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Schockbilder auf Zigarettenschachteln„Das verstärkt den Zweifel“

Halten Schockbilder auf Zigarettenschachteln die Menschen davon ab, zur Kippe zu greifen? Ja, meint der Psychologe Reiner Hanewinkel.

Liebe Raucher, die schwarze Lunge aus dem Bio-Unterricht ist zurück Foto: dpa
Interview von Svenja Bergt

taz: Herr Hanewinkel, Bilder von Raucherlungen oder vergammelten Zähnen – hält das jemanden vom Rauchen ab?

Reiner Hanewinkel: Ja, denn diese Bilder zeigen realistisch die möglichen Folgen des Rauchens. Das macht etwa die Werbung für Zigaretten nicht. Darüber hinaus ist gerade für Jugendliche das Packungsdesign wichtig. Die Zigarettenschachtel ist letztlich eine Werbefläche. Wenn diese Werbefläche nun durch die Bilder verkleinert wird, ist das ein Schritt in die richtige Richtung.

Fangen Menschen wirklich an zu rauchen, weil sie das Packungsdesign so toll finden?

Das Design der Verpackung ist eine Komponente von mehreren, die das Image eines Produkts formt. Und das kommt bei Zigaretten immer noch dem sehr nahe, was der alte Marlboro-Mann verkörpern sollte: Freiheit, Coolness, Sexiness. Gerade für Jugendliche sind diese Zuschreibungen interessant – das Alter, in dem die meisten anfangen zu rauchen.

Die Schockbilder halten Nichtraucher eher davon ab, Raucher zu werden, stoppen aber Raucher nicht beim Griff zur nächsten Zigarette?

Aufgrund von Studien können wir davon ausgehen, dass die Bilder sowohl bei Nichtrauchern als auch bei Rauchern wirken – aber auf unterschiedliche Weise.

Und zwar?

Nehmen wir den Fall eines langjährigen Rauchers. Sein Arzt hat ihm ins Gewissen geredet, die Lungenwerte sind nicht toll und wenn er in den dritten Stock muss, dann japst er ganz schön rum, dessen ist er sich bewusst. Und der sieht jetzt im Laden eine Packung mit dem Bild einer Raucherlunge. Da verstärkt es den Zweifel. Auf Nichtraucher wirken die Bilder dagegen im Sinne einer positiven Bestärkung. Es ist ein Auf-die-Schulter-Klopfen: Ihr seid auf dem richtigen Weg, bleibt dabei, dann bleibt euch all das erspart.

Bild: privat
Im Interview: Rainer Hanewinkel

54, ist Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel. Der Psychologe forscht unter anderem über die Wirkung von Zigarettenwerbung.

Und bei eingefleischten Rauchern?

Die meisten eingefleischten Raucher rauchen nicht etwa, weil sie das Rauchen so toll finden, sondern weil sie abhängig sind. Der Weg aus der Abhängigkeit ist oftmals nicht einfach. Alles, was auf diesem Weg hilft und motiviert, kann von Nutzen sein. Dazu gehören auch die Warnhinweise und Hinweise auf telefonische Beratung, die auf den Schachteln abgedruckt werden.

Die Bilder gibt es schon in diversen Ländern. Haben sie empirisch etwas gebracht?

Kein Land der Welt setzt alleine auf bildgestützte Warnhinweise. In der Regel werden verschiedene Maßnahmen gleichzeitig umgesetzt, wie Preiserhöhungen, Rauchverbote, schulische Aufklärung und eben Warnhinweise. Es ist immer schwierig zu sagen, welche Entwicklung auf welche Maßnahme zurückgeht. Aber es ist schon auffällig, dass das Land mit den niedrigsten Raucherraten Australien ist. Das ist absoluter Vorreiter.

In Australien gibt es nicht nur die abschreckenden Bilder, sondern auch ein einheitliches Verpackungsdesign.

Das wäre natürlich auch hierzulande schön. Aber es wird wohl so bald nicht passieren, da die Tabaklobby hier noch immer sehr stark ist. Deutschland ist ja nicht gerade Vorreiter, was Prävention und Nichtraucherschutz anbelangt. Im Gegenteil: Es gibt sogar noch Plakat- und Kinowerbung. In den meisten anderen europäischen Ländern ist das längst verboten.

Also gute Zeiten für die Hersteller von Hüllen für Zigarettenschachteln?

Damit muss man rechnen.

Was müsste passieren, damit Jugendliche das Rauchen nicht mehr als cool empfinden?

Eigentlich ist die Entwicklung schon ganz gut: Der Anteil der rauchenden Jugendlichen geht stetig zurück und die Rate derer, die nie geraucht haben, nimmt zu. Allerdings betrifft das vor allem die bildungsnahen Schichten. Gerade die bildungsfernen Schichten wurden durch die bisherigen Kampagnen vielleicht nicht so angesprochen. Daher sind die bildgestützten Warnhinweise hier eine ganz besondere Chance.

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11 Kommentare

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  • Alles was vielleicht hilft und nicht schadet (außer den Konzernen) macht doch Sinn. Wenn ich mir vorstelle, als Kind zum ersten Mal eine Schachtel Zigaretten in die Finger zu bekommen und dann so ein furchtbares Bild zu sehen - das dürfte langfristig negative Assoziationen schaffen... https://youtu.be/QX6JMPJoG7E

    • @Peterlee:

      Man braucht Angst nicht hochzufördern, davon werden alle nur "erkranken" und all unsere Wege, etwas sinnvolles zu erreichen, werden leiden. Es besteht nähmlich die Wiederfragung der Logik und ob das einem gut tut indem es gut fühlt, da der moderne Mensch dies so eingeprägt bekommen hat.

       

      Wir werden nirgendswo hinkommen mit Zwangzwängen. Denn da drückt man auch gerne die Augen zu und hat Andere Mittel wie Wege um weiterzumachen.Das Aufhören wird so nicht verstanden und unsere "Sicherheit" ballert das innere Schweinehund des Menschen in die Lüfte.

      • @The Omnimist:

        mit den Bildern sollen die Auswirkungen des Rauchens auf die Gesundheit (doch wohl der wichtigste Grund zum Aufhören?) direkt deutlich gemacht werden, man soll permanent daran erinnert werden, was man sich antut und daraufhin die Entscheidung zum Aufhören treffen. Das sind doch keine Zwangzwänge?

  • Solche Interventionen können aber auch gut und gerne zu psychologischer Reaktanz führen. Raucher fühlen sich in ihrer Autonomie eingeschränkt, bedrängt, und ignorieren daher die Schockwerbung.

  • Im Zweifelsfall wird der Umsatz an neutralen Zigarettenboxen stark ansteigen.

     

    Gar nicht zusammen paßt das Vorgehen gegen den Tabakkonsum in bezug auf die andere Schädigungsarten, die in der Summe weitaus mehr Opfer fordern (ärtzliche Kunstfehler, Krankenhauskeime, Lärm und Streß, Feinstaubbelastungen, Lebensmittelzusätze und Gifte in diversen Produkten usw. usw.

     

    Sieht man als treibende Ursache aber nicht die Produkte selbst oder deren schädlichen Konsum an, sondern diejenigen, die verantwortlich dafür sind, daß solche Produkte und Trends eher noch gefördert werden, dann hat die Politik als solche die meisten Opfer zu verantworten.

  • Ich bin nicht sicher, das hässliche Fotos bezüglich des Zigarettenkonsums eine abschreckende Wirkung haben. Vielleicht bei Gelegenheitsrauchern, aber nicht bei "chronischen", also abhängigen Zigarettenrauchern. Die werden weiter rauchen, selbst wenn der Preis pro Schachtel sehr stark anstiege.

  • 3G
    33585 (Profil gelöscht)

    Die niedrigste Raucherquote gibt es nicht in Australien, sondern in Turkmenistan, dort ist der Verkauf von Zigaretten schlicht verboten.

  • Psychologie war immer schon ein Machtinstrument, auch als es sie offiziell noch gar nicht gab.

     

    Wer Menschen manipulieren kann und keine Skrupel hat, das auch zu tun, übt Macht aus – und muss sich vorwerfen lassen, dass er Teil des Problems ist, nicht Teil der Lösung. Die Lösung nämlich wäre Selbstbeherrschung, nicht Fremdherrschaft.

     

    Marlboro scheint das bereits kapiert zu haben. Deren Psycho-Strategen haben den Marlboro-Mann auf seinen Markenkern reduziert. Sie werben nun mit einem roten Winkel und der (gelogenen) Behauptung: "You decide."

     

    Die Politik hinkt also wieder einmal hinterher. Immerhin: Sie meint es gut mit uns.

  • Also mich würde ein Bild mit Merkels Raute weitaus mehr abschrecken...(alternativlos).

  • Moin,

     

    also ich bin "eingefleischter Raucher" und ich finde das Rauchen wirklich unglaublich toll. Wenn ich nicht eh schon rauchen würde, würde ich anfangen.

     

    Kein Mensch spricht über die positiven Aspekte - der Genuss. Alles was bei dieser erzieherischen Maßnahme im Vordergrund steht ist die Gesundheit der Staatsbürger - auf dass wir lange produktiv bleiben!

     

    Einzig auf die Nikotinsucht abzustellen ist ein Stückchen Entmündigung. Ich als Mensch kann machen was ich will und verlange von Erziehern, Psychologen, Medizinern sich um ihren eigenen Scheiß zu kümmern.

     

    Jetzt muss ich auf jeder Packung diese ätzenden Bilder ertragen. Dabei bleiben die Schockbilder einfach nur ekelhafte Bilder. Was soll das. Altes Argument: So müssten auch Säuferlebern aufs Bier! Kaputte Zähne auf Süßigkeiten-Packungen, Abgehackte Hände auf Motorsägen, Schwere Kopfverletzungen auf Duschkabinen.

     

    Diesen Wahn im Namen der Gesundheit schönzureden kotzt mich an!

     

    Ich rauche gern!

    • @Andreas Ronge:

      Lieber Andreas, ich mag, wie du denkst ("auf dass wir lange produktiv bleiben" – gruselig...).

       

      Ich bin aber der Meinung, dass es ein Bildungsproblem ist, dass viele Menschen rauchen. Genauso wie es ein Bildungsproblem ist, dass viele Menschen Lotto-Spielen und dass so wenige Menschen bio-zertifizierte Lebensmittel kaufen. Und zur Bildung gehört nicht nur Wissen.

       

      Das Wissen, dass die Gewinnaussichten beim Lotto gering sind, hat so gut wie jeder. Manche kennen auch die Zahlen (Wahrscheinlichkeiten) dafür. Aber wie gering die Aussichten tatsächlich sind, das muss man erstmal begreifen - eine Intuition, ein Gefühl dafür entwickeln. Das gehört meiner Meinung nach auch zur Bildung, aber die hat kaum jemand.

       

      Das gleiche beim Rauchen: Dass Rauchen ungesund ist, weiß so gut wie jeder. Aber für das Risiko und das Ausmaß der gesundheitlichen Belastung hat kaum jemand ein angemessenes Gespür. Die Bilder auf Zigarettenschachteln vermitteln eben genau diese Intuition - kein Wissen, aber eben doch Bildung in Form von Intuition.

       

      Bei Alkohol sollte man auch über ähnliche Maßnahmen nachdenken, da folge ich ganz deiner Logik. Bei Süßigkeiten vielleicht sogar auch (Stichwort: Lebensmittelampel).

       

      Man kann das auch als Erziehung bezeichnen - Erziehung in Form von Bildung. Was ist daran verkehrt? Bildung ist ein wichtiger Pfeiler einer aufgeklärten Gesellschaft selbstbestimmter Menschen. Es gibt keinen Grund, warum nicht auch erwachsene Menschen an ihrer Bildung arbeiten sollten.

       

      Rauch weiter, keiner verbietet es dir. Aber lass doch bitte zu, dass Menschen über die gesundheitlichen Aspekte des Rauchens aufgeklärt werden, damit sie eine wirklich gebildete und selbstbestimmte Entscheidung treffen können.