt?

„Und gehören Transferleistungen und Förderungen auch zu dem Topf, von dem man als Schriftstellerin lebt?“, fragt die Buchpreisgewinnerin ins Publikum. In den ersten Reihen wird genickt. „Dann ja“, sagt Stelling. Was es mit Schriftstellerinnen macht, finanziell von Förderungen, Stipendien und Preisen abhängig zu sein, macht Stelling deutlich: Sie reichen ihre Texte wie Lottoscheine ein – in der Hoffnung, eines Tages doch mal zu gewinnen. Denn die Preise, darauf weist Dittloff hin, können lebensentscheidend sein, bestimmen bei Dotierungen in Höhe von 20.000 Euro im Zweifel das gesamte Leben des nächsten Jahres.

Buchmarkt unter Druck

Klar ist: Der Buchmarkt ist unter Druck – nicht nur, weil weniger Bücher verkauft werden, sondern weil sich Verlage stärker auf Bestseller statt auf Einzeltitel fokussieren. Stelling stellt deswegen zur Debatte, ob man überhaupt jemals von Büchern leben konnte: „Der Kapitalismus macht doch vor der Literatur keinen Halt!“

Gräfen hält eine aktuelle Studie zum Einkommen von Au­to­r*in­nen des Verbands der deutschen Schrift­stel­le­r*in­nen entgegen: „Der hohe Umsatz verteilt sich nur nicht auf die Autor*innen!“ Der Verband fordert deshalb eine strukturelle Verlagsförderung, die angemessene Honorare und verhältnismäßige Beteiligungen für Au­to­r*in­nen zur Voraussetzung macht.

Auch zwischen den Kol­le­g*in­nen sorgen die unsicheren und geringen finanziellen Erfolgschancen für Druck. Denn oft zahlt sich ja insbesondere die vermeintliche Einzigartigkeit in der Buchbranche aus. Das sorgt für Vergleiche untereinander. Als Dittloff feststellt, dass es eine Autorin gibt, die wie er ein Buch über das Sterben der Eltern geschrieben hat, ist sein erster Gedanke: „Unsere beiden Bücher kannibalisieren sich selbst!“ Dittloff trifft die Autorin deshalb vorher, sie versuchen sich zu verbünden, gegenseitig zu empfehlen.

Geld hilft beim Schreiben!

Nach der Pause nehmen die Ersten aus dem Publikum an der Betriebsversammlung teil. Eine Autorin beklagt, dass die hohen Umsätze in der Buchbranche nicht bei den Au­to­r*in­nen ankommen: „Seid ihr da nicht manchmal wütend?“ Einem anderen Zuschauer wird zu viel gejammert. Er fragt: „Würde Geld euch wirklich helfen, besser beim Schreiben zu werden?“ Klare Antwort von Svenja Gräfen: „Ja!“

Dittloff und Stelling betonen, es sei wichtig, über Missstände zu sprechen, um zu wissen, wie es um die Literatur bestellt ist.

Wie also weiter? Svenja Gräfen empfiehlt den Eintritt in eine Genossenschaft wie der Zoralit für Menschen im Literaturbetrieb. Ansonsten ist sich Autorin Yade Yasemin Önder sicher: Gute Texte bleiben. Und das wollen hier heute Abend alle hoffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Es ist doch wie bei jeder anderen Art von „Kunst“ auch:



    ein Buch/ Text mag „gut“ sein, wenn es aber trotzdem Niemanden oder zu wenige Leute interessiert und keiner dafür bezahlt, kann man nicht davon leben; da brauchtˋs dann Alternativen.

  • Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass gerade einmal 5% der Autoren vom Schreiben leben können.



    Das ist nicht viel.



    Der Buchmarkt hat sich in den letzten Jahren geteilt. Die Verlagsautoren auf der einen Seite und ein Heer von Selfpublishern auf der anderen.



    Und das ist gut so. Ein Buch ist nicht schlecht, weil es nicht ins Programm eines Verlags passt.

  • Ich habe keine Ahnung wie viel % bei den Verlagen hängen bleibt aber mittlerweile gibt es unzählige Anbieter auf dem Markt die es Schriftstellern ermöglichen im Selbstverlag alles anzubieten was der Markt möchte. Bücher, gebunden oder eBook - als Hörbuch usw.

    Klar - auch dann verkauft sich nur das was eben auch auf Interesse stößt. Andersrum kann man sagen - wer nicht von seiner "Kunst" leben kann sollte sich eventuell etwas anderes suchen um diesen Lebensunterhalt zu bestreiten.

  • Von Kunst, konnten und können nur die wenigsten leben. Früher brauchten wir einen Mäzen in Form eines gelangweilten Fürsten. Heute benötigen wir Fördermittel. Aus dem Pool von Schriftstellern / Malern / Schauspielern usw., gelangen dann einige, durch glückliche Zufälle, zu einem gewissem Ruhm. Ob nun zu Recht, sei mal dahingestellt. Ich kann aber gar nicht anders als zu schreiben. Geld ist für mich erstmal sekundär. Um ein Auskommen zu haben, gehe ich nebenbei einer lukrativen Beschäftigung nach.