Schriftsteller über syrische Kultur: Zeig mir deine Freunde
Nachrichten über Syrien beschäftigen sich vor allem mit Krieg und Flüchtlingen. Der Schriftsteller Suleman Taufiq erzählt vom Alltagsleben der Syrer.
Was darf in keinem syrischen Haushalt fehlen?
Der Fernseher. Er läuft ständig, auch wenn Gäste zu Besuch sind.
Wichtigstes Mobiliar?
Eine Vitrine, in der alle wertvollen Dinge und Erbstücke aufbewahrt sind. Sie steht im Wohnzimmer, damit die Gäste sie auch bewundern können.
Wer kocht?
Meistens die Frauen. Die Männer beteiligen sich kaum an der Hausarbeit.
Frühstück
Viele gehen ohne Frühstück aus dem Haus. Sie trinken Kaffee und essen dann dazu etwas Süßes. Wenn man aber doch frühstückt, dann normalerweise zwischen 8 und 10 Uhr. Das Frühstück besteht meistens aus Schafskäse, Quark mit Minze und Olivenöl, Oliven, Eiern, Marmelade oder Foul. Das sind dicke Bohnen mit Olivenöl, Knoblauch, Zitronensaft und Sesampaste (Tahine).
Der deutsch-syrische Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber arabischer Literatur ist 1953 in Beirut geboren und in Damaskus aufgewachsen.
Nach dem Abitur ging er nach Deutschland und studierte Philosophie und Komparatistik in Aachen, wo er heute lebt.
Mittagessen
Zwischen 12 und 14 Uhr. Immer warm mit Gemüse, meistens Auberginen, Zucchini, Bamia (Okraschoten), Bohnen, Erbsen, Tomaten mit Fleisch oder auch ohne. Dazu Salat, Joghurt und Obst als Nachspeise.
Abendessen
Gegen 19 Uhr im Winter und ab 21 Uhr im Sommer. Leichte Sachen, wie Käse und Humus mit Fladenbrot, dazu trinkt man Tee.
Nationalgericht
Kibeh in vielen verschiedenen Variationen. Frittiert, in Jogurt gekocht, gedämpft, im Backofen auch roh. Die Zutaten: Lammfleisch fein gehackt, Zwiebel, Walnüsse, Pinienkerne, Burgul (Weizenschrot) und die sieben Gewürze.
Imbisskultur
Falafel, Foul, Fatayer (Gefüllte Teigtaschen mit verschiedenen Zutaten wie Käse, Fleisch), Kräutermischung mit Olivenöl, Schawuma (ähnlich wie Gyros), Sfiha (kleine Flachbrote mit Lammfleisch).
Beliebteste Süßspeise
Baklawa, Kattayef, Knafa und verschiedene Milchspeisen.
Lieblingsgetränk
Tee und Kaffee und frische Säfte im Sommer.
Alkohol
Arak (Anisschnaps), Bier. Alkohol gehört nur zu einem Fest und zum Essen. Ist das Essen beendet, wird auch kein Alkohol mehr gereicht.
Rauchen
Die Syrer rauchen sehr viel. Beliebt ist auch das Wasserpfeiferauchen, übrigens auch bei den Frauen. Die Wasserpfeife gibt es in jedem Restaurant oder in Cafés.
Drogen
Die am meisten verbreitete Droge ist Haschisch. Sie ist verboten und steht unter Strafe.
Welche Charaktereigenschaften werden den Syrern zugeschrieben?
Ernst, Stolz und Diplomatie, Geselligkeit, Fähigkeit zu Improvisieren.
Mimik und Gestik
Die Syrer erscheinen äußerst vielfältig und lebendig. Grund dafür ist nicht nur ein heftiges Temperament, sondern es fällt besonders bei ins Gespräch vertieften Menschen auf, dass ihre Körper alles Gesagte ständig durch bestimmte Gesten und eine Fülle von typischen Handbewegungen unterstreichen. Ihre Hände sind dabei ununterbrochen in Bewegung, insbesondere dann, wenn im Gespräch etwas Abstraktes besprochen wird, denn das lässt sich durch eine Vielzahl von symbolischen Handzeichen gut konkretisieren.
Syrische Benimmregeln
Fremde Frauen sollte man nicht anstarren. Ebenfalls gilt es als unhöflich, wenn man über seine Probleme spricht.
Die wichtigsten Werte
Familie, Ehre, Stolz, Gastfreundschaft.
Arbeitsmoral
Die Syrer sind fleißig und ehrgeizig. Sie sind überall sehr erfolgreich.
Modestil der Syrer
Sie legen viel Wert auf ihr Aussehen. Die äußerliche Erscheinung ist ihnen sehr wichtig. Die Haltung, die Kleidung und der Blick stehen im Vordergrund. Der Auftritt mit seinem Nimbus bestimmt anfänglich die Szene, erst dann kommt es zum Gespräch.
Die Gerüche Syriens
Rosenwasser, Minze, Kardamom, Gewürze, Kaffee, Seife, Staub und schwereres Parfum.
Witze über Syrer
Es gibt viele Witze über die Menschen aus der Stadt Homs. Ein Beispiel: Eine junge Frau rief ihren Freund an: Hallo, ich bin ganz allein, meine Eltern sind verreist. Der Freund antwortete: Hab keine Angst, lies einfach eine Sure aus dem Koran.
Ein Märchen, das alle in ihrer Kindheit gelesen haben
Märchen werden erzählt und nicht gelesen. Meistens sind es Volksmärchen oder Geschichten aus Tausendundeiner Nacht.
Berühmtester syrischer Film
„Ahlam al-Madina“ (Träume der Stadt) von Mohamed Malas.
Berühmtester syrischer Roman
„Bilderreste“ von Hanna Mina.
Berühmtester syrischer Sportler/Sportlerin
Ghada Shouaa (Leichtathletin und Siebenkämpferin). Sie gewann 1996 für Syrien die erste und bisher einzige Goldmedaille bei Olympischen Spielen.
Nationalsport
Fußball und Volleyball.
Fest in Syrien, auf das sich alle freuen
Bei den Muslimen ist es das Opferfest und bei den Christen das Osterfest. Bei den Kurden ist es das Newrus-Fest (Neujahrsfest am 21. März).
Beliebtester syrischer Ausflugs/Urlaubsort (vor dem Krieg)
Al-Ghouta (Ein Grüngürtel mit Obstplantagen um Damaskus) und die Küste am Mittelmeer.
Lieblingsbeschäftigung der Syrer in der Freizeit
Kartenspiel, Geschichtenerzählen, in Kaffeehäusern sitzen und plaudern.
Ausgehverhalten
Der Spaziergang ist kurz, und meistens flaniert man in Einkaufstraßen, um zu sehen und gesehen zu werden. Disco ist nicht so verbreitet und hat einen schlechten Ruf. Essen gehen mit der Familie oder mit Freunden ist beliebt.
Beliebtestes Freizeit-Spiel
Karten, Tawla.
Beliebtes Spielzeug für Mädchen
Puppe.
Beliebtes Spielzeug für Jungen
Fahrrad, Auto und Pistole.
Vatersein
Der Vater verkörpert die Autorität. Er kümmert sich nicht viel um die Erziehung, er entscheidet und spricht das letzte Machtwort.
Muttersein
Die Mutter ist zuständig für alles, vor allem für die emotionale Seite in der Familie.
Männerbild
Durchsetzungsfähigkeit, Selbstkontrolle, Stärke.
Frauenbild
Kein Sex vor der Ehe, die Frau soll jungfräulich in die Ehe gehen. In der Öffentlichkeit soll sie sich gut benehmen, vor allem nicht auffallen.
Liebe
Liebe und Erotik findet nicht öffentlich statt. Es wird viel kokettiert mit Blicken. Frauen dürfen nicht flirten oder öffentlich erzählen, dass sie verliebt sind. Alle arabischen Lieder handeln von der Liebe, die unerfüllt bleibt. Das gilt aber nicht für die Männer.
Sex
Alles dreht sich um das Thema Sex. Die gesellschaftlich deutliche Trennung der Geschlechter macht das Thema noch attraktiver. Alles geschieht im Verborgenen. Frau oder Mann müssen bis zur Hochzeit warten.
Ehe
Hochzeiten stellen im Leben der Syrer einen Höhepunkt dar. Das Hochzeitsfest ist das wichtigste Fest überhaupt, und Heiraten ist die Erfüllung des Traumes aller jungen Menschen dort.
Homosexualität
Ist ein Tabu, ein Schimpfwort und strafbar.
Syrische Lebensweisheit
„Zeige mir deine Freunde, und ich sage dir, wer du bist.“
Wie werden die Syrer Deutschland verändern
Sie bringen eine sehr alte und lebendige Kultur mit . Das könnte eine neue Lebensqualität bedeuten, eine Bereicherung der Küche und vor allem wirtschaftliche Anreize. Außerdem sind die Syrer erfinderisch.
Religiosität
Syrien beherbergt mehr als 20 verschiedene Religionen und Konfessionen. Die Syrer sind im Allgemeinen sehr religiös, vor allem auf dem Lande. Aber ihre Religiosität war bis vor dem Krieg ziemlich liberal. Heute ist sie sehr radikal geworden.
Gott
Gott auf Arabisch heißt Allah. In der alltäglichen Redewendung taucht das Wort Allah ständig auf, wie zum Beispiel „So Gott will“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz