Schock nach US-Wahl: Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben
Die Nachricht von Trumps Wiederwahl hat viele geschockt. Er wird die multiplen Krisen in der Welt nicht mildern, sondern verstärken. Wie bloß weitermachen?
![Donal Trum von hinten mit gereckter Faust. Donal Trum von hinten mit gereckter Faust.](https://taz.de/picture/7341878/14/36960212-1.jpeg)
A ls am Mittwochmorgen klar wurde, dass Donald Trump die US-Wahl haushoch gewonnen hat, fing ich an zu putzen. Ich faltete die Wäsche und räumte sie in die Schränke, ich sortierte die Zeitschriften und wischte die Tische. Ich staubsaugte die Wohnung, ich wischte sogar den Boden, ich hatte frei, und das schaffen wir sonst nicht so oft. Wenn schon die Welt da draußen ins Chaos schlittert, möchte ich wenigstens zu Hause das Gefühl haben, alles ist in Ordnung. Es hilft mir, nicht ganz in der Trübsal zu versinken.
Das will ich nicht, auch wegen der Kinder. Eine der ersten Fragen, die mir nach der Nachricht vom Wahlsieg Trumps in den Sinn kam, war diese: Wie können wir den Kindern jetzt noch Zuversicht vermitteln?
Realistisch betrachtet wird der Kampf gegen die Klimakrise noch mal um einiges schwerer. Trump wird vermutlich hart gegen Migrant*innen vorgehen und gegen politisch Andersdenkende. Ob die US-amerikanische Demokratie seine Amtszeit übersteht, ist längst nicht ausgemacht. Er wird sich voraussichtlich auch aus internationalen Verträgen verabschieden. Seine Wiederwahl ist ein schwerer Schlag für die USA und für die gesamte westliche Welt.
Ohne Hoffnung erstarrt man
Die Kinder sind alt genug, um das zu begreifen. Und doch möchte ich ihnen Hoffnung machen, dass es schon nicht so schlimm kommt. Ich wehre mich dagegen, ihnen zu sagen: Alles wird scheiße. Schließlich geht es im Wesentlichen auch um ihre Zukunft, um die Welt, in der sie leben werden. Dass sie die gut gestalten können, diesen Mut will ich ihnen nicht nehmen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Ohne Zuversicht geht es nicht. Das gilt für die Kinder, aber wenn man ehrlich ist, auch für uns Erwachsene. Man braucht schon ein bisschen Optimismus, ein wenig Hoffnung, um weiterzumachen, um die Dinge anzugehen. Ansonsten verharrt man, erstarrt man.
Im eigenen Umfeld lässt sich der Schwermut leichter entkommen. Das Chaos in der Wohnung kann man beseitigen. Man kann glückliche Momente schaffen, etwa mit Freund*innen oder der Familie. Man kann bei der Arbeit etwas Tolles auf die Beine stellen, etwas Gutes bewirken. Es fällt leichter, positiv in die Zukunft zu schauen, wenn man im Kleinen erlebt: Das Leben ist auch schön, und wir können etwas dafür tun, dass das so ist.
Gesamtgesellschaftlich sieht das anders aus. Die Klimakrise, die Kriege und die Wirtschaftskrise haben Spuren hinterlassen, die Deutschen blicken heute pessimistischer in die Zukunft als noch vor ein paar Jahren: 2020 sagten in einer Umfrage 58 Prozent, bei ihnen überwiege die Zuversicht, inzwischen stehen für 54 Prozent die Sorgen im Vordergrund. Knapp die Hälfte der Deutschen glaubt, dass es ihnen in zehn Jahren schlechter gehen wird als jetzt.
Die multiplen Krisen lösen Ohnmachtsgefühle aus, dem etwas entgegenzusetzen ist viel schwieriger als im Privaten. Es gibt viele, die manchmal bewusst keine Nachrichten konsumieren, weil sie die schlicht nicht mehr ertragen.
Wir haben es zuvor schon überlebt
An Trumps Wahlsieg werden aber auch diese Menschen nicht vorbeikommen. Wie nun also damit umgehen? Ein Kollege erzählte, im Familienchat habe angesichts der Schocknachricht irgendwann jemand sinngemäß geschrieben: Wir haben das schon mal vier Jahre überlebt, wir werden es wieder überstehen.
Man kann das naiv finden, verharmlosend. Aber wahrscheinlich ist so ein Zweckoptimismus in dieser Situation genau das Richtige. Er ist jedenfalls allemal besser, als sich ganz vom politischem Geschehen abzuwenden. Denn auch hierzulande steht ja nun bald eine Neuwahl an, auch hier müssen wir einen Umgang finden mit all jenen, die mit dem politischen System fremdeln und Protestparteien wählen. Die Hoffnung aufzugeben, dass dabei noch etwas zu retten ist, wäre die schlechteste Option.
Was hilft Ihnen, die Zuversicht nicht völlig zu verlieren? Welche Strategien haben Sie im Umgang mit schlechten Nachrichten jenseits vom Putzen? Schreiben Sie uns an zuversicht@taz.de
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören