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Schriftsteller über syrische KulturZeig mir deine Freunde

Nachrichten über Syrien beschäftigen sich vor allem mit Krieg und Flüchtlingen. Der Schriftsteller Suleman Taufiq erzählt vom Alltagsleben der Syrer.

Heißer Tee und Tawla: ein perfekter Nachmittag für Syrer. Foto: imago/Westend61
Alem Grabovac
Interview von Alem Grabovac

Was darf in keinem syrischen Haushalt fehlen?

Der Fernseher. Er läuft ständig, auch wenn Gäste zu Besuch sind.

Wichtigstes Mobiliar?

Eine Vitrine, in der alle wertvollen Dinge und Erbstücke aufbewahrt sind. Sie steht im Wohnzimmer, damit die Gäste sie auch bewundern können.

Wer kocht?

Meistens die Frauen. Die Männer beteiligen sich kaum an der Hausarbeit.

Frühstück

Viele gehen ohne Frühstück aus dem Haus. Sie trinken Kaffee und essen dann dazu etwas Süßes. Wenn man aber doch frühstückt, dann normalerweise zwischen 8 und 10 Uhr. Das Frühstück besteht meistens aus Schafskäse, Quark mit Minze und Olivenöl, Oliven, Eiern, Marmelade oder Foul. Das sind dicke Bohnen mit Olivenöl, Knoblauch, Zitronensaft und Sesampaste (Tahine).

Bild: imago/gezett
Im Interview: 

Der deutsch-syrische Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber arabischer Literatur ist 1953 in Beirut geboren und in Damaskus aufgewachsen.

Nach dem Abitur ging er nach Deutschland und studierte Philosophie und Komparatistik in Aachen, wo er heute lebt.

Mittagessen

Zwischen 12 und 14 Uhr. Immer warm mit Gemüse, meistens Auberginen, Zucchini, Bamia (Okraschoten), Bohnen, Erbsen, Tomaten mit Fleisch oder auch ohne. Dazu Salat, Joghurt und Obst als Nachspeise.

Abendessen

Gegen 19 Uhr im Winter und ab 21 Uhr im Sommer. Leichte Sachen, wie Käse und Humus mit Fladenbrot, dazu trinkt man Tee.

Nationalgericht

Kibeh in vielen verschiedenen Variationen. Frittiert, in Jogurt gekocht, gedämpft, im Backofen auch roh. Die Zutaten: Lammfleisch fein gehackt, Zwiebel, Walnüsse, Pinienkerne, Burgul (Weizenschrot) und die sieben Gewürze.

Imbisskultur

Falafel, Foul, Fatayer (Gefüllte Teigtaschen mit verschiedenen Zutaten wie Käse, Fleisch), Kräutermischung mit Olivenöl, Schawuma (ähnlich wie Gyros), Sfiha (kleine Flachbrote mit Lammfleisch).

Beliebteste Süßspeise

Baklawa, Kattayef, Knafa und verschiedene Milchspeisen.

Lieblingsgetränk

Tee und Kaffee und frische Säfte im Sommer.

Alkohol

Arak (Anisschnaps), Bier. Alkohol gehört nur zu einem Fest und zum Essen. Ist das Essen beendet, wird auch kein Alkohol mehr gereicht.

Rauchen

Die Syrer rauchen sehr viel. Beliebt ist auch das Wasserpfeiferauchen, übrigens auch bei den Frauen. Die Wasserpfeife gibt es in jedem Restaurant oder in Cafés.

Drogen

Die am meisten verbreitete Droge ist Haschisch. Sie ist verboten und steht unter Strafe.

Welche Charaktereigenschaften werden den Syrern zugeschrieben?

Ernst, Stolz und Diplomatie, Geselligkeit, Fähigkeit zu Improvisieren.

Mimik und Gestik

Die Syrer erscheinen äußerst vielfältig und lebendig. Grund dafür ist nicht nur ein heftiges Temperament, sondern es fällt besonders bei ins Gespräch vertieften Menschen auf, dass ihre Körper alles Gesagte ständig durch bestimmte Gesten und eine Fülle von typischen Handbewegungen unterstreichen. Ihre Hände sind dabei ununterbrochen in Bewegung, insbesondere dann, wenn im Gespräch etwas Abstraktes besprochen wird, denn das lässt sich durch eine Vielzahl von symbolischen Handzeichen gut konkretisieren.

Syrische Benimmregeln

Fremde Frauen sollte man nicht anstarren. Ebenfalls gilt es als unhöflich, wenn man über seine Probleme spricht.

Die wichtigsten Werte

Familie, Ehre, Stolz, Gastfreundschaft.

Arbeitsmoral

Die Syrer sind fleißig und ehrgeizig. Sie sind überall sehr erfolgreich.

Modestil der Syrer

Sie legen viel Wert auf ihr Aussehen. Die äußerliche Erscheinung ist ihnen sehr wichtig. Die Haltung, die Kleidung und der Blick stehen im Vordergrund. Der Auftritt mit seinem Nimbus bestimmt anfänglich die Szene, erst dann kommt es zum Gespräch.

Die Gerüche Syriens

Rosenwasser, Minze, Kardamom, Gewürze, Kaffee, Seife, Staub und schwereres Parfum.

Witze über Syrer

Es gibt viele Witze über die Menschen aus der Stadt Homs. Ein Beispiel: Eine junge Frau rief ihren Freund an: Hallo, ich bin ganz allein, meine Eltern sind verreist. Der Freund antwortete: Hab keine Angst, lies einfach eine Sure aus dem Koran.

Ein Märchen, das alle in ihrer Kindheit gelesen haben

Märchen werden erzählt und nicht gelesen. Meistens sind es Volksmärchen oder Geschichten aus Tausendundeiner Nacht.

Berühmtester syrischer Film

„Ahlam al-Madina“ (Träume der Stadt) von Mohamed Malas.

Berühmtester syrischer Roman

„Bilderreste“ von Hanna Mina.

Berühmtester syrischer Sportler/Sportlerin

Ghada Shouaa (Leichtathletin und Siebenkämpferin). Sie gewann 1996 für Syrien die erste und bisher einzige Goldmedaille bei Olympischen Spielen.

Nationalsport

Fußball und Volleyball.

Fest in Syrien, auf das sich alle freuen

Bei den Muslimen ist es das Opferfest und bei den Christen das Osterfest. Bei den Kurden ist es das Newrus-Fest (Neujahrsfest am 21. März).

Beliebtester syrischer Ausflugs/Urlaubsort (vor dem Krieg)

Al-Ghouta (Ein Grüngürtel mit Obstplantagen um Damaskus) und die Küste am Mittelmeer.

Lieblingsbeschäftigung der Syrer in der Freizeit

Kartenspiel, Geschichtenerzählen, in Kaffeehäusern sitzen und plaudern.

Ausgehverhalten

Der Spaziergang ist kurz, und meistens flaniert man in Einkaufstraßen, um zu sehen und gesehen zu werden. Disco ist nicht so verbreitet und hat einen schlechten Ruf. Essen gehen mit der Familie oder mit Freunden ist beliebt.

Beliebtestes Freizeit-Spiel

Karten, Tawla.

Beliebtes Spielzeug für Mädchen

Puppe.

Beliebtes Spielzeug für Jungen

Fahrrad, Auto und Pistole.

Vatersein

Der Vater verkörpert die Autorität. Er kümmert sich nicht viel um die Erziehung, er entscheidet und spricht das letzte Machtwort.

Muttersein

Die Mutter ist zuständig für alles, vor allem für die emotionale Seite in der Familie.

Männerbild

Durchsetzungsfähigkeit, Selbstkontrolle, Stärke.

Frauenbild

Kein Sex vor der Ehe, die Frau soll jungfräulich in die Ehe gehen. In der Öffentlichkeit soll sie sich gut benehmen, vor allem nicht auffallen.

Liebe

Liebe und Erotik findet nicht öffentlich statt. Es wird viel kokettiert mit Blicken. Frauen dürfen nicht flirten oder öffentlich erzählen, dass sie verliebt sind. Alle arabischen Lieder handeln von der Liebe, die unerfüllt bleibt. Das gilt aber nicht für die Männer.

Sex

Alles dreht sich um das Thema Sex. Die gesellschaftlich deutliche Trennung der Geschlechter macht das Thema noch attraktiver. Alles geschieht im Verborgenen. Frau oder Mann müssen bis zur Hochzeit warten.

Ehe

Hochzeiten stellen im Leben der Syrer einen Höhepunkt dar. Das Hochzeitsfest ist das wichtigste Fest überhaupt, und Heiraten ist die Erfüllung des Traumes aller jungen Menschen dort.

Homosexualität

Ist ein Tabu, ein Schimpfwort und strafbar.

Syrische Lebensweisheit

„Zeige mir deine Freunde, und ich sage dir, wer du bist.“

Wie werden die Syrer Deutschland verändern

Sie bringen eine sehr alte und lebendige Kultur mit . Das könnte eine neue Lebensqualität bedeuten, eine Bereicherung der Küche und vor allem wirtschaftliche Anreize. Außerdem sind die Syrer erfinderisch.

Religiosität

Syrien beherbergt mehr als 20 verschiedene Religionen und Konfessionen. Die Syrer sind im Allgemeinen sehr religiös, vor allem auf dem Lande. Aber ihre Religiosität war bis vor dem Krieg ziemlich liberal. Heute ist sie sehr radikal geworden.

Gott

Gott auf Arabisch heißt Allah. In der alltäglichen Redewendung taucht das Wort Allah ständig auf, wie zum Beispiel „So Gott will“.

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2 Kommentare

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  • "Die Syrer", "die Männer", "die Frauen"....warum nicht gleich "das Wesen des Syrers ist...".

     

    Ein bisschen interkultureller Austausch ist ja schön und gut, aber muss das in dieser undifferenzierten und essentialistischen Art und Weise geschehen?

    • @hamac:

      Sehen Sie es doch mal so: Die ganze Flüchtlings-Sache verdanken wir im Grunde Facebook. Hätte das Motto des "sozialen Netzwerks" nicht so super zu DER syrischen "Lebensweisheit" gepasst, wonach man angeblich über seine "Freunde" zu definieren ist – wer weiß schon, ob es jemals eine derart spontane, emotionale und unreflektierte Anti-Assad-Revolte gegeben und wenn ja, wie sie geendet hätte.

       

      Übrigens: Die taz hat hier nicht DIE Syrer mit albernen Klischee-Fragen traktiert, sondern einen einzelnen "deutsch-syrische[n] Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber arabischer Literatur", der "1953 in Beirut geboren" ist und nach dem Abitur in Aachen (Deutschland) "Philosophie und Komparatistik" studiert hat, wo er seit über 40 Jahren lebt. Auf so eine Idee muss man schon erst mal kommen...